Palliativversorgung in Not
Seit mehr als zwölf Jahren steht am Kreiskrankenhaus Alsfeld (KKH) in 24/7-Rufbereitschaft eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) für Patienten mit komplexen Bedürfnissen im nicht heilbaren Krankheitsstadium zur Verfügung. Doch die Palliativversorung ist langfristig nicht gesichert.
Das engagierte Team ist in Sorge um den Fortbestand mangels langfristiger Strukturen und Personal. Wer jemals einen Angehörigen auf seinem letzten Lebensweg in häuslicher Umgebung begleitet hat, weiß vermutlich den unermesslichen Wert des Palliativ-Teams zu schätzen.
Die Vorstellung der Palliativ-Care auf der Homepage des KKH Alsfeld lässt Betroffene in ihrer aussichtslosen Situation hoffen, nicht mit ihren Ängsten und Nöten allein zu sein. Ein professionelles Team aus Schwestern und Ärzten arbeitet Hand in Hand mit dem Sozialdienst, Ernährungsberatern, Psychologen, Seelsorgern zusammen. In wöchentlichen Teambesprechungen erarbeiten sie individuelle Behandlungspläne für Betroffene.
Wer aber sind diese Menschen mit keinerlei Berührungsängsten am Ende des Lebensweges von Patienten, deren Angehörigen und Familien? Das Team besteht schon viele Jahre aus den zwischenzeitlich pensionierten Hausärzten Dr. Robert Ruckelshausen und Dr. Martin Böhm, dem praktizierenden Hausarzt Jochen Müller und Oberarzt Dr. Hans-Georg Elsing vom KKH Alsfeld, sowie den Krankenschwestern Birgit Schmidt, Andrea Müller, Susanne Botthof-Schlitt, Manuela Paeger, Bianca Rein und der Physiotherapeutin Ulrike Clemens.
Unter dem Dach der Alsfelder Klinik stemmen lediglich zehn Leute neben ihrem »normalen Berufsalltag« Tag und Nacht die gesamte ambulante Palliativversorgung der Koordinierungsstelle Alsfeld. Davon sind nur fünf am KKH beschäftigt. Der Einzugsbereich reicht von Alsfeld über Grebenau, Schwalmtal, Romrod und Antrifttal bis nach Kirtorf.
Schlechte Bezahlung
Träger der SAPV-Sektion Alsfeld ist von Beginn an vor knapp 15 Jahren das »Palliativnetz Waldhessen« am Klinikum Bad Hersfeld, welches über einen Kooperationsvertrag mit dem KKH Alsfeld verbunden ist. Dementsprechend werde auch die Leistungsvergütung über den Träger der SAPV in Bad Hersfeld abgerechnet.
Der große Zahltag ist am Jahresende, von dem viele profitierten, »am wenigsten aber die Mitarbeiter des Palliativ-Teams«, obgleich sie für ihre keineswegs leichte Arbeit ebenso die alleinige Verantwortung übernehmen müssten. Aber: Es gibt keinen Urlaubsanspruch, kein krank sein, »im Bedarfsfall bleiben wir auch stundenlang im Dienst. Die schlechte Bezahlung schweißt uns förmlich zusammen«, schwingt im Gespräch mit dem Trio mit.
»Wer, wenn nicht wir - wir tun es für die Patienten. Wir sind noch Ärzte und Krankenschwester geworden aus Idealismus. Wir lassen niemanden im Stich. Wir arbeiten gerne in und mit unserem verlässlichen Team, gut zehn Jahre schweißen uns doch schon eng zusammen. »Unsere Berufe sind im Grunde auch tolle Berufe, aber die Rahmenbedingungen und der Druck von Rentabilität und Wirtschaftlichkeit machen mittlerweile ganz viel kaputt«, nennt das Grüppchen das Übel beim Namen. »Die Personaldecke ist so dünn, dass bei längerem Ausfall eines Teamers alles zusammenzufallen droht«, bringen die Kräfte zu guter Letzt ihre Sorge um die SAPV-Sektion Alsfeld zum Ausdruck. Ihr Teamleiter - ein weiterer Mediziner - sei schon über ein Jahr nicht mehr dabei, ein anderer und zusätzliche Krankenschwestern mit der Weiterbildung zur Palliativpflege seien unter der allseits umhergreifenden »Kosten-Senken-Sparschraube« und der beruflich geforderten Doppelbelastung nicht zu finden.
»Niemand sollte in seiner verbleibenden Lebenszeit in der Auseinandersetzung mit dem Tod allein sein. Die Patientenwünsche und ihre Würde haben höchste Priorität«, beschreiben Böhm und Müller den Anspruch.
»In unserer Arbeit sind wir gut gefordert und würden auch gerne weitermachen. Aber die Basis und vorhandene Strukturen sind noch immer nur kurzfristig gestrickt. Das Ganze unter den federführenden Beteiligten fundiert auf lange Sicht geschaffen, gäbe uns sowie dem KKH Alsfeld und dem Vogelsbergkreis als Gesellschafter des Hauses eine weitreichendere Perspektive«, sehen Böhm und Müller Potenzial zum Erhalt des Alsfelder-SAPV-Teams, wenn man dies wirklich möchte.
Eine Nachfrage bei der Pressestelle des Vogelsbergkreises lässt hoffen: In der Tat sei aktuell von den ärztlichen Teammitgliedern nur ein Kollege am Kreiskrankenhaus Alsfeld angestellt. Die anderen Ärzte erbrächten ihre Leistung freiberuflich als sogenannte kooptierte Teammitglieder. Die Mitarbeiterinnen der Palliativpflege der Außenstelle Alsfeld seien fest angestellt.
Die Gesamtleistungsvergütung werde über den Träger der SAPV in Bad Hersfeld abgerechnet, so die Pressestelle. Das Kreiskrankenhaus Alsfeld sorge für die organisatorischen Abläufe der Außenstelle Alsfeld. Der Kreis versichert, dass sowohl das Kreiskrankenhaus Alsfeld als auch der Vogelsbergkreis an der spezialärztlichen Palliativversorgung festhalten wollen.
»Diese wertvolle und den Menschen und ihren Familien zugutekommende Tätigkeit wollen wir auch in der Zukunft weiter gestalten. Mit dem SAPV-Team stehen wir diesbezüglich in einem regen Kontakt.«