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Nordfrost-Ansiedlung kommt teuer

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Von: Joachim Legatis

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Das Nordfrost-Lager bei Atzenhain kommt der Gemeinde Mücke teuer. Es ist nicht abzusehen, ob künftige Einnahmen die Verluste bei Grundstücksverkauf und Erschließung ausgleichen werden. © Joachim Legatis

Eine Defizit von 1,185 Millionen Euro ist schwer zu verkraften. Doch mindestens so viel Geld hat die Gemeinde Mücke bei der Ansiedlung des Lagers des Logistikriesen Nordfrost in Atzenhain draufgelegt. Das ergibt eine Bilanz der Gemeinde. Und eigentlich ist das Defizit noch höher.

Es war ein verlockendes Angebot: Bis zu 200 Arbeitsplätze sollten in dem Lager des Logistikunternehmens Nordfrost im Gewerbegebiet Atzenhain entstehen. Dafür nahmen die Mücker Gemeindevertreter die riesigen, bis zu 35 Meter hohen Hallen an der Autobahn gerne in Kauf.

Nun, vier Jahre nach der Vertragsunterzeichnung, legt Bürgermeister Andreas Sommer eine finanzielle Bilanz vor, wonach die Gemeinde Mücke beim Verkauf des 13 000 Quadratmeter großen Geländes rund 1,18 Millionen Euro Defizit gemacht hat.

Dazukommen weitere 3,55 Mio. Euro, weil die Kommune auf die eigentlich fälligen Beiträge für Wasser und Abwasserleitungen verzichtet hat. Das Defizit geht letztendlich zulasten der Steuerzahler. Die Unterlagen hat der Rathauschef im Gemeindevorstand vorgestellt und an die Fraktionen der Gemeindevertretung verteilt.

Der Millionenverlust hat für Sommer zur Folge, dass bei allen größeren Erschließungsmaßnahmen ein Beratungsbüro eingeschaltet wird, das die exakten Kosten ermittelt. Ziel ist dabei, den Verkaufspreis so festzulegen, dass die Aufwendungen der Gemeinde gedeckt werden. Das geschieht gerade bei der Planung für das Baugebiet »Flensunger Hof II«.

In der Bilanz des Grundstücksgeschäfts werden die Aufwendungen für Bauplanung, Erschließung des Geländes und Ausgleichsmaßnahmen auf 4,45 Millionen Euro beziffert. Allein die Ausgleichsmaßnahmen schlagen mit 517 000 Euro zu Buche, die Erschließungsarbeiten kosteten rund 3 Mio. Euro.

Zudem wurde mit Blick auf den vorab prognostizierten hohen Wasserverbaruch ein zusätzlicher Trinkwasserbrunnen für 1,13 Mio. Euro gebohrt. Es ist allerdings nicht klar, ob der neue Brunnen nicht auch ohne Nordfrost hätte geschaffen werden müssen, um die künftige Wasserversorgung von Atzenhain mit seinen Unternehmen abzudecken. Deshalb hat Sommer in der Aufwands-Ertrags-Analyse den Brunnen ausgeklammert.

Auf der Einnahmenseite hat die Gemeinde 3,27 Mio. Euro für den Verkauf des 13 000 Quadratmeter großen Areals verbucht. Der Quadratmeterpreis wurde beim Verkauf im Jahre 2018 mit 25 Euro angesetzt. In dem Vertrag wurde überdies vereinbart, dass der Kaufpreis auch die üblicherweise anzusetzenden Beiträge für Wasser und Abwasser abdeckt. Üblicherweise werden Häuslebauer über diese Beiträge zu den allgemeinen Kosten für das Netz an Wasserleitungen und Kanalrohren sowie die Brunnen und Hochbehälter herangezogen. Wenn man das damals angewandt hätte, wären zusätzlich 3,55 Millionen Euro von dem Logistikriesen fällig gewesen.

Sommer vermisst eine genaue Kalkulation von solch großen Grundstücksgeschäften für die Gemeinde. »Ich erwarte von jedem Häuslebauer, dass er uns unsere Aufwendungen erstattet - das sollte ich von einem Gewerbetreibenden auch erwarten.« Wenn das Unternehmen dann einen Rabatt verlangt, kann die Gemeindevertretung immer noch darüber entscheiden.

Dabei spielt sicher eine Rolle, welche zukünftigen Vorteile für die Gemeinde entstehen. Dabei können Faktoren wie Steuereinnahmen und Abwassergebühren eingerechnet werden. Nur am Rande sei erwähnt, dass solche Voraussagen mit Vorsicht zu genießen sind. Bislang sind etwa 50 Arbeitsplätze in dem Lager entstanden. Wichtig ist Sommer lediglich eine transparente Kalkulation.

Deshalb soll nun bei Grundstücksverkäufen zunächst ermittelt werden, welche Kosten auf die Gemeinde zukommen. Das ist allerdings dann schwierig bis unmöglich, wenn eine Erschließungsmaßnahme über lange Zeiträume erfolgt, wie Sommer einräumt. So hat es im Baugebiet »Wallenbach« zwischen Merlau und Nieder-Ohmen gut 25 Jahre gedauert, bis alle Häuser standen.

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