P&C kehrt als Hoffnungsträger nach Gießen zurück

Peek & Cloppenburg ist zurück im Gießener Seltersweg. Das Modeunternehmen hatte im September 2019 nach 28 Jahren aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen.
Kurz vor 12 Uhr hatte die Schlange an der Hauptkasse im Erdgeschoss schon eine beachtliche Länge erreicht. Das war den Eröffnungsrabatten zu verdanken - und der Neugier der Kunden, die sich den neuen P&C anschauen wollten. »Eigentlich brauche ich nichts, aber nun habe ich doch zugegriffen«, sagt eine Kundin und zeigt auf ihre prall gefüllte Tasche. So wie ihr dürfte es vielen gegangen sein. »Wir haben ja nicht mehr viele gute Bekleidungsgeschäfte hier, deshalb war ich gespannt«, erklärt ihre Begleiterin. Das Urteil der Damen: »So viel hat sich gar nicht verändert«.
Der größte Unterschied, das erläuterte Jörg Suchomel, Leiter von P&C Gießen, ist die Sortimentserweiterung um Herrenbekleidung. Peek & Cloppenburg hatte sich im Seltersweg nach den Anfangsjahren auf Damenmode konzentriert, einen Übergang zum benachbarten Herrenausstatter Köhler geschaffen und auf ein eigenes Sortiment für Männer verzichtet. Die damalige Entscheidung war ungewöhnlich und nicht von Erfolg gekrönt - die Geschäfte entwickelten sich in der Folge zunehmend negativ.
Bei der Rückkehr war demnach klar, dass es einen neuen P&C auf jeden Fall mit Damen- und Herrenmode geben würde. »Wir freuen uns, nun wieder zweigleisig zu fahren«, sagt Suchomel. Der »General Sales Manager« leitete Anfang der 2000er Jahre schon einmal das Gießener Haus, in den vergangenen Jahren war er in Siegen tätig. Auch für ihn ist es also eine Rückkehr: »Ich habe mich hier immer wohl gefühlt und freue mich sehr«, sagt er.
Was letztlich Ursache für die Kehrtwende des Unternehmens war, sich nach so kurzer Zeit wieder in Gießen anzusiedeln, bleibt unklar. Den neuen Eigentümern des Gebäudes Kai Laumann und Hauke Weller (Projektentwicklung HAKA) war es gelungen, die einstigen Besitzer als langfristige Mieter zu gewinnen. Dabei, erinnert Laumann, hatte es schon weit gediehene Pläne für eine Teilnutzung des Hauses gegeben. Mit P&C, das sich nach einer erneuten Marktanalyse nun doch wieder gute Chancen in Gießen ausrechnete, wurde man sich dann schnell einig.
Peek&Cloppenburg öffnet in diesem Jahr bundesweit 17 Filialen und setzt damit einen Gegentrend. Ziel ist es laut Suchomel, mit neuen Konzepten eine Balance zu schaffen zwischen Onlinegeschäft und stationärem Handel. Dazu werde es unter anderem gehören, dass Kunden die Ware vor Ort anschauen, anprobieren und auswählen könnten, die Lieferung jedoch auf Wunsch online erfolgen könne. Demnächst werden die Verkäufer mit Tablets ausgestattet, die es ihnen ermöglichen, den Kunden andere Farben oder andere Größen von T-Shirt oder Hose als die Vorrätigen nach Hause zu schicken. Zudem können ergänzende Produkte gezeigt und bestellt werden, das »Cross-Selling« sei schon jetzt üblich und werde künftig verstärkt, betont Suchomel.
Die Nutzung digitaler Möglichkeiten macht sich optisch bereits bemerkbar: Es hängen weniger Hosen, Blusen oder Kleider einer Größe und einer Farbe an den Ständern. Stattdessen gibt es kleinere, beispielhafte Bestände. Die Shops wirken dadurch übersichtlicher und weniger »vollgestopft«. Der Kleiderkauf, so der Filialleiter, solle eingebettet sein in ein Einkaufserlebnis in der Innenstadt, zu dem der Besuch attraktiver Geschäfte und Gastronomie gehöre.
Das sehen auch die Nachbarn im Seltersweg so, die zur Eröffnung gekommen waren. Sie gehen davon aus, dass P&C ein Frequenzbringer sein wird. »Die Rückkehr ist ein starkes Signal für die Innenstadt«, ist sich Heinz-Jörg Ebert vom Schuhhaus Darré sicher. Froh über das Ende des Leerstands und den Zugewinn an Attraktivität im Seltersweg ist auch Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher. Er hieß die »altbekannten Neuen« herzlich willkommen.