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Kreistierheim Wetterau: Ein Fass ohne Boden

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Von: Bernd Klühs

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Ins Kreistierheim in Rödgen muss ein sechsstelliger Betrag investiert werden, um die Quarantänestation zu erhalten. Doch woher soll das Geld kommen und macht Sanierung überhaupt noch Sinn?

Wer einen Rundgang durch das Tierheim bei Rödgen macht und auf Baumängel achtet, kann einige Punkte auflisten. Das Quarantänehaus senkt sich ab, die großen Hundezwinger weisen Schäden auf und sind nicht zu beheizen, im Haupthaus gibt es Schimmelbefall, Dämmung ist ein Fremdwort. »Alles ist arg in die Jahre gekommen, die Substanz ist schlecht. Hier wurde halt nie investiert«, sagt Heiko Färber, der den Trägerverein des Kreistierheims Wetterau seit acht Jahren führt.

Besonders prekär ist die Lage im Quarantänehaus für Hunde und Katzen, in dem auch das Tierarztzimmer untergebracht ist. Weil das 1970 eröffnete Heim auf sumpfigem Gelände steht, senken sich Fundamente ab - das Gebäude gerät in Schieflage. Deutlich wird das vor allem im Katzen-Domizil, wo sich Türen nicht mehr schließen lassen. Tiere, die eigentlich abgesondert werden sollen, können nach draußen gelangen. Färber zeigt auf große Setzrisse in den Wänden und auf abschüssige Böden.

Sechsstelliger Betrag fällig

In Kürze soll entschieden werden, ob abgerissen oder saniert wird. Der Vereinsvorsitzende plädiert für einen Neubau, auch um dem Tierarzt bessere Arbeitsbedingungen bieten zu können. Ob Instandsetzung oder Abriss - die Kosten schätzt der 49-Jährige auf 200 000 bis 400 000 Euro. »So viel Geld haben wir nicht mal im Ansatz«, betont Färber. Dabei kann der Verein auf den zweiten Teil einer Erbschaft zurückgreifen, der 100 000 Euro umfasst. Der erste Teil wurde vor Jahren in die Auslaufareale für Hunde gesteckt.

Das Tierheim scheint ein Fass ohne Boden zu sein. Das Gebäude mit großen Zwingern weist ebenfalls Schäden auf und hat keine Heizung. Im Winter können nachts keine Hunde untergebracht werden. Im Haupthaus sieht es nicht viel besser aus. Färber: »Dort läuft das Wasser die Wände runter. Es gibt Schimmelbefall.« Weil alle Häuser nicht gedämmt und Heizanlagen veraltet sind, steigen Energiekosten ins Uferlose. Für die Beheizung der Mini-Gebäude werden pro Jahr 16 000 Liter Heizöl eingekauft. Ein weiterer Grund für den extremen Verbrauch: Im Gebäude mit kleinen Zwingern werden nachts Klappen geöffnet, damit die Tiere raus können. Laut Färber, der die Zwinger »Zellen« nennt, ist es mit vernünftiger Haltung nicht zu vereinbaren, wenn sich Hunde bis zu 14 Stunden auf wenigen Quadratmetern aufhalten müssen.

Das Tierheim hat ein Jahresbudget von 300 000 Euro. Städte und Gemeinden (außer Butzbach, Altenstadt und Büdingen) sowie der Kreis steuern je ein Drittel bei. Der Rest stammt aus Spenden und Einnahmen durch Pensionsgäste. Wobei es seit Ausbruch der Pandemie weniger Spenden und so gut wie keine Pensionstiere mehr gibt, weil die Halter keinen Urlaub machen.

»Zwei Drittel des Budgets fressen die Personalkosten für vier Festangestellte und den Azubi auf. Das Tierheim ist unterfinanziert«, erklärt Färber. Dabei hat er in seiner achtjährigen Amtszeit einiges erreicht. Die Gemeinden zahlten heute 50 Cent pro Einwohner und Jahr, 18 Cent mehr als 2012. »Es wird um jeden Cent gefeilscht. Nach Berechnungen des Deutschen Tierschutzbundes braucht ein Tierheim einen Euro pro Einwohner«, erläutert der Vorsitzende.

Sparpotenziale sieht er nicht. Beschäftigt würden Tierpfleger mit Tariflöhnen. Qualifiziertes Personal sei nötig, weil der Umgang mit fremden Hunden nicht ungefährlich ist. Färber: »Bei uns landen Tiere, die alt sind, aufgefunden oder sichergestellt werden. Sie sind oft krank und verhaltensauffällig.«

Impfkosten sind sehr hoch

Entsprechend hoch sind die Arztkosten. Zudem ließen sich viele Tiere kaum vermitteln. Etwa zwei Kangals, große Hirtenhunde, die seit langem im Tierheim betreut werden. Solche Hunde werden nur von Liebhabern genommen, die ein riesiges Grundstück haben. Ein Beispiel zu den Kosten: Kürzlich kam es zu einer Kaninchenschwemme. »Etwa 50 Tiere mussten geimpft werden. Vermitteln wir ein Kaninchen, verlangen wir 30 Euro, allein die Impfung kostet 50. Bei jedem Kaninchen zahlen wir drauf«, sagt Färber.

Seiner Ansicht nach müssen sich die Kommunen grundsätzliche Gedanken zum Tierschutz machen. Es reiche nicht aus, Tiere in einer »Notunterkunft« einzuquartieren. »Alles abreißen und neu bauen wäre wahrscheinlich das Beste«, betont der Vorsitzende.

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