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»Wir trauen uns hier an alles«

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Von: Sophie Röder

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Lothar Kleine (r.) und Harald Schneider (l.) sind dabei die Nähmaschine zu reparieren. © Sophie Mahr

Mit Ressourcen nachhaltig umgehen, gemeinsam Probleme lösen oder sich mit anderen Austauschen. Das gibt es beim Vogelsberger Repair-Café in Billertshausen und zwar nicht nur für Ortsansässige.

Im Pfarrhof der evangelischen Kirchengemeinde Billertshausen stehen mehrere Kleingruppen über Tische gebeugt und beraten sich. Parallel dazu kocht Kaffee und Karin Dorn backt Waffeln im Jugendraum. Denn es ist wieder Zeit für das Repair-Café. Dieses gab es Ende November zum 72. Mal in Billertshausen. Bisher ist es das einzige im Vogelsbergkreis. Es findet immer am letzten Samstag im Monat von 15 bis 17 Uhr statt. »Oftmals kommen Leute auch schon etwas früher oder bleiben länger«, sagt Silke Ratzinger, eine Organisatorin.

Das Repair-Café ist 2015 im Verlauf der Dorfwoche zum Thema Energiewende entstanden, erzählt Ursula Bernbeck, ebenfalls eine Organisatorin. »Wir haben uns gefragt, was wir selbst gegen den Klimawandel tun können. Da kam die Idee auf, einen Repair-Abend zu machen.« Nach diesem sei dann der Gedanke aufgekommen, so etwas regelmäßig anzubieten. »Zu Beginn, war ich skeptisch, ob es auch wirklich angenommen wird. Doch es hat sich etabliert«, freut sich Bernbeck. Meist seien mit Helfern und Interessierten um die 30 Personen vor Ort. »Im Sommer waren es auch schon über 50«, ergänzt Ratzinger. Bernbeck und Ratzinger organisieren die Treffen zusammen mit Eleonora Hansel, Christine Dietz, Melanie Becker, Karin Born, Jana Haberkorn, Annette Vaupel-Naumann sowie den Reparateuren.

In der Anfangszeit sei es schwieriger gewesen, für jeden Termin genügend Reparateure vor Ort zu haben. Inzwischen seien es so viele Ehrenamtliche, dass nicht immer alle kommen müssten. Schon lange mit dabei sind auch Gerd Krämer und Klaus Born, die gerade bei dem Tischgrill von Dieter Oppertshäuser nach dem Fehler gucken.

Oppertshäuser erklärt: »Zuhause hat es zuletzt immer den FI rausgehauen, wenn ich den Tischgrill benutzen wollte. Also dachte ich, ich fahre mal hierher, um zu sehen was es ist.« Mit entsprechendem Werkzeug überprüfen Krämer, Elektroinstallateurmeister in Rente, und Born den Tischgrill.

Nebenan untersuchen Lothar Kleine und Harald Schneider eine defekte Nähmaschine. Bei dieser machte der Unterfaden Probleme. Noch haben sie den Fehler nicht gefunden, doch Schneider sagt: »Wir trauen uns hier an alles.« Er selbst habe keine »besonderen Fähigkeiten, aber wenn etwas kaputt ist, kann ich die Finger nicht davon lassen.«

Am Nachbartisch kommen Krämer und Born nach mehreren Tests mit dem Grill zu dem Schluss, dass dieser funktioniert, und sie das Gerät wieder zusammenbauen. Oppertshäuser war die ganze Zeit mit dabei. Eine Idee des Repair-Cafés ist, dass auch die Besucher etwas von den Reparateuren lernen können. »Jeder, der was mitbringt, kann auch mitmachen«, sagte Bernbeck. Neben dem Sparen von Ressourcen soll ein generationenübergreifender Austausch möglich sein.

Zudem seien auch neue Reparateure immer willkommen. Bernbeck sagt: »Wir bräuchten noch jemanden, der sich mit Displays fürs Smartphone auskennt.« Ansonsten würden überwiegend Haushaltsartikel wie zum Beispiel Kaffeemaschinen - egal ob Filter-, Pad- oder Vollautomat - repariert. Auch dieses Mal wurde wieder eine Kaffeemaschine vorbeigebracht. Es gab auch Gartenwerkzeug, wie einen Rasenmäher, oder Artikel einer Tierarztpraxis, berichten die Organisatorinnen. Es könne fast alles mitgebracht werden. Je nachdem, ob ein Ersatzteil benötigt werde, komme es vor, dass an einem Samstag die Diagnose gestellt und einen Monat später mit Ersatzteil repariert werde. »Die Ersatzteile müssen die Besucher selbst zahlen«, erklärt Bernbeck. »Was wir hier nicht machen, ist weiße Ware.«

Doch wer glaubt, es gehe nur um elektronische Sachen, irrt. So bietet Christiane Dietz regelmäßig Upcycling an. Das heißt, sie bastelt zusammen mit anderen an alten Gegenständen, um daraus etwas Neues zu machen. So steht an diesem Samstag auf dem Tisch im Jugendraum eine Flasche, die bei einem anderen Treffen zu einer weihnachtlichen Lampe umgestaltet wurde. Ende November hat das Upcycling-Team wetterbedingt ausgesetzt. Denn sowohl das Reparieren als auch das Upcyceln findet stets im Freien statt.

Des Weiteren habe es Treffen mit Nähkursen oder dem Stopfen von Socken gegeben. Auch Fahrräder, Stühle oder andere Haushaltsgegenstände wurden hier repariert. Seit dem ersten Treffen am 15. April 2015 führt Hansel Buch darüber, was wann repariert wurde und wer dabei war.

Da alles kostenlos und auf freiwilliger Basis passiert, gibt es keine Gewährleistung oder Garantie auf die Produkte. Einen Kaffee oder eine Waffel bekommt auch, wer vorbeikommt ohne zu tüfteln. So sitzen ein paar Damen und Herren um einen Tisch und unterhalten sich. Bernbeck und Ratzinger sagen: Es geht auch um ein geselliges Beisammensein. Manche seien anfangs gekommen, um etwas repariert zu bekommen und seien nun einfach so bei den Treffen dabei. Viele Besucher kommen auch aus anderen Kommunen im Kreis wie Mücke, Ulrichstein oder Groß-Felda.

Die Idee spricht sich weiter rum: So waren bei dem vergangenen Treffen Besucher aus Dannenrod dabei. Sie wollten wissen, wie solch ein Repair-Café abläuft, da sie gerne selbst eines organisieren möchten.

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Dieter Oppertshäuser (r.) hat seinen Tischgrill zum Repair-Café gebracht. Gerd Krämer (l.) und Klaus Born suchen gemeinsam nach dem Fehler. © Sophie Mahr

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