Vogelsberger Holz nur noch für den Vogelsberg? – Das sagt der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft

Lieferverzögerungen und enorme Preissteigerungen beschäftigen zur Zeit das Handwerk. Zu Baustopps komme es im Vogelsberg jedoch in größerem Stil nicht, sagt Michael Busold, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. Im Interview erklärt er zudem, wieso er Exportsperren für den falschen Weg hält.
Herr Busold, im Kreistag kam jüngst »Vogelsberger Holz nur noch für den Vogelsberg« auf. Was halten Sie davon?
Bei unseren Mitgliedsbetrieben aus dem Bereich Holzbau und Dachdecker gibt es sicherlich den ein oder anderen, der sagt, die Regierung hätte einen sofortigen Exportstopp für deutsches Holz verhängen sollen. Das kann ich aus der Situation heraus verstehen, aber ich halte solche Überlegungen für gefährlich. Vor einem oder eineinhalb Jahren haben wir alle über Trump geschimpft, der gesagt hat: America First. Exportstopps sind immer ein zweischneidiges Schwert.
Wären Exportstopps denn überhaupt wirtschaftlich?
Wir exportieren zwar Holz, aber wir importieren auch sehr viel Holz. Der Ansatz, einen Verbund »Vogelsberger Holz für den Vogelsberg« zu gründen, ist sicherlich gut gedacht, aber vielleicht auch ein bisschen zu kurz. Das ganze Holz alleine aus den Vogelsberger Wäldern zu beziehen, halte ich für nicht machbar. Und wir wären auch nicht in der Lage, alle Holzqualitäten aus dem deutschen Markt heraus sicherzustellen. Also sind wir auf den Import angewiesen. Und wenn wir mit Exportstopps anfangen, wird es zeitverzögert wahrscheinlich zu einer Retourkutsche kommen.
Dennoch hat Corona gezeigt, dass zu viel Abhängigkeit von internationalen Märkten nicht gut ist.
Ja, auf jeden Fall. Da müssen wir uns alle in unserer Rolle als Verbraucher aber auch an die eigene Nase fassen. Wir beklagen, dass wir in vielen Bereichen von Importen abhängig sind, aber das hat auch mit unserem Verbraucherverhalten zu tun. Natürlich wurde die Billigwelle von der Industrie über Jahre im Sinne des Wettbewerbs forciert, aber es hat bei uns auch gefruchtet. Wir sollten uns jetzt damit auseinandersetzen, wie wir einkaufen und was wir wollen.
Zuletzt hatte man doch das Gefühl, dass ein Umdenken eingesetzt hat.
In den Köpfen der Verbrauchern ist zwar angekommen, dass Regionalität wichtig und richtig ist, aber das kommt beim Einkaufen vielleicht noch nicht im letzter Konsequenz zur Umsetzung. Das ist der Eindruck, den wir haben. Allerdings verwundert das. Denn wenn man über Klimawende und Nachhaltigkeit redet, ist Regionalität ein wichtiger Faktor. Darin sehe ich auch eine gewisse Chance. Wir müssen stärker herausstellen, dass das Handwerk ein Beitrag zur Nachhaltigkeitsstrategie ist.
Woran mangelt es in puncto Material vor allem?
Nachdem die Holzpreise über nahezu alle Qualitäten regelrecht explodiert waren, hat sich das in den letzten Wochen wieder etwas beruhigt, auch wenn es noch lange nicht auf Normal- oder Vorkrisenniveau ist. Im Bereich der klassischen Baumaterialien und Dämmstoffe gibt es weiterhin Schwierigkeiten. Im Baugewerbe bestehen Lieferengpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten, aber auch im Bereich Elektro.
Was bedeutet das für die tägliche Arbeit?
Die Handwerker können mit vielen Arbeiten erst beginnen, wenn sie alle Teile haben. Das heißt, es kommt zu Wartezeiten und teilweise zu Unterbrechungen. Grundsätzlich kommt man an alle Materialien, aber die Lieferzeiten haben sich deutlich verlängert. Das macht die Baustellenplanung schwieriger und den Einkauf aufwendiger.
Kommt es auch zu Baustopps?
Baustopps sind uns in einem höheren Maße im Vogelsberg nicht bekannt. Man muss aber davon ausgehen, dass das Handwerk bis mindestens Mitte nächsten Jahres mit Lieferengpässen zu tun haben wird. Die Preise sind noch mal ein anderes Thema, aber die Prognosen gehen davon aus, dass es so lange dauert, bis sich die Verfügbarkeiten und Lieferzeiten normalisiert haben.
Zögern Kunden deswegen bei der Auftragsvergabe?
Ein solcher Effekt ist im Moment großflächig nicht in Sicht, aber ich würde nicht gänzlich ausschließen, dass uns das zeitversetzt vielleicht hier und da passieren kann. Das Verhalten von Verbrauchern ist schwer vorauszusehen, und im Moment hören sie in den Medien nichts anderes. Wie sich das auswirkt, da schauen wir gespannt drauf.

