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»Noch mehr Druck auf die Kassen«

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Von: Kerstin Schneider

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Für Beschäftigte von Kreisen und Kommunen (hier bei Streikaktionen) bringt der Tarifabschluss ein deutliches Lohnplus. Doch das muss finanziert werden. © Red

Mehr Lohn und eine Einmalzahlung - Beschäftigte im öffentlichen Dienst konnten sich dieser Tage freuen. Doch was bedeutet der Tarifabschluss für Kommunen und Kreis als Arbeitgeber? Auf welche Mehrkosten stellen sich Bürgermeister und Landrat ein? Denn durchschnittlich geben Kommunen rund 30 Prozent für Personal aus.

Beschäftigte im öffentlichen Dienst erhalten bis 2024 einen Inflationsausgleich. Außerdem werden ihre Gehälter im März 2024 zunächst um 200 Euro und auf dieser Basis um 5,5 Prozent angehoben. »Das ist sehr hart an der Schmerzgrenze«, äußerte sich der Geschäftsführer des Hessischen Städte- und Gemeindebunds (HSGB), Dr. David Rauber, in dieser Zeitung.

Wie wird es im Kreis gesehen? Für Mücke ergeben sich durch die aktuellen Tarifabschlüsse derzeit rund 380 000 Euro mehr für Personalkosten, rechnet Bürgermeister Andreas Sommer vor. Diese Mehrkosten müssten an anderer Stelle eingespart werden, »auch wenn wir bereits einen Teil der höheren Personalkosten berücksichtigt hatten«. Wo gespart werden soll, könne er noch nicht sagen. Grundsätzlich müssten höhere Personalkosten durch höhere Einnahmen kompensiert werden.

Es bleibe zu hoffen, dass Gewerbe- und Einkommensteuer stabil bleiben, »um Steuererhöhungen vermeiden zu können«. Es sei durchaus ein legitimes Anliegen der Arbeitnehmer, einen Ausgleich für höhere Lebenshaltungskosten zu erhalten. es zeige sich auch, das die öffentliche Verwaltung »ein wirtschaftlich sicherer und verlässlicher Arbeitgeber ist«.

Die Lohnkostenhochrechnung im Haushalt der Stadt Homberg für 2023 enthält eine prognostizierte Erhöhung von pauschal vier Prozent. »Die Inflationsausgleichszahlung von 2560 Euro pro vollbeschäftigtem Mitarbeiter in diesem Jahr können wir über den eingeplanten Mehraufwand nicht voll abdecken«, sagt Bürgermeisterin Simke Ried.

Die größere Herausforderung werde aber sein, die Tarifsteigerungen im kommenden Jahr abzufangen, »die anders als die Inflationsausgleichsprämie dauerhaft sind und zusätzlich Lohnnebenkosten verursachen«.

Wie hoch der Mehraufwand ist, muss noch berechnet werden. Zu bedenken sei auch, »dass erst im letzten Jahr Tariferhöhungen im Bereich des Sozial- und Erziehungsdienstes beschlossen wurden, die ebenfalls zu einer beträchtlichen Kostensteigerung geführt haben«.

Zur Gegenfinanzierung gebe es im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: Einsparungen oder Erhöhung der Steuern und Gebühren. Ried: »Darüber wird beim Aufstellen des Haushaltes für 2024 zu sprechen sein.« Außerdem würden geplante Projekte und vor allem freiwillige Leistungen erneut auf ihre Dringlichkeit geprüft »und gegebenenfalls verschoben werden«. Sie verweist darauf, dass die Aufgaben für die Kommunen ständig steigen, »hierbei sind beispielhaft die immer umfänglicheren Dokumentations- und Berichtspflichten zu nennen sowie größerer Aufwand bei der Gewinnung und Abrechnung von Fördermitteln«.

Kommunen hätten »immer mehr Aufgaben zu erfüllen, für die es keine adäquate Gegenfinanzierung gibt, und damit steigen die Personalkosten auch ohne Tariferhöhungen«. Auch durch den erhöhten Fachkraftschlüssel im Kita-Bereich und den großen Bedarf an Betreuungsplätzen sei der Aufwand deutlich gestiegen. »Die Struktur der Personalkosten werden wir unter die Lupe mehmen müssen.«

Auch wenn die Tariferhöhung kommunale Haushalte schmerzlich treffe, könne das Lohnniveau in mehreren Bereichen oft nicht mit der freien Wirtschaft mithalten. »Attraktiv sind Beschäftigungen im öffentlichen Dienst durch den Ruf der Sicherheit, die zusätzliche Altersvorsorge und Regelungen wie Leistungsentgelt oder Jahressonderzahlungen.« Der Fachkraftmangel gerade werde durch die Tariferhöhung wohl nicht abgemildert, schätzt Ried.

Entscheidend sei, dass die Tarifsteigerungen der Leistungsfähigkeit der Kommunen entsprechen. »Ob das ab 2024 noch in der Balance ist, wird sich zeigen müssen«, so Ried.

»Im Haushalt 2023 hatten wir in unserer Planung in weiser Voraussicht bereits eine Personalkostensteigerung von 7,5 Prozent eingepreist«, berichtet der Feldataler Bürgermeister Leopold Bach. Folglich ergebe die nach dem Tarifabschluss vorgenommene Personalkostenhochrechnung »eine ziemliche Punktlandung«. Persönlich halte er den öffentlich Dienst »generell für attraktiv und eine Lohnsteigerung dürfte dazu beitragen, dass sich die Personalgewinnung etwas einfacher gestaltet«.

Beim Vogelsbergkreis wurde im Haushalt eine Steigerung von drei Prozent eingeplant. Somit fehlten im laufenden Jahr rund 420 000 Euro. Für 2024 müsse grob mit rund 4,5 Millionen gerechnet werden. »Für 2023 ist es noch lösbar, aber klar ist: Die erheblichen Mehrkosten müssen anderweitig aufgefangen werden«, sagt Landrat Manfred Görig. Ab den Haushalten 2024 werde es erhebliche Probleme geben. Dass Stellen im öffentlichen Dienst nun attraktiver werden, glaubt er nicht. Es gebe eher ein Angebot/Nachfrage-Problem: »Zu wenig Fachpersonal für zu viele offene Stellen.«

Görig äußert Verständnis für die Forderungen der Gewerkschaften und für den Tarifabschluss. Dennoch werde die Lohn-Preis-Spirale die Inflation weiter befeuern. »Ich befürchte auch, dass durch weitere Zinserhöhungen der EZB zur Bekämpfung der Inflation noch mehr Druck auf die öffentlichen Kassen zukommt. Insgesamt stehen uns finanziell schwierige Zeiten bevor.«

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