»Gliesboirel« und Nachhaltigkeit

Kirtorf (pm). Was hat das Flugblatt »Der Hessische Landbote« von 1834 mit der Agenda 2030 zu tun? Wie lassen sich die Ziele des Weltzukunftsvertrages der Vereinten Nationen in die Ober-Gleener, die Kirtorfer oder eine andere Mundart übersetzen? Und was haben frühere Gliesboirel und Äächbeemcher zum Vogelschutz beigetragen?
Einen Eindruck davon vermittelte die Buchvorstellung »08/18. Ein hessischer Beitrag zur Rettung der Welt« in der Kirtorfer Gleentalhalle. Die Journalistin und Historikerin Monika Felsing, die aus Ober-Gleen stammt und sich seit zehn Jahren in hessischen Projekten des Bremer Geschichtsvereins Lastoria engagiert, verbindet Information mit Unterhaltung und bezieht das Publikum am liebsten mit ein. Und so blätterte sie mit den Zuschauern nicht nur durch das Buch und tauschte Erinnerungen mit ihnen aus, sondern leitete auch eine Quizrunde und sang Lieder im Dialekt.
Eingeladen hatte das Ausbildungszentrum Natur (AZN) in Kirtorf aus Anlass des siebten Tages der Hessischen Nachhaltigkeit. Zu den Zielen der Agenda 2030 hatte die Autorin Fragen vorbereitet. Wann hatte Hildegard Kiltz ihre Praxis abgegeben? Da half es, dass sich jemand an die letzte Spritze erinnerte, die die Ärztin vor dem Beginn der Berufsausbildung verabreicht hatte - und an den trockenen Kommentar dazu. Andere Fragen reichten weiter in die Vergangenheit: Seit wann kommt das Wasser in Ober-Gleen und anderen Gemeinden aus dem Hahn und muss nicht wie in manchen anderen Ländern der Welt noch immer aus einem Brunnen geschöpft werden?
Wer hat das Manuskript des »Hessischen Landboten« geschrieben, über dessen Herausgeber Friedrich Ludwig Weidig im Museum der Stadt Kirtorf mehr zu erfahren ist?
Das Lokale und das Regionale standen ganz klar im Vordergrund, auch wenn das Buch Beispiele aus ganz Hessen bringt. Nach der Pause las Monika Felsing aus der Ausgabe des kirchlichen Gemeindeblattes »Kirtorf. Ober-Gleen. Deine Heimat« vom Mai 1929 einen Beitrag über Vogelschutz, der das Publikum einigermaßen verblüffte. »Als eine der schönsten Stellen unseres Heimatkreises gilt gerade das Stück des Gleentales zwischen Kirtorf und Ober-Gleen«, begann der Aufsatz. »Durch den tief gelegenen Wiesengrund nimmt der Gleenbach seinen erfreulicherweise noch unregulierten natürlichen Lauf.«
Auf der Böschung an der Straße standen Obstbäume, aber auch Eichen, Birken, Erlen, Kiefern und Aspen. »Auf Anregung eines Freundes und Förderers des Vogelschutzgedankens hat sich die Provinzialstraßenverwaltung bereit erklärt, die sehr warm gelegene, nach Süden geneigte Böschung als Vogelschutzgehölz einzurichten. Zu diesem Zwecke wurden von einer größeren Anzahl Straßenwärtern in den letzten Wochen hier Arbeiten ausgeführt, die eine wesentliche Veränderung des Landschaftsbildes bedingten. Zunächst wurden alle Kiefern gefällt, da die unter ihnen entstandenen Ameisenkolonien in Zukunft verschwinden müssen, weil die Waldameise nicht nur brütende Singvögel zum Verlassen des Geleges bringt, sondern auch Nestjunge skelettiert.«
An den Birken, die aus »Rücksicht auf die Eigenart, die sie gerade dem Landschaftsbild verleihen«, nicht gefällt wurden, sollten Nistkästen für die Höhlenbrüter aufgehängt werden. »Und in halber Höhe des Hanges werden nun noch einige Reihen stets niedrig zu haltender Fichten angepflanzt, über und unter denselben je eine dicht gepflanzte Reihe Weißdorn, dessen Dornen einen Schutz, dessen Beeren Winterfutter bieten werden.«
Platt-Sprüche auf Bierdeckeln
An Anregungen für eigene Projekte fehlte es nicht. Hessische Sprüche zu den Zielen der Agenda 2030, wie sie auf Bierdeckel gedruckt worden waren, lassen sich immer neu erfinden und in den Dialekt übersetzen. Zwei im Ober-Gleener Pladd gehörten 2020 dazu. Zum Ziel »Innovationen«: Als on als woas Naues. On alsemo woas Schlaues. Andauernd etwas Neues. Und ab und zu etwas Schlaues. Und zum Ziel »saubere und bezahlbare Energie«: De sauwersde Schdrom eas der, den de schboarsd. Der sauberste Strom ist der, den du sparst.
Mit anderen, die damals Kinder waren, will sich Monika Felsing am Donnerstag, 13. Oktober, von 19 bis 20.30 Uhr in einem digitalen Erzählcafé bei der Volkshochschule unterhalten. Und für Donnerstag, 17. November, 19 bis 20.30 Uhr, ist das VHS-Seminar »Wie schembe mir ins« zu sogenannten Orts-Uznamen geplant. Für beide digitalen Seminare sind Anmeldungen bei der VHS Vogelsbergkreis möglich.