Verstärkter Trend zu E-Autos
Durch den Tankrabatt der Bundesregierung lässt sich der Durst des Autos wieder etwas leichter stillen, doch ist der Benzin- und Dieselpreis immer noch auf hohem Niveau. Wie wirkt sich das beim Autokauf im Vogelsbergkreis aus? Bevorzugen die Menschen gezielt spritsparende Modelle? Wir haben einige Autohändler zu ihren aktuellen Eindrücken zum Marktgeschehen befragt.
Benzin und Diesel sind teuer, die Kundinnen und Kunden der Autohäuser spüren aber keinen Trend zum Spritspar-Modell. »Wir stellen bisher keine Auswirkungen fest«, erklärt Niclas Deisenroth vom gleichnamigen Autohaus in Alsfeld. Er meint, dass die Entwicklung noch »zu kurzfristig« sei, um eine Bewertung vorzunehmen.
Anhand der vorliegenden Bestellungen für die von seinem Haus angebotenen Audi- und VW-Modelle könne er keinen Trend zu kleineren Fahrzeugen erkennen. »Die Nachfrage ist ganz gut«, berichtet er weiter und bezieht dies auf die gesamte Fahrzeugpalette. Auch der Anteil der SUV (Sports Utility Vehicle) sei unverändert stark.
Spürbar verstärkt habe sich im letzten Jahr die Nachfrage nach Elektro-Autos. Sowohl die sogenannten Hybrid-Modelle, die einen Verbrennungsmotor mit einem E-Antrieb kombinieren, als auch vollelektrische Fahrzeuge seien sehr gefragt. »Der Anteil der vollelektrischen Autos ist im Verlauf des letzten Jahres deutlich angestiegen«, berichtet Deisenroth und schätzt diesen aktuell auf mehr als die Hälfte der verkauften E-Modelle. Als sehr vorteilhaft erweise sich, dass im Vogelsbergkreis die Infrastruktur die Anschaffung eines reinen E-Autos unterstütze. Der Strom lasse sich hier gut am Carport des Einfamilienhauses mit einer Fotovoltaikanlage erzeugen. Mit der daran angeschlossenen Wall-Box kann die private Variante einer Strom-Tankstelle leicht und komfortabel eingerichtet werden.
Die von Deisenroth vertriebenen Marken VW und Audi haben ihre Modellpalette in letzter Zeit verbreitert und bieten jetzt neben dem ID-3 von Volkswagen in der Kompaktklasse vor allem große Modelle an: den ID-4 sowie den Audi Q4 und die verschiedenen Fahrzeuge der e-tron-Reihe.
Als wichtigstes Hindernis, die gute Nachfrage kundenfreundlich zu bedienen, sieht Deisenroth, wie die anderen befragten Autohändler, momentan die langen Wartezeiten, die Autokäufer bei einer Neuanschaffung in Kauf nehmen müssen. »Wer sich jetzt für ein neues Auto entscheidet, muss zwischen drei und 18 Monaten auf die Auslieferung warten«, bedauert der Alsfelder Autohändler den aktuellen Lieferengpass. Neben der Null-Covid-Strategie der chinesischen Regierung, die die Produktion in China ausbremse, weist er als Ursache auf die Unterbrechung der Lieferketten für die Autoproduktion generell hin. Diese trifft, wie unsere lokale Umfrage zeigt, alle Autohersteller.
Drastisch formuliert Hans-Werner Lack seine derzeitige Bewertung dieser Situation. Der Inhaber des Autohauses Weiss in Burg-Gemünden vertreibt die Marke Opel und spricht von einer »Katastrophe«. Das Geschäft »läuft im Moment sehr ruhig«, sagt er und bezieht dies vor allem auch auf den Gebrauchtwagenmarkt, der »besonders schwierig« sei. So gebe es beispielsweise keine Jahreswagen mehr.
Lange Lieferzeiten
Bei den Neuwagen müssten auch die Opel-Kunden mit langen Lieferzeiten rechnen. Wer zum Beispiel einen neuen Opel Astra mit Hybrid-Antrieb jetzt bestelle, um die noch bis Ende des Jahres zu bekommende staatliche Förderung in Anspruch zu nehmen, muss damit rechnen, das Fahrzeug erst im März 2023 zu erhalten. Nicht so stark wie Deisenroth, aber dennoch spürbar, nimmt der Gemündener Autohändler eine stärkere Nachfrage nach Elektro-Fahrzeugen wahr. Opel stelle immer mehr auf vollelektrische Autos um, so werde der Astra im nächsten Jahr nur noch in dieser Variante gebaut. Insgesamt lag der Anteil von E-Autos (Hybrid und vollelektrisch zusammen) bei 15 Prozent.
Erheblich höher schätzt Klaus Geißler den Anteil der ganz oder teilelektrisch betriebenen Autos der von ihm verkauften Marken ein. Seit etwa einem Jahr registriert er das wachsende Interesse an der breiten Produktpalette von Citroen und Peugeot. »Es wird die ganze Palette nachgefragt. Einen Trend zu kleineren Fahrzeugen kann ich nicht feststellen«, sagt der Alsfelder Autohändler und hebt die Beliebtheit der großen Hybridmodelle hervor. Auch er beklagt, dass »der Gebrauchtwagenmarkt so gut wie leergefegt ist«. Die Nachfrage sei sehr hoch und nicht zu bedienen. Hinsichtlich der Neufahrzeuge berichtet er ebenfalls von Wartezeiten von bis zu einem Jahr, die Kunden in Kauf nehmen müssten.
Das gewachsene Interesse an E-Fahrzeugen nimmt Darius Latta, der im Mücker Ortsteil Flensungen eine Ford-Vertretung innehat, nicht so stark wahr. Er wundert sich darüber, dass Ford momentan nur ein E-Modell anbietet, obwohl das Unternehmen schon vor Jahrzehnten in Norwegen den vollelektrischen Antrieb erprobt hatte. Insgesamt sieht er keine erwähnenswerte Änderung im Käuferverhalten. Wie Markus Naumann in Kirtorf betreibt er sein Kerngeschäft als Werkstattbetrieb und nicht mit dem Verkauf von Fahrzeugen.
Dieser bietet Autos nicht markengebunden zum Verkauf und meint, dass das Geschäft seit Anfang des Jahres »etwas ruhiger verlaufe«. Eine stärkere Nachfrage nach sparsameren Modellen verzeichnet er nicht und ein E-Auto hat er seitdem nicht verkauft. Er meint, dass die Menschen auf dem Land die Entwicklung aufmerksam beobachteten und im Moment von der neuen Technik noch nicht überzeugt seien. »Bei den Verkehrsverhältnissen auf dem Land macht es keinen Sinn, ein E-Auto mit einer Reichweite von 100 Kilometern zu kaufen«, so seine Wahrnehmung.
Damit sind die Vogelsberger keine Ausnahme. Insgesamt decken sich die Erfahrungen des lokalen Autohandels mit den überregionalen Zahlen, die das Kraftfahrtbundesamt (KBA) herausgibt, siehe Kasten.