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Mehr Erlebnis in der Altstadt

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Von: Joachim Legatis

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Stephan Paule Bürgermeister Alsfeld © Joachim Legatis

Steigende Energiepreise und Sorgen vor einem längeren Stromausfall prägen die Politik in Alsfeld. Das Sommerinterview mit Bürgermeister Stephan Paule über eine attraktive Altstadt, verzögerte Breitbandarbeiten und steigende Einwohnerzahlen.

Herr Paule, sind Sie in Urlaubsstimmung?

Nicht so ganz, es sind immer noch viele Anfragen abzuarbeiten, die herausgeschickt wurden, bevor die Leute selbst in die Ferien starten. Ich selbst mache in der zweiten Augusthälfte Urlaub.

Ein Blick zurück, was waren die bestimmenden Themen in Alsfeld im zurückliegenden Halbjahr?

Einmal war da die Frage nach dem Gewerbegebiet Am Weißen Weg. Dazu gab es von der Bürgerinitiative einige Kritik. Wenn man angegriffen wirtd, kann das belastend sein. Dann ist da der Ukraine-Krieg und seine Folgen. So haben wir eine Unterkunft für Flüchtlinge in der Sporthalle Eifa eingerichtet. Ein Thema sind auch die Gaspreise. Im Moment haben wir hohe Temperaturen, da müssen wir im Schwimmbad fast nicht nachheizen. Wir haben da ein Blockheizkraftwerk, das mit fossilen Energieträgern betrieben wird. Wenn Wärme benötigt wird, fällt als Nebenprodukt Strom ab.

Wie kommt die Baustelle Hallenbad voran?

Das Ziel bleibt, im Oktober die Fertigstellung für den Hallenbadbereich zu schaffen. Es ist geplant, eine Photovoltaikanlage auf dem Dach zu installieren. Übrigens haben wir solche Anlagen schon auf der Feuerwache und der Kita.

Bereits seit 2016 hat Alsfeld einen Klimaschutzmanager, wie kommt die Stadt in diesem aktuell wichtigen Bereich voran?

Es wäre schlimm, wenn wir damit erst jetzt anfangen würden. So haben wir die Bauarbeiten auf dem Marktplatz genutzt, ein Nahwärmenetz zu bauen, das mit einem Blockheizkraftwerk betrieben wird. Wir sind da gut aufgestellt. Die meisten Gemeinschaftshäuser werden mit Öl beheizt. Wir merken eine erhöhte Nachfrage nach Mitteln aus dem städtischen Programm für Energieanlagen.

Ein Dauerthema bleibt Corona, was erwarten Sie für den Herbst?

Viele sagen, dass wir noch lange mit den Infektionszahlen leben müssen. Ich glaube nicht, dass wir wieder in einen harten Lockdown gehen werden. Die größte Herausforderfung in den nächsten Monaten ist die Entwicklung der Gaspreise und der Inflation. Man muss sich auf dramatische Zahlen einstellen.

Was machen die großen Bauprojekte der Stadt?

Wir haben sieben Kita-Gebäude. Wenn eines fertig saniert ist, kommt gleich das nächste dran. Beim Straßenbau ist es ähnlich, da ist viel zu machen. Die Sanierung der Straße »In der Rambnach« hätte ich gerne noch in diesem Jahr angegangen. Es wird aber eher 2024 damit. Dabei müssen auch Wasser und Abwasser gemacht werden. Das sind die wichtigsten Grundlagen: Ohne Trinkwasser ist das Leben nicht vorstellbar. Ähnlich ist beim Strom. Wenn der mal für zwei Wochen ausfällt, würde alles zusammenbrechen.

Gibt es dafür städtische Notfallpläne?

Die Stadtverordneten waren da schon früher dran. Bereits 2021 wurde über Notfallpläne und Katastrophenschutz gesprochen. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit wird jetzt mehr auf Themen gerichtet, die wir vor Ort schon seit Jahren bearbeiten.

Schärfen Krisenzeiten den Blick in der Gesellschaft?

Da hilft ein Blick in die Geschichte. Wenn man die Medien ernst nimmt, waren wir noch nie so schlecht auf Konflikte vorbereitet wie jetzt. Da schwebt ein Damoklesschwert über uns. Bei der Energieversorgung müssen wir vorankommen. In Alsfeld fangen wir da nicht bei Null an, wir haben seit Jahren einen Klimaschutzmanager in der Stadtverwaltung. Wir setzen einen Aktionsplan für städtische Liegenschaften um. Alle Straßenlaternen sind auf LED umgestellt. Dazu kommt die Beratung von privaten Hausbesitzern. Da gibt es Wartezeiten von fast einem halben Jahr. Eine Photovoltaikanlage rechnet sich für jedermann, schwierig ist das nur bei Mietshäusern. Ich weiß aus eigener Erfahrung, es lohnt sich.

Wie entwickelt sich das Geschäftsleben in der Altstadt?

Man muss den Wechsel in der Wirtschaft mitgestalten. So hatten wir vor Jahren noch keinen Leerstand bei Geschäften in der Mainzer Gasse, inzwischen droht bereits der dritte Leerstand. In der Obergasse ist es ähnlich. Wir machen viele Feste und Veranstaltungen, denn eine lebendige Altstadt bietet immer Chancen. Da kommen Menschen in die Altstadt, auch um Behörden aufzusuchen oder einen Kaffee zu trinken. Das Erlebnis und die Gastronomie werden immer wichtiger, die klassischen Geschäfte werden weniger. Deshalb haben wir den Entwicklungsbereich um die Drogerie Rossmann im Blick, aber der Haupt-Grundstückseigentümer möchte nicht verkaufen.

Wie wichtig ist der Tourismus hierfür?

Wir müssen den Leuten, die auf den Straßen vorbeifahren, klarmachen, hier lohnt es sich anzuhalten. Dazu gehört eine Erweiterung des Wohnmobilplatzes und der Bau von Ladesäulen für Elektromobile, damit die Leute zum Aufladen anhalten.

Es gibt Klagen über schlechte Breitbandverbindungen, sind Sie da zufrieden?

Da gibt es etwas Bewegung, so will die Telekom in der Kernstadt und in Heidelbach Glasfaser bis ins Haus legen. Das soll Anfang 2023 beginnen. Andere Unternehmen haben den Anschluss von Fischbach, Heidelbach und Berfa angekündigt, sie machen aber nichts. Mit goetel bin ich sehr unzufrieden, auch teilweise mit der TNG.

Wie schätzen Sie die Chancen für eine weitere Entwicklung der Stadt ein?

Der negative Trend bei den Einwohnerzahlen ist inzwischen gestoppt, wir sind nun deutlich über 16 000 Einwohnern. Geplant ist eine Siedlungserweiterung im Bereich des Reibertenröder Weges, das wird weitere Einwohner bringen. 2024 soll die Lehrkräfteakademie kommen, das kompensiert ein wenig die Arbeitsplatzverluste bei Welle und Kamax. Es ist wichtig, dass etwas hinzukommt. Davon profitieren auch Orte in der Umgebung wie Romrod und Schwalmtal. Wir merken das am Bedarf für die Kitaplätze, dass es einen Zuzug von jungen Familien gibt.

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Mehr Erlebnis für Besucher der Altstadt: Die Licht- und Musikinstallation von flashlines auf dem Alsfelder Marktplatz im Vorjahr. © Joachim Legatis

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