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»Gottesdienst zu Tisch« kommt gut an

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Von: Jutta Schuett-Frank

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Beim Luthermahl zum Reformationstag hören die Besucher nicht nur Vorträge, sondern sie können auch Kürbissuppe genießen. Der Reformator ist als Aufsteller aus Pappe dabei. © Jutta Schuett-Frank

Mücke-Nieder-Ohmen (sf). Kulinarisch wurde der Reformationstag in diesem Jahr in der evangelischen Kirchengemeinde Nieder-Ohmen begangen. 500 Jahre Übersetzung des Neuen Testaments auf der Wartburg wurde gefeiert. Aus diesem Anlass traf man sich am Abend des Reformationstags zum Luthermahl, einem Gottesdienst am Tisch.

Aufgrund der hohen Zahl an Gästen mussten noch eilig ein zusätzlicher Tisch und Sitzgelegenheiten herbeigeschafft werden. Pfarrer Nils Schellhaas begrüßte die Gäste und führte mit Pfarrer Dr. Detlef Metz durch den besonderen Gottesdienst, zu dem neben einer leckeren Kürbissuppe mit wahlweise Fleischbällchen und Baguette auch, ganz in der Tradition Luthers, eine Tischrede gehörte.

Pfarrer Dr. Metz erinnerte dabei unter anderem an die Bedeutung, die Luthers Übersetzung für die deutsche Sprache habe. So gehen zahlreiche Redewendungen und Ausdrücke der deutschen Sprache auf Martin Luthers Übersetzung zurück. Die Möglichkeit, sich selbstständig mit dem Wortlaut der Bibel vertraut machen zu können, brachte Pfarrer Dr. Metz mit dem gegenwärtigen Medienkonsum in Verbindung.

Eine neue Lebendigkeit

So wie damals vor 500 Jahren nicht ausreichend belegte und überprüfbare Glaubensinhalte vermittelt wurden, konsumierten viele Menschen »heute durch Algorithmen zugeschnittene einseitige Informationen«. Dass vor 500 Jahren die breite Masse Zugang zu einer deutschen, sprachlich aktuellen und ansprechenden Bibelübersetzung erhielt, sei eine wichtige Erinnerung daran, dass auch heute Informationen, auch über Glaubensangelegenheiten, »selbstständig hinterfragt und überprüft werden können«. Luthers ausdrucksstarke Übersetzung des Neuen Testaments ins Deutsche habe beispielsweise den Worten, die der Überlieferung nach Jesus sprach, eine ganz neue Lebendigkeit für die Leserinnen und Leser gegeben.

1522 wurde die deutsche Ausgabe des Neuen Testaments nach der Übersetzung Martin Luthers auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt. Damals war allein das Neue Testament als zweiter Teil der Bibel ein äußerst großes und schweres Buch. Pfarrerin i.R. Christa Reuter stellte nach der Tischrede und der Mahlzeit einen eigens angefertigten sogenannten Blindfolianten vor, eine äußerlich in Aufmachung und Größe dem fünfhundertjährigen Original entsprechende Buchattrappe, um zu verdeutlichen, wie die erste Bibelübersetzung Luthers auf der Leipziger Buchmesse vor 500 Jahren ausgesehen hat. In einem abschließenden Vortrag berichtete sie über die anspruchsvolle Arbeit des Übersetzens, damals wie heute. Nicht allein Wortentsprechungen müssten dabei gesucht werden, sondern es bedürfe auch eines Gefühls dafür, was Menschen mit den verwendeten Ausdrücken verbänden.

Luther, der sich an der Umgangssprache orientierte, habe dabei auch auf die Wortmelodie als Ausdrucksmittel wertgelegt. Mit einem Vaterunser und dem Segen wurden die Besucher verabschiedet.

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