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Stadtwerke als »sicherer Hafen«

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Bild mit Symbolcharakter: Die Gaskugel der Stadtwerke an der Schlachthofstraße. © Red

Dass Wärme, Licht und Wasser in unseren Breiten scheinbar unerschöpflich und bezahlbar zur Verfügung stehen, war über Jahrzehnte selbstverständlich. Krieg und Klimawandel haben diese Gewissheit ins Wanken gebracht, die Versorgungsunternehmen stehen im Dauerfokus. Die Gießener Stadtwerke sehen sich für das, was da noch kommen könnte, »gut gerüstet«.

Bis vor Kurzem waren noch die Infektionszahlen morgens die wichtigste Meldung in den Radionachrichten, am Mittwoch dreht sich alles um die Frage, ob und wie viel Gas ab dem Morgen durch die Leitung Nordstream 1 nach Deutschland geflossen ist. Auch bei den Gießener Stadtwerken haben sich die Zeiten geändert: »Nach dem Corona-Krisenstab haben wir jetzt den Gas-Krisenstab«, erklärt der technische SWG-Vorstand Matthias Funk.

Funk, der kaufmännische Vorstand Jens Schmidt, Unternehmenssprecher Ulli Boos sowie Stadträtin Astrid Eibelshäuser und Bürgermeister Alexander Wright wirken beim Pressegespräch nicht eben so, als gingen in der Lahnstraße und ganz Gießen bald die Lichter und Heizkörper aus. Ist ja auch noch Hochsommer. Gegen Panikattacken können manchmal einfache Wahrheiten helfen: »Es ist ja nicht so, dass dann kein Gas mehr da wäre, wenn Russland nicht mehr liefert«, sagt Schmidt. Etwa 40 Prozent mache mittlerweile der Anteil an russischem Gas in Deutschland aus. Ähnlich wird das Verhältnis auch bei den SWG sein, die rund 20 000 Gaskunden haben. Genau weiß man es nicht. »Gas hat keine Kennzeichnung, da verliert sich die Spur«, sagt Schmidt.

Eigentlich soll es am Mittwoch um die Bilanz 2021 gehen, das auch schon kein einfaches Jahr für die Branche war. Seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs hat sich zur Diskussion um die Preise eine um die Versorgungssicherheit gesellt. Ende Juni rief Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die zweite von drei Stufen des Gas-Notfallplans aus. In diesem Kontext muss man auch die Zusicherung sehen, die der SWG-Vorstand und der neue Aufsichtsrat, der nun von Bürgermeister Wright geführt wird, abgeben: »Gerade wegen der aktuellen Unsicherheit tun die SWG alles in ihrer Macht stehende, um ihre Kundinnen und Kunden zuverlässig mit Strom, Erdgas und Fernwärme zu versorgen.«

Hohe Quote beim

Eigenkapital

Die Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit, vor der der Städtetag vor zwei Wochen mit Blick auf die deutschen Stadtwerke warnte, ist in Gießen kein Thema. »Wir stehen finanziell gut da«, stellt Schmidt mit Verweis auf die Bilanz 2021 fest. Zwar hat sich der Jahresgewinn mit 5,5 Millionen Euro gegenüber 2020 nahezu halbiert, aber das reicht immer noch, um an die Stadt als Eigentümerin eine Dividende in Höhe von 2,5 Millionen auszuschütten und der Rücklage weitere Millionen zuzuführen. Wright verweist auf die hohe Eigenkapitalquote von 38,5 Prozent: »Damit sind die Stadtwerke ein grundsolides Unternehmen und gut für die kommenden Aufgaben gerüstet.« Zum Beispiel, um Energie auf einem Markt einzukaufen, auf dem sich die Situation laut Schmidt spätestens seit dem vergangenen September »dramatisch zuspitzte« und die Preise durch die Decke gingen.

Gastriage: Bund

wäre zuständig

In dieser Zeit hätten sich die SWG als »sicherer Hafen« für die Kunden von zahlungsunfähigen Billiganbietern erwiesen, die plötzlich ohne Gas- und Stromlieferant dagestanden hätten. »Das konnten wir nur leisten, weil wir seit jeher eine grundsolide Einkaufsstrategie verfolgen«, betont Vorstand Funk. Trotz vorausschauender Beschaffung sei man aber auch im ersten Halbjahr 2022 nicht umhingekommen, Strom und Gas zu verteuern. Was die Versorgungslage betrifft, mag Schmidt angesichts geopolitischer Einflüsse keine Vorhersage wagen. Die Märkte gingen für die Jahre bis 2025, für die die SWG schon jetzt Energie einkaufen, aber von einer Beruhigung aus.

Für den Extremfall einer Triage bei der Gasversorgung wären ohnehin nicht mehr die SWG zuständig, sondern die Bundesregierung, ergänzt Wright. Für Schmidt liegt es im Moment außerhalb seines Vorstellungsvermögens, dass Haushaltskunden vom Netz genommen werden: »Das wird nicht passieren.«

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Wright (v. l.), Eibelshäuser und die Vorstände Schmidt und Funk. © Red

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