Vor einigen Monaten kam die Befürchtung auf, dass es langfristig zu Kurzarbeit trotz voller Auftragsbücher kommen könne.
Von Kurzarbeit auf breiter Front aufgrund von Corona ist uns im Vogelsberg nichts bekannt. Und ich glaube, dass wir auch an Kurzarbeit aufgrund von nicht vorhandenen Rohstoffen vorbeikommen werden. Das sieht in der Industrie anders aus. Bei der Chip-Krise in der Automobilindustrie haben wir das Problem ja schon. Ich hoffe, dass uns das erspart bleibt.
Bleiben Betriebe wegen der explodierenden Preise auf Mehrkosten sitzen?
Es gibt Beispiele aus dem Bereich des Holzfertigbaus, wo überregionale Anbieter fünfstellige Beträge geboten haben, um aus Verträgen herauszukommen. Allerdings hat es bei den Fachverbänden umfassende Informationen dazu gegeben, wie man seine Verträge entsprechend gestaltet und Klauseln mit den Kunden vereinbart, als das mit der Preisspirale losging. Daher war das sicherlich vorrübergehend ein Problem und hat das ein oder andere blaue Auge gekostet, aber mittlerweile haben sich viele gut darauf eingestellt. Interessanterweise ist es außerdem so, dass die Handwerker bei den Kunden und Verbrauchern in vielen Fällen auf Verständnis gestoßen sind, weil das Thema so eine breite Medienpräsenz gefunden hat und die Kunden wussten: Da gibt es wirklich Probleme.
Welchen Bereichen hat Corona besonders zugesetzt?
Vor allem bei den Lebensmittelhandwerkern. In der Corona-Zeit haben zehn Prozent aller Fleischerfachgeschäfte hier in unserem Bereich in Hessen und Rheinland-Pfalz geschlossen. Das hat nicht nur mit Corona zu tun, aber ist sicherlich dadurch gefördert worden. Wer keinen Schwerpunkt auf Partyservice und Catering hatte, ist hingegen relativ gut durchgekommen. Bei den Bäckern ist es differenziert: Diejenigen, die Backstuben mit einem Café-Betrieb haben, oder diejenigen, deren Geschäfte in Innenstädten beziehungsweise im Umfeld von Schulen liegen, hatten Umsatzeinbußen.
Gibt es noch andere Bereiche, die viele Betriebsaufgaben verzeichnet haben?
Coronabedingte Betriebsaufgaben kann ich sonst keine nennen. Meines Wissens sind in Folge von Corona keine massiven Schwierigkeiten aufgetreten.
Wie ist denn die Stimmung im Handwerk aktuell?
Die Stimmung ist in keiner Weise grundschlecht, aber zwischen den Gewerken bestehen schon große Unterschiede. Der Bereich Sanitär, Heizung und Klima hat überhaupt keine Probleme. Das Thema Energiewende und dass der Staat wahrscheinlich nach den Koalitionsverhandlungen zusätzliche Förderprogramme im privaten Bereich ins Leben rufen wird, sorgt dafür, dass die Betriebe bei den Aufträgen einer rosigen Zukunft entgegensehen. Die werden dadurch gebremst, dass sie nicht wissen, mit wem sie die Aufträge abarbeiten sollen.
Damit wären wir beim Thema Fachkräftemangel.
Ja, die Betriebe sagen: Uns fehlen für die Gestaltung der Energiewende zusätzliche Fachkräfte. Im Bereich der Heiztechnik hat sich technologisch in den letzten Jahren auch viel verändert: Wo man früher eine Ölheizung hatte, die von der Funktionsweise relativ einfach war, redet man heute von Wärmepumpen und einer Kombination mit Fotovoltaik. Das steckt viel Fachwissen der Anlagenmechanik dahinter. Somit hat sich der Ausbildungsberuf sehr stark gewandelt und ist hochkomplex und anspruchsvoll.
2020 war die Zahl der Ausbildungsverträge sehr niedrig. Wie sieht es dieses Jahr aus?
Ja, im letzten Jahr war ein deutlicher Rückgang an Ausbildungsverhältnissen zu verzeichnen. Das lag auch daran, dass potenzielle Schulabgänger wenig Orientierungsmöglichkeiten durch Messen oder Praktika hatten und deshalb eher noch ein Jahr Schule drangehängt oder das Studium gesucht haben. Für dieses Jahr hatten wir ähnliches befürchtet und am 1. 8. sah es auch sehr dürftig aus. Aber es werden nachträglich immer noch einige Verträge geschlossen und erfreulicherweise ist noch eine Verbesserung eingetreten, sodass ich davon ausgehe, dass wir über dem letzten Jahr liegen werden.