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Zu viel Licht für Insekten

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Von: Joachim Legatis

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Walter Gröning im Kuppelbau der Sternwarte Stumpertenrod. Die Beleuchtung dort kann auf insektenfreundliches Rotlicht umgestellt werden. FOTO: JOL © Joachim Legatis

Das künstliche Licht von Städten und Industriegebieten trägt zum Insektensterben bei und stört Sterngucker bei der Beobachtung des nächtlichen Himmels. Und eine reduzierte »Lichtverschmutzung« fördert den Naturtourismus im Vogelsberg. Deshalb beteiligt sich Walter Gröning an einem neuen Netzwerk, das für einen klaren Nachthimmel eintritt.

Walter Gröning liebt den freien Blick in den Himmel, um Sterne zu betrachten und zu fotografieren. Dabei muss es so dunkel wie nur irgend möglich sein, um die schwachen Lichtstrahlen von Galaxien und Planeten zu erhaschen. Deshalb wendet sich der Vorsitzende der Sternwarte Feldatal vehement gegen »Lichtverschmutzung«, also die Lichtglocke von Städten und Industriegebieten, die auch in den Vogelsberg abstrahlt. Ein klarer Nachthimmel ist auch ein Beitrag gegen das Insektensterben und fördert den Natur-Tourismus, davon ist Gröning überzeugt

Vor kurzem hat er mit Naturschützern, Wissenschaftlern und Astronomen ein landesweites Bündnis gegen Lichtverschmutzung gegründet. Ein Ziel der Initiative der Feldataler Sterngucker ist, die Region als »Sternenpark« auszuweisen. Vorbild ist dabei die Rhön.

Das Biosphärenreservat hat es geschafft, diese Klassifizierung einer Kommission mit Sitz in den USA zu erhalten, die der Region an der Grenze von Thüringen, Hessen und Bayern bescheinigt, besonders klare Sicht auf den Nachthimmel zu haben. »Das ist ein Aushängeschild im Tourismus«, betont Gröning. Vorausgegangen war eine intensive Beratung der Rhöner Kommunen, wie die nächtliche Lichteinstrahlung vermindert werden kann. Dafür wurde eine Spezialistin eingestellt, die viel Überzeugungsarbeit geleistet hat.

Die Ausweisung als Sternenpark wäre eine deutliche Ergänzung für den Geopark Vulkanregion Vogelsberg. »Das ist eine prima Kombination, wenn Besucher die Natur erleben und den Sternenhimmel genießen.«

»Das Problem der Lichtverschmutzung haben wir überall«, sagt Gröning. Früher war das eher ein Thema für Sterngucker, inzwischen sind auch Naturschützer in Kampagnen gegen Lichtverschmutzung eingebunden. Dabei ist die Lage im Vogelsberg etwas besser als anderswo, echte »Lichtglocken« sind über Alsfeld und Gießen zu sehen. Allerdings hat die Beleuchtung zugenommen, wie Gröning und die Aktiven des Netzwerks kritisieren.

Grund dafür ist die zunehmende Verbreitung von modernen LED-Lampen. Sie leuchten heller als die Vorgänger und sind sparsam im Verbrauch. Weil sie im Betrieb nicht so teuer sind, kommen immer mehr hinzu. Privatleute strahlen die Hausfassaden an, Straßen werden stärker ausgeleuchtet und in Gewerbegebieten werden nachts im Scheinwerferlicht die Lkw beladen. Die Lichteinstrahlung nimmt auch zu, weil immer mehr Baugebiete ausgewiesen werden und so kleinere Orte zu Lichtquellen werden.

»Ein Zusatzproblem ist, dass die Lampen oft heller strahlen als es nötig ist«, sagt Gröning. Menschenleere Straßen müssen nicht erhellt werden, Industriefassaden nicht die ganze Nacht angestrahlt und der Leuchtkegel von Flutlicht an Sportplätzen muss nicht die ganze Umgebung mit ausleuchten. »Wir sollten bedarfsgerecht ausleuchten«, sagt der Astronom und Physiklehrer.

Bereits bei den Planungen sollte darauf geachtet werden, dass nur so viel Licht abgestrahlt wird wie unbedingt nötig. »Licht muss nach unten abstrahlen«, das ist ein wichtiges Grundprinzip.

Gröning schaut seit 1982 von Stumpertenrod aus in das Universum. »In den 1980er Jahren war der Himmel hier so dunkel wie im Alpenvorland.« Inzwischen ist es leider immer heller geworden.«

Dabei geht es Naturschützern und Astronomen auch um die Farbe des Lichts. »LEDs leuchten oft in einem kalten, kurzwelligen Bereich, das ist gefährlich für viele Insekten.« Denn die Kleintiere folgen dem Tag-Nacht-Rhythmus und viele richten sich nach der Wellenlänge des Lichts. Naturschützer sehen einen Zusammenhang zwischen der Lichtverschmutzung und dem starken Rückgang an Insekten. Dadurch können die Vögel im Frühjahr ihre Küken schwer ernähren, die vor allem mit Raupen und Fluginsekten gefüttert werden.

Darüber hinaus führt eine übermäßige Beleuchtung zu einem hohen Energie- und Ressourcenbedarf. Das sollte mit Blick auf Klimaschutz und das notwendige Energiesparen in Zeiten des Ukraine-Kriegs vermieden werden.

Ziel des Netzwerkes gegen Lichtverschmutzung ist es, für eine ökologisch vertretbare Beleuchtung zu werben. Dabei baut das Netzwerk auf Fachkompetenzen und langjährigen Erfahrungen seiner Mitglieder. Als Fachverband für Außenbeleuchtung berät das Netzwerk bereits einige Kommunen und Unternehmen und bietet Lösungsstrategien zur Reduzierung von Lichtverschmutzung an.

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