Wieder ein Wolf in Ulrichstein?

Das Territorium der Ulrichsteiner Wölfin ist erloschen. Doch im Vogelsbergkreis ist wieder ein Wolf unterwegs. Vielleicht sind es sogar zwei. Neben den DNA-Spuren der Wölfin in Schotten gibt es Fotos von einem noch unbekannten Wolf in der Nähe von Ulrichstein.
Die einen freuen sich über seine Rückkehr, andere begutachten sie skeptisch. Meldungen über Wolfssichtungen im näheren Umfeld häufen sich: Kürzlich wurde eine Wölfin in Schotten registriert. Und im benachbarten Wetteraukreis streift ein männlicher Wolf durch die Wälder. Zudem scheint sich in Ulrichstein wieder ein Wolf herumzutreiben. Ob es sich dabei um ein bereits registriertes Tier oder einen weiteren Artgenossen handelt, ist unklar.
»Es gibt aktuell wieder Wolfsnachweise um Ulrichstein«, bestätigt Laura Hollerbach vom Wolfszentrum Hessen des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG). »Um die Sesshaftigkeit eines bestimmten Tieres festzustellen, müssen individuelle Nachweise über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten in dem betreffenden Gebiet erbracht werden.«
Dafür sei es erforderlich, das Individuum genetisch über DNA-Proben zu bestätigen. Zum Beispiel mit Kotproben. »Bisher gibt es im Vogelsberg aus diesem Monitoring-Jahr erst einen genetischen Nachweis eines weiblichen Wolfes mit dem Kürzel GW2812f bei Schotten«, sagt Hollerbach. Das aktuelle Monitoring-Jahr hat am 1. Mai begonnen.
»Wölfe sind versteckt lebende Tiere. Sichtungen kommen vor, sind aber selten. Viele der vorliegenden Informationen stammen von automatischen Wildkameras.« Diese hat das Wolfszentrum im Zuge des Monitorings aufgestellt - so auch im Umfeld von Ulrichstein. Sichtungen ohne Foto- oder Videobeleg können laut Monitoring-Standards nicht als sicherer Wolfsnachweis gelten. Diese werden als »unbestätigte Hinweise« geführt.
Da das Tier in Ulrichstein nur durch die Wildtierkameras gesehen wurde, sei es nicht möglich gewesen, es zu identifizieren oder das Geschlecht festzustellen. »Eine Zuordnung von Individuen anhand von Kamerafallenbildern ist laut bundesweit geltender Monitoring-Standards nicht zulässig«, informiert Hollerbach. »Es kann daher weder bestätigt noch ausgeschlossen werden, dass es sich bei dem fotografierten Tier um die genetisch identifizierte Wölfin bei Schotten handelt.«
Das Territorium der Ulrichsteiner Wölfin, die in der Vergangenheit für Aufregung sorgte, gilt als erloschen. »Das Tier wurde individuell über den gesamten Zeitraum des vergangenen Monitoring-Jahres vom 1. Mai 2021 bis 30. April nicht mehr nachgewiesen. Auch im laufenden Monitoring-Jahr wurde die Wölfin GW1166f nicht nachgewiesen.«
Das noch unbekannte Tier hat außer auf den Kameras bisher keine Spuren hinterlassen. So liegen auch bei der Stadt Ulrichstein keine Hinweise oder Beschwerden vor. Das Wolfszentrum rät weiterhin: »Weidetierhalterinnen und -halter sollten - auch unabhängig vom Wolf - ihre Herden nach guter fachlicher Praxis schützen.«
Der Schutz sei durch die Trockenheit noch aufwendiger, sagt Landwirt Bernd Weiß aus Unter-Seibertenrod. »Die Tiere brauchen eine viel größere Fläche, um ausreichend Nahrung zu bekommen.« Demnach müsse auch eine viel größere Fläche eingezäunt werden. »Das ist viel mehr Arbeit und dadurch auch sehr kostenintensiv.«
Für jede Herde einen Hütehund anzuschaffen, sei nicht ausreichend durchdacht. »Die meisten Landwirte haben mehr als eine Herde. So hätte jeder mehrere Hunde. Wo sollen die alle hin? Außerdem hat nicht jeder ein Händchen für Hunde.« Zum anderen wären laut Weiß viele Menschen, die in der Nähe wohnen, schnell von dem Gebell genervt.
Weiß ist bereits mit einem Wolf in Berührung gekommen. Vor zwei Jahren hatte er von der damaligen Wölfin in Ulrichstein fast täglich Besuch am Stall. Daher betrachte er die Rückkehr skeptisch.
»Zurzeit ist es hier etwas ruhiger. Aber wir lassen es zu, dass sich der Wolf ungehindert vermehrt. Die Zahlen in Deutschland sind schon jetzt sehr hoch.«
Das Problem sehe er nicht in der Rückkehr per se, sondern in dem Umgang mit dem Raubtier. »Der Wolf ist nicht nur schlecht. In der Wildnis hat er seine Aufgaben. Doch hier wohnen wir dicht an dicht. Hinter dem Wald ist vor dem Wald. Wohin soll er sich zurückziehen? Er muss wohl erst in die Städte kommen, bevor das Problem wahrgenommen wird. Wir als Gesellschaft kennen das Zusammenleben mit dem Wolf nicht. Das ist nicht so einfach.« Zudem bedauert Weiß, dass es schwierig sei, vernünftig über das Thema zu reden, um eine Lösung zu finden. Die bisherigen Ansätze seien keine dauerhafte Lösung. »Es muss immer erst eine Katastrophe passieren, bevor gehandelt wird.«
Aus Naturschützer-Sicht ist die Rückkehr des Wolfs eine gute Nachricht: »Er gehört zu unserer Fauna. Man muss zur Normalität kommen und sehen, dass er als gewöhnliches Wildtier hier lebt«, sagt Ingeborg Till vom NABU-Landesverband. Sie kann Weiß in puncto Herdensicherheit zustimmen: Eine wolfssichere Umzäunung klinge zwar einfach, sei aber oft schwierig. Aber in anderen Ländern habe man auch gelernt, mit Wölfen zu leben. »Wir müssen schauen: Wie wird es dort gemacht? Was können wir lernen?«