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Taxi-Branche in der Spritpreis-Krise

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Acht Euro vom Südviertel zum Bahnhof: Mit dem Kraftstoff werden auch viele Minicars in Gießen deutlich teurer. Im Stadtgebiet kann das »echte« Taxi nun günstiger sein - denn die Gebühren für Taxis, die die Stadt festlegt, sind lange vor der Ukraine-Krise definiert worden.

Unter dem Mercedesstern schnurrt der Dieselmotor. Die elfenbeinfarbene Lackierung ist ebenso genormt wie das schwarz-gelbe Schild auf dem Dach. Viele Gießener denken beim Anblick eines Taxis: Zu teuer, ich nehme ein Minicar. Doch das kann ein Trugschluss sein. Bei Rekord-Kraftstoffpreisen werden die meisten Minicars teurer. Offizielle Taxis dagegen sind innerhalb des Stadtgebiets festgelegt auf Gebühren, die die Stadt vorgibt. Und die sind von gestern.

Oder eher von vorgestern. Sieben Jahre ist es her, dass die Stadtverordnetenversammlung die Taxentarifverordnung zuletzt angepasst hat. Damals kostete der Liter Diesel im Schnitt 1,17 Euro. Drei Euro Grundpreis, dazu 1,80 pro Kilometer sind im klassischen Taxi fällig. Für ein Minicar vom Südviertel zum Bahnhof berappte ein Gießener in dieser Woche acht Euro.

Für die Taxiunternehmer in Gießen ist die veraltete Verordnung indes nur ein Nebenaspekt in der Krise. Die trifft die ganze Branche. »Früher oder später werden viele von uns kaputtgehen«, meint Themistoklis Sideris, Geschäftsführer von Lahn-City-Car. Ohnehin gebeutelt von der Pandemie, muss das Taxi- und Minicar-Unternehmen mit 108 Fahrzeugen nun die Spritpreise verkraften. »Wenn dann noch der neue Mindestlohn von zwölf Euro kommt... Wer soll das bezahlen?«

Minicarfahrer sind oft Alltagshelfer

Über Jahre konnte Sideris die Fahrpreise stabil halten. Nun hat er sie innerhalb von zwei Monaten zweimal erhöht; jede Fahrt kostet mindestens zwei Euro mehr. »Sauer sind die Leute nicht«, so Sideris. »Sie haben Verständnis. Aber sie fahren seltener.«

Vielen Stammkunden tue das richtig weh. Minicarfahrer seien gerade für ältere und eingeschränkte Menschen wichtige Unterstützer im Alltag. »Sie helfen über die Stufen am Hauseingang oder tragen die Einkäufe rein«, schildert Sideris. Die Seniorin, die sich dreimal in der Woche zum Treffen ihrer Jugendfreundinnen fahren ließ, leiste sich diesen Luxus jetzt vielleicht nur noch zweimal in der Woche.

Natürlich leide auch er als Unternehmer unter der Situation. »Lange halten wir das nicht durch.« Er könne weitere Verteuerungen nicht einfach weitergeben. Der Preiskampf auf dem Minicar-Markt mit ständig neuen Mitbewerbern sei hart. »Die Leute rufen an, fragen, was eine Fahrt kostet, und nehmen den billigsten.«

Die Minicar-Dichte in der Universitätsstadt ist ein Grund dafür, dass die offiziellen Taxitarife keine große Rolle spielen. Privatleute, die sich auskennen, nutzen für kurze Fahrten fast immer diese Mietwagen. An den offiziellen Taxiständen am Bahnhof oder Klinikum könne ein Fahrer durchaus mal vergeblich vier bis fünf Stunden auf Fahrgäste warten, weiß Maureen Lang.

»Vor Corona war unser Hauptgeschäft der Zubringerdienst zum Flughafen Frankfurt«, berichtet die Geschäftsführerin des etwa 50 Jahre alten Familienbetriebs Taxi-Lang im GAZ-Gespräch. Eher nebenbei liefen Fahrten zur Dialyse oder Chemotherapie. Außerdem befördert das Unternehmen Geschäftsleute im Auftrag von Betrieben.

»Corona hat alles verändert.« In der Pandemie musste Lang Fahrer entlassen. Das Unternehmen konzentrierte sich auf Krankenfahrten. »Ich habe in Erwägung gezogen, aufzugeben«, sagt Maureen Lang. Allmählich kommt der Flughafen-Transfer wieder in Schwung, doch den Preis dafür musste die Firma um mehr als ein Drittel erhöhen.

Stadt plant keine höheren Fahrpreise

Ein kleiner Lichtblick: Die Verbände der Branche haben erreicht, dass die Krankenkassen einen Aufschlag für den Transport ihrer Versicherten bezahlen. Allerdings gleichen die 14 Cent pro Kilometer die Kostensteigerung nicht aus, zudem wurden sie nur für sechs Wochen zugesagt.

Die Taxiunternehmer-Verbände auf Bundesebene berichten von einer Insolvenzwelle. Sie fordern weitere Unterstützung vom Staat: Etwa pauschale Zuschüsse pro Fahrzeug oder die Aussetzung der Energiesteuer.

Die Stadt Gießen plant indes keine höheren Fahrpreise. »Üblicherweise« werde die Verordnung nach Anfrage der Unternehmen geändert, erklärt der Magistrat auf GAZ-Anfrage. Bisher habe sich aber keines an das Ordnungsamt gewandt.

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