Bürgerinitiative »Altenstadt wehrt sich« mit rechtem Gefolge

In Lindheim hat sich eine Bürgerinitiative gegen die Unterbringung von bis zu 100 Flüchtlingen in Lindheim gegründet. Beim ersten öffentlichen Auftritt sind auch die ortsbekannten Neonazis zugegen.
Frau Grünwald und Frau Brand wollen ihre Vornamen nicht nennen. Die beiden Lindheimerinnen sind Sprecherinnen einer Bürgerinitiative, die sich am 12. Januar gegründet hat. »Altenstadt wehrt sich« heißt die Initiative und richtet sich »gegen eine Asylmassenunterkunft« auf dem Festplatz in Lindheim, wie es in einer kurz nach Gründung eilig und zunächst anonym versandten Pressemitteilung heißt. Die Kommunen im Wetteraukreis seien nicht in der Lage, »den Asylzustrom von überwiegend jungen Männern aus kulturfremden Ländern« aufzunehmen und zu integrieren. Die BI fordert den Gemeindevorstand auf, »jegliche Schaffung von Massenunterkünften in der Gemeinde Altenstadt zu unterbinden«.
»Vollkommen unrealistisch«, so Bürgermeister Norbert Syguda (SPD), sei dieses Nein zu Gemeinschaftsunterkünften. »Dann müssten wir alle Unterkünfte mit mehr als zehn Personen auflösen und umverteilen. Aber wohin? Es gibt keine Wohnungen.« Er sei ständig bemüht, Wohnungen anzumieten, schon deshalb, weil es einen Beschluss der Gemeindevertretung gibt, Flüchtlinge dezentral unterzubringen. »Aber es gehört auch zur Wahrheit, dass viele Vermieter keine Weltflüchtlinge haben wollen«, sagt Syguda. Zudem treibe die Wohnungsnot die Preise auf dem Immobilienmarkt in astronomische Höhen. »Ich werde aber nichts Überteuertes kaufen«, bekräftigt er. Der Festplatz Lindheim, gedacht als Alternative zu der gemeindeeigenen und vorübergehend umgewidmeten Waldsporthalle Oberau, genieße beim Wetteraukreis »keine hohe Priorität«, um dort eine Leichtbauhalle zu errichten. In der Bürgermeister-Dienstversammlung am Donnerstag erhofft sich Syguda aktuelle Informationen.
Kein Interesse an Rundem Tisch
NPD-Kader Stefan Jagsch hatte die Lindheimer zu Beginn des Jahres in einem Brief aufgefordert, aktiv zu werden gegen eine mögliche Flüchtlingsunterkunft auf dem Festplatz (diese Zeitung berichtete). Eine Verbindung ihrer Initiative ins rechte Lager weisen die beiden BI-Sprecherinnen beim Treffen in einem Altenstädter Café entschieden zurück. Gleichwohl ist beim ersten öffentlichen Auftritt der BI, einer Mahnwache vor dem Rathaus in Altenstadt am Montagabend, die NPD stark vertreten, unter anderem mit oben erwähntem Jagsch, Landesvorsitzender der rechtsextremen Partei, und dessen Stellvertreter Daniel Lachmann, daheim in den Kommunen Altenstadt und Büdingen. Nach Informationen dieser Zeitung soll es außerdem Verbindungen der Bürgerinitiative zu der sogenannten »Querdenker«-Szene geben, die vor einem Jahr in Altenstadt regelmäßig montags Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen veranstaltete.
»Die Flüchtlinge kommen mit hohen Erwartungen nach Deutschland und landen dann in Massenunterkünften«, sagt Frau Grünwald. Das erzeuge Frust. Und wer nichts zu tun habe, komme auf dumme Gedanken. Die Flüchtlinge brauchten Deutschkurse, Freizeit- und Arbeitsangebote für eine gelingende Integration. Den Vorschlag, sich dem von der Gemeinde initiierten Runden Tisch anzuschließen und gemeinsam mit Politik, Vereinen und Kirchen nach Lösungen zu suchen und Angebote zu erarbeiten. lehnen sie mit dem Hinweis auf ihre eigene Berufstätigkeit ab. Das sei außerdem Aufgabe der Politik. »Vielleicht kommen durch unsere Initiative solche Angebote zustande«, hoffen sie.
Frau Brand sagt, sie habe Angst, und Angst vor Übergriffen sei ein »großer Faktor« in der Gemeinde. Auch sie berichten, zwei Mädchen, »so 13 oder 14 Jahre alt«, seien von Flüchtlingen aus der Waldsporthalle belästigt worden und hätten sich in den benachbarten Rewe-Markt Oberau gerettet. Ein Vorfall, der bei der Polizei nicht aktenkundig ist, der aber das Narrativ vom Frauen verachtenden, triebgesteuerten muslimischen Mann bedient.
Ortsvorsteherin bleibt gelassen
Ob sie Kontakt zu den politischen Gremien der Gemeinde aufnehmen werden, lassen Frau Grünwald und Frau Brand offen. »Wir sind unpolitische Menschen.« Von der Politik vor Ort allerdings erwarte die BI »eine gute Lösung, die der Bevölkerung hilft und den Flüchtlingen«.
Die Lindheimer Ortsvorsteherin Sabine Lipp (CDU) sieht weiteren Aktionen der Bürgerinitiative gelassen entgegen, weil es für Lindheim derzeit überhaupt keine konkreten Pläne gebe. Die Halle sei zunächst eine Option, mehr nicht, Altenstadt habe momentan noch genug Kapazität in anderen Unterkünften.
Natascha Baumann, Mitglied im neunköpfigen Ortsbeirat und Fraktionsvorsitzende der FDP in der Gemeindevertretung , hat über den Buschfunk mitbekommen, dass sich in der Gemeinde Widerstand regt. »Offiziell weiß ich von einer BI nichts«, sagt sie. Ein »Dagegen« ohne konstruktive Vorschläge sei der komplexen Lage aber wenig dienlich.