Schwimmen (k)ein Problem

Richtig Schwimmen können, kann lebensrettend sein. Doch viele Kinder lernen es erst in der Grundschule. Für manche Klassen ist der Unterricht pandemiebedingt ausgefallen, hat das die Lage noch verschärft? Nachgefragt bei den Grundschulen in Gemünden, Homberg, Mücke und Ulrichstein.
Nach dem Unterricht im Becken fragt Nadja Schombert, Sportlehrerin an der Homberger Grundschule, die Baderegeln ab. Und dann ist es geschafft: Drei weitere Schüler ihrer Schwimmklasse haben das Seepferdchen-Abzeichen bestanden.
Während früher einige mit dem Seepferdchen in den Schwimmunterricht gestartet sind, können heute viele Kinder unter zehn Jahren nicht richtig schwimmen. Obwohl die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) empfiehlt, Kindern ab fünf Jahren das Schwimmen beizubringen, lernen es rund 60 Prozent erst später. »Ab fünf Jahre können Kinder je nach Entwicklung mit dem Schwimmen lernen beginnen«, heißt es vonseiten des Alsfelder Ortsverbandes. »Eine spielerische Wassergewöhnung ist natürlich ab dem Säuglingsalter möglich und auch sinnvoll.«
Dennoch kommen viele Grundschüler ohne oder mit sehr wenig Vorerfahrung in den Schwimmunterricht. Angela Russies, Schwimmlehrerin an der Pestalozzischule in Gemünden, sagt: »Der Anteil der Nichtschwimmer ist in den vergangenen fünf Jahren deutlich größer als der der Schwimmer.« So seien es zu Beginn des Schwimmunterrichts im Schnitt 70 Prozent Nichtschwimmer. »Das war schon vor Corona so.« Die Pandemie habe diesen Umstand nicht gebessert, aber auch nicht verschlimmert.
Um auf die Bedürfnisse der Viertklässler eingehen zu können, gibt es an der Pestalozzischule zwei Gruppen während des Schwimmunterrichts. Je nach Fähigkeiten können die Schüler im Laufe des Jahres die Gruppen wechseln. »Das passiert meist, wenn die Eltern zusätzlich zum Unterricht mit den Kindern Schwimmen gehen, und das Gelernte vertiefen«, sagt Russies.
Markus Hempler, Schwimmlehrer der Grundschule Kunterbunt in Mücke hat ähnliche Erfahrungen gemacht: »Corona hatte das Schwimmangebot stark begrenzt, aber im Grunde genommen ist es der gleiche Stand wie vorher.« So seien es zum Schuljahresbeginn rund 50 Prozent Schwimmer und 50 Prozent Nichtschwimmer bei den Drittklässlern gewesen.
Der Unterricht selbst hatte sich in der Zwischenzeit jedoch verändert. Da die Klassen eine Zeit lang nicht gemischt werden durften, mussten die Klassen 3a und 3b getrennt ins Hallenbad, sagt Hempler. Deshalb haben die Klassen abwechselnd - somit nur jede zweite Woche statt wöchentlich - Schwimmunterricht erhalten. »Dabei ist der Lernerfolg natürlich etwas geringer.« Daher freut sich der Lehrer, dass der Unterricht in diesem Schuljahr wieder normal stattfindet.
Ein etwas anderes Konzept gibt es an der Grundschule in Homberg. Schombert erklärt: Wir haben in der Regel drei dritte Klassen. Eineinhalb Klassen haben im ersten Halbjahr Schwimmunterricht und die anderen eineinhalb im zweiten Halbjahr. »Coronabedingt konnten wir das Konzept im vergangenen Schuljahr nicht anwenden, so dass eine dritte Klasse den Schwimmunterricht aussetzen musste. Für diese haben wir nach den Sommerferien einen Crashkurs gegeben.« Für sie gab es über mehrere Wochen zweimal wöchentlich Schwimmunterricht.
Der Anteil der Nichtschwimmer sei in diesem Schuljahr zudem angestiegen. »15 von 30 Schülern konnten zu Beginn des Schuljahres nicht Schwimmen. Mit den dreien von heute haben inzwischen zehn der 15 Nichtschwimmer-Schüler ihr Seepferdchen gemacht«, freut sich Schombert.
Doch Corona sei nicht die einzige Herausforderung. So sind in diesem Schuljahr auch geflüchtete Kinder aus der Ukraine in der Schwimmklasse, die noch nicht Schwimmen konnten. Die Akustik in der Schwimmhalle sei nicht so gut, und die Sprachbarriere erschwere das Erklären. »Normalerweise teilen wir unsere Schüler in eine Schwimmer- und eine Nichtschwimmergruppe auf. Doch dank des Förderprogramms Löwenstark, konnte noch eine externe Schwimmlehrerin am Unterricht teilnehmen, so dass wir drei Gruppen bilden konnten.« Für Schwimmanfänger seien kleinere Gruppen besser. »Auf diese Weise konnten wir den Bedarf meistern.«
Corona-Ausfall kompensieren
Auch an der Schlossgrabenschule in Ulrichstein kam das Förderprogramm des Landes zum Einsatz. »Dadurch sind wir in diesem Jahr gut dabei«, sagt Schwimmlehrerin Petra Seitz. »Sonst hätten wir es nicht geschafft.« In der Schlossgrabenschule erhalten die Schüler sowohl in der zweiten als auch in der vierten Klasse Schwimmunterricht. Coronabedingt ist dieser für die jetzigen Viertklässler jedoch in der zweiten Klasse entfallen. Durch den externen Schwimmtrainer, der den Unterricht unterstütz, war es möglich, dies mit dem aktuellen Schwimmunterricht zu kompensieren. Auch bei den jetzigen Zweitklässlern laufe das Schwimmen gut. »Wir sind zufrieden«, sagt Seitz.
Zudem sei durch die größerer Personaldecke auch dann Schwimmunterricht gewährleistet, wenn eine Lehrkraft erkrankt. Kontinuierlicher Schwimmunterricht sei für die Ulrichsteiner besonders wichtig, da die Schwimmbäder weiter weg und damit für die Schüler selbst nicht so einfach zu erreichen seien. Auch Seitz berichtet, dass in den vergangenen Jahren die Zahl der Nichtschwimmer auf gut 50 Prozent angestiegen sei.
Weshalb weniger Kinder von zu Hause aus das Schwimmen beigebracht bekommen, wissen die Lehrer nicht. »Ich glaube, manche warten einfach darauf, dass es in der Schule gemacht wird«, sagt Russies. »Es scheint nicht mehr normal zu sein, dass die Eltern das machen oder die Kinder einen Kurs besuchen.« Hempler gibt zu bedenken, dass manche Eltern vielleicht nicht das Geld haben, es ihren Kindern zu ermöglichen. Doch alle sind sich einig: Schwimmen ist wichtig.
