Deutsche Stromrechnungen finanzieren Putins Ukraine-Krieg - neue Zahlen zeigen die Millionen-Dimension

Die Abhängigkeit von russischem Gas ist ein omnipräsentes Thema. Wie viel zahlen wir Putin wirklich? Neue Zahlen zeigen das Ausmaß.
Update vom 5. März, 12.27 Uhr: Wladimir Putin finanziert seinen Krieg in der Ukraine auch durch Erdgaslieferungen. Wie viel zahlt Deutschland Russland wirklich? Es gibt neue Zahlen dazu, nachdem Klima-Aktivistin Luisa Neubauer bei Markus Lanz zuletzt von 700 Millionen Dollar (639 Millionen Euro) pro Tag aus dem Westen gesprochen hatte.
Laut der renommierten Brüsseler Denkfabrik Bruegel zahlt Deutschland aktuell rund 200 Millionen Euro an Russland für Erdgas. Das wären mehr als 5,6 Milliarden Euro im Monat. Doch die Preise steigen - deshalb könnte sich die Zahl bald dramatisch vergrößern - von bis zu 600 Millionen Euro täglich ist die Rede.
Es gibt aber auch gute Nachrichten: Sollte plötzlich gar kein Gas mehr von Russland fließen, käme Europa wohl damit klar. „Wenn die EU gezwungen oder bereit ist, die Kosten zu tragen, sollte es möglich sein, russisches Gas bereits für den nächsten Winter zu ersetzen, ohne dass die Wirtschaftstätigkeit zerstört wird, Menschen frieren oder die Stromversorgung unterbrochen wird.“
Gasspeicher zu 30 Prozent gefüllt: „Für die kommenden Monate ausreichend“
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm erklärte in der Bild, dass die Gasspeicher zu 30 Prozent gefüllt seien: „Für die kommenden Monate ist das ausreichend. Für den nächsten Winter müssten wir jetzt aber sofort Vorsorge treffen, das ließe sich auch organisieren. Deutschland und Europa müssten sich auf dem Weltmarkt Gas beschaffen, vermutlich müsste man auf die Kooperation anderer Staaten setzen, da die Fördermengen weitgehend durch langfristige Verträge gebunden sind. Bei der Stromerzeugung könnten Kohlekraftwerke für die Gas-Kraftwerke einspringen, so ließe sich Gas einsparen. Wichtig wäre mittelfristig der Ausbau von Solar- und Windkraft.“
Aus der deutschen Politik kommen ähnliche Stimmen. Prof. Jens Südekum (46), Berater von Wirtschaftsminister Robert Habeck, sagte der Zeitung: „Wenn Putin den Gashahn plötzlich abdreht, wäre das kurzfristig kein Problem, denn der Winter ist bald vorbei und wir haben noch Reserven. Schwierig wird es dann erst im nächsten Winter. Um die Lücke zu schließen, müssten alle Register gezogen werden. Energie muss eingespart und Gas aus anderen Ländern eingekauft werden. Auch der Ausbau von Erneuerbaren Energien müsste drastisch vorangetrieben werden.“
Stromrechnungen des Westens finanzieren Putins Krieg gegen die Ukraine
Erstmeldung vom 4. März 2022, 11.07: Hamburg - In der Ukraine herrscht Krieg* und bei „Markus Lanz“ diskutieren die Gäste über die Folgen und Konsequenzen des russischen Angriffs auf das Land. Besonders klare Worte fand die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer.
Neubauer bei Markus Lanz: Deutsche Stromrechnungen zahlen Ukraine-Krieg
Sie kritisierte, dass man zwar einerseits Waffen in die Ukraine schicke*. Aber andererseits schreibe man auch Putin „einen Scheck für sein Gas, das er uns schickt, wohlwissend, dass man damit auch seine Armee ausstattet“, sagte Neubauer.
Der Ukraine-Krieg* sei ein „fossiler Krieg“, der mit Kohle und Gas finanziert werde. Die EU und die USA würden an Putin normalerweise täglich etwa 700 Millionen Dollar für Kohle, Öl und Gas zahlen. „Daher finanzieren teilweise auch deutsche Stromrechnungen Wladimir Putins Krieg gegen die Ukraine“, schloss die Klimaaktivistin bei Markus Lanz und nannte dies „eine weirde Situation“. Sie forderte einen völligen Verzicht auf Energieträger aus Russland und einen schnelleren Umstieg auf erneuerbare Energien.
Tatsächlich bezieht Deutschland derzeit 55 Prozent seines Gases und 42 Prozent seines Öls aus Russland - auch während des Ukraine-Krieges. Und die Haupteinnahmequelle Russlands sind ebensolche Exporte. Sanktions- und Russland-Experte Janis Kluge von der Stiftung Wissenschaft und Politik erklärt im Tagesspiegel, dass Russland durch Ölexporte 500 bis 700 Millionen Dollar pro Tag verdienen würde.
Habeck verteidigt Energieimporte aus Russland im Ukraine-Krieg
„Mit großem Bedauern“, erklärte auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Donnerstag in Berlin, dass Deutschland „von russischen Energieimporten abhängig ist“. Die Regierung strebe an, „so schnell wie möglich unabhängig davon zu werden“.
Das, was in den vergangenen zehn bis 15 Jahren „bewusst aufgebaut wurde“, nämlich die Abhängigkeit von Russland noch zu erhöhen, könne „nicht in wenigen Tagen oder drei Monaten komplett verändert werden“, betonte Habeck.
Die Energiezufuhren aus Russland würden benötigt, um Energiesicherheit und Preisstabilität in Deutschland herzustellen. Es gehe auch darum, die soziale Stabilität in Deutschland zu gewährleisten, fuhr der Minister fort. Gleichwohl werde an Lösungen gearbeitet, um die Abhängigkeit zu verringern. Noch sei das aber „nicht gelungen“ (wichtige Fragen zu den Folgen des Ukraine-Konflikts).
Ex-Diplomat bei Markus Lanz: Putin könnte das Gas auch einfach abdrehen
Laut Neubauer würde trotzdem sowohl der politische Wille, als auch die Strategie fehlen, „wie wir in diese Unabhängigkeit reinkommen.“ Die Klimaaktivistin fragte bei Markus Lanz in die Runde: „Wo ist der Krisenstab Energie, der sich mit den besten Ökonominnen und Ökonomen in diesem Land zusammensetzt und sagt: A, B, C - das wird jetzt gemacht, damit wir in den nächsten Wochen sofort in Richtung Unabhängigkeit kommen?“
Mitgast und Ex-Diplomat Rüdiger von Fritsch erklärte: „Ich fürchte, dass Wladimir Putin diese Situation, die sich Frau Neubauer wünscht, schon morgen herstellen könnte.“ Der russische Präsident könne die Gaslieferungen einfach einstellen. Dann müsse man „bis dahin der Rentnerin in Wanne-Eickel erklären, warum sie den dritten Winter mit der kalten Heizung sitzen soll.“
Das bringt Neubauer sichtlich aus der Fassung. Von Fritsch solle „die Geisterszenarien von der frierenden Rentnerin im Keller lassen“, sagte sie erbost in der Runde von Markus Lanz. Und außerdem: „Ganz konkret steht Frieren für Menschen in Deutschland nicht auf der Agenda.“ Von Fritsch bleibt skeptisch - vor allem bei der Frage, wie man mit dem russischen Präsidenten umgehen sollte: „Putin lebt in einer völlig verzerrten Wahrnehmung* der Wirklichkeit. Da ist niemand mehr, der ihn kontrolliert, man muss sich fragen, ob ihn noch jemand berät.“ Mit Material der dpa *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA