Immer mehr Häuser statt Wiesen

Bauland wird knapp im Vogelsberg, das spürt die Gemeinde Mücke an der großen Nachfrage im Neubaugebiet Flensungen. Doch die Gemeindevertreter wollen eine Balance finden zwischen Baugebieten und Erhalt der Landschaft. So fordern sie mehr Platz für die Natur im künftigen Regionalplan.
Das Leben im Vogelsbergkreis ist attraktiv, immer mehr Menschen aus dem Ballungsraum zieht es in eine meist grüne Landschaft mit Platz zur Entwicklung. Doch das wird zum Problem, immer mehr Wiesen und Äcker werden für Wohnen und Arbeiten zubetoniert. Das sehen die Gemeindevertreter in Mücke mit Sorge, in der Stellungnahme zum Regionalplan Mittelhessen fordern sie mehr Rücksicht auf Natur und Artenvielfalt. Dennoch sollen die Wachstumsbedürfnisse von Häuslebauern und Unternehmern befriedigt werden. Das ist eine schwierige Abwägung.
So soll der Flächenverbrauch in den nächsten Jahren steigen, indem ein Wohngebiet zwischen Aquariohm und Merlau von etwa vier Hektar Größe geschaffen wird, nahe dem Burgwaldweg Merlau sind es weitere drei Hektar und bei Atzenhain ebenfalls drei Hektar. Wie Bürgermeister Andreas Sommer erläutert, sollen die übrigen Ortsteile um jeweils einen guten Hektar wachsen können. Bei den Gewerbeflächen ist ein Zuwachs von sechs Hektar bei Atzenhain und fünf Hektar bei Flensungen vorgeschlagen.
Das sind Vorschläge, die Entscheidung über den Regionalplan trifft die Regionalversammlung Mittelhessen. Ausdrücklich fordert die Gemeinde, »der Flächenverbrauch im Entwurf des Regionalplans Mittelhessen soll zugunsten des Naturschutzes, der Landwirtschaft und eines konzentrierten und effizienten Städtebaus noch deutlicher reduziert werden«. So lehnt die Gemeinde in der Stellungnahme ein Gewerbegebiet bei Bernsfeld ebenso ab wie ein Baugebiet bei Nieder-Ohmen in Richtung Bernsfeld.
Für Bürgermeister Sommer darf das Zubetonieren der Landschaft nicht ungehemmt weitergehen. »Die Ortschaften sind schon in den letzten Jahren im Flächenverbrauch gewachsen«, als die Bevölkerungszahlen leicht zurückgegangen sind. Inzwischen steigt die Bevölkerungszahl und es herrscht Bauboom. Bislang unverkäufliche Häuser finden neue Eigentümer, die Nachfrage nach Bauplätzen ist hoch. »In Flensungen haben wir 60 Anfragen nach Bauplätzen, dort haben wir nur 34 Plätze«, gibt er zu bedenken.
Generell liegt die Gemeinde damit im Trend, im Bundesland Hessen ist der Flächenverbrauch auf 16,2 Prozent für Siedlungen und Straßen gestiegen. In Deutschland sind es 14,5 Prozent.
Das muss man bei der Regionalplanung im Blick behalten, denn sie legt die Grundlagen für die Bebauungspläne der nächsten zehn Jahre. Sommer geht es besonders um den Artenschwund. Tiere und Pflanzen sind sowohl bei der Artenzahl als auch bei der Zahl der Individuen »deutlich zurückgegangen«. So weist Hessen einen hohen Waldanteil auf, aber »das Offenland ist das Problem«. Wiesen, Hecken und Äcker werden von Straßen durchzogen, die Biotope voneinander getrennt.
Dagegen wird auch etwas getan. So pflanzen viele Landwirte Blühstreifen, in denen es nur so brummt und surrt. Jagdgenossenschaften legen extensive Wiesen an, die Insekten Nahrung und Deckung bieten. In der Regionalplanung ist das Thema Flächenversiegelung nicht prominent, »da heißt es schöner, höher und weiter, statt auf Artenvielfalt zu setzen«, bemängelt Sommer.
Auch in der Gemeinde versucht man gegenzusteuern und hat Naturkriterien in den Gartenwettbewerb aufgenommen. Zudem werden Blühsamen ausgegeben. Eine größere Sache war die Renaturierung des Seenbachs in Merlau. »Der Seenbach war kein natürliches Gewässer mehr«, nun bietet er mehr Lebensraum für Tiere wie Pflanzen und trägt zum Hochwasserschutz bei.
Der Flächenverbrauch für Häuser und Straßen spiegelt gesellschaftliche Veränderungen wider. Früher haben Menschen in den Dörfern gewohnt und gearbeitet, inzwischen pendeln viele zum Arbeitsplatz. Unter einem Dach leben nur noch selten drei Generationen zusammen, auch im ländlichen Raum sind es inzwischen meist Kleinfamilien und Singles.
Dabei geht es den Gemeindevertretern und Bürgermeister nicht nur um Luchs, Schwarzstorch, Schmetterling und Libelle. Mit Skepsis wird das Überbauen von Äckern und Wiesen beobachtet. Es sollen weitere landwirtschaftliche Flächen ausgewiesen werden, wie sie in die Stellungnahme zum Regionalplan hineinschreiben.