1. Gießener Allgemeine
  2. Vogelsbergkreis

»Identität hat sich entwickelt«

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Joachim Legatis

Kommentare

heuser_180622_4c
Vorsitzender Dr. Hans Heuser (r.) mit Landrat Görig bei der Ehrung für Bernd Rausch bei einer Kreistagssitzung. © Joachim Legatis

Der Vogelsbergkreis existiert seit 50 Jahren, aus zwei Altkreisen und Schotten hat sich in der Zwischenzeit eine Einheit gebildet. Aber gibt es überhaupt »den Vogelsberger, die Vogelsbergerin«? Darüber ein Gespräch mit Dr. Hans Heuser, als Kreistagsvorsitzender ist er der höchste Vertreter der Vogelsbergpolitik.

Der Vogelsbergkreis besteht aus 186 Orten, gibt es bei einer solchen Vielfalt überhaupt eine Vogelsberger Identität?

Ja, sie hat sich langsam aber stetig über die Jahre entwickelt. Aus den Altkreisen Alsfeld und Lauterbach mit Schotten und seinen Stadtteilen ist ein Kreis geworden, in dem die Menschen heute ein Zusammengehörigkeitsgefühl haben.

Woran machen Sie den Vogelsberg fest?

Ein sichtbares äußeres Merkmal ist das Autokennzeichen VB. Wenn ich von der Arbeit in Marburg nach Hause gefahren bin, habe ich in den Wagenkolonnen immer mal die mit dem VB-Kennzeichen gezählt. Bis 1979 gab es ja noch die alten Schilder mit ALS und LAT, die dann zu VB wurden. Ich finde es sehr gut, dass wir ein gemeinsames Kennzeichen für das große Kreisgebiet haben. In anderen Landkreisen fahren die Leute mit zwei oder drei unterschiedlichen Kennzeichen herum.

Zu einer gemeinsamen Identität gehört ein einheitlicher Raum. Im Vogelsbergkreis gibt es unterschiedliche Bereiche, wenn man sich Alsfeld und Schotten anschaut. Wo finde ich den Vogelsberg als Region?

Es stimmt, die Landschaft ist abwechslungsreich. Für mich ist der Vogelsberg das Vulkanmassiv, also ein halbwegs rundes Vogels-Gebirge. Da haben wir mit Hoherodskopf und Taufstein die »Gipfel« und rundherum ist der Vogelsbergkreis. Natürlich sind die Randbereiches des Kreises ein wenig entfernt vom Gebirgsstock.

Jetzt besteht der politische Vogelsberg glatte 50 Jahre, wie haben Sie die Entwicklung erlebt?

Als ich 1981 in den Kreistag kam, bestand der Vogelsbergkreis gerade mal acht Jahre. Da war noch der Rechtsstreit anhängig, der sich um die Entscheidung für die Kreisstadt drehte. Da gab es in meiner Fraktion (CDU) auch mal Treffen nur für die Abgeordneten aus dem jeweiligen Altkreis. Es war mehr ein Nebeneinander als ein Miteinander. Nur ein Beispiel: Wenn wir die Schöffen für das Jugendgericht ausgewählt haben, mussten wir genau aufpassen, das gleich viele aus den Altkreisen Alsfeld und Lauterbach kamen. Das hat sich inzwischen gegeben, gerade bei den jüngeren Abgeordneten ist davon kaum etwas zu spüren.

Ich habe immer den Eindruck, die Kommunen in den Randbereichen tendieren mehr zu den Städten außerhalb als in Richtung der Vogelsberger Zentren Alsfeld und Lauterbach - ist dem so?

Da muss man sehr genau draufsehen. So orientieren sich die Menschen in Kirtorf und Homberg nach Marburg hin, aus Schlitz und Lauterbach nach Fulda und von Freiensteinau aus nach Schlüchtern. Es ist auch nicht immer einfach, zum Beispiel Abgeordnete aus Schlitz und Lauterbach für das Kreiskrankenhaus Alsfeld zu erwärmen. Dort sind die Menschen in Richtung Krankenhaus Lauterbach hin orientiert. Der Einzugsbereich des Kreiskrankenhauses ist um Alsfeld herum auszumachen und bis in die Schwalm im Nachbarkreis. Auch bei den Schulen richten sich einige Orte nach außen hin aus. Aus der Gemeinde Mücke gehen viele Schülerinnen und Schüler nach Grünberg und Laubach auf weiterführende Schulen.

Bildet sich nicht auch eine Vogelsberger Identität durch die Wahrnehmung von außen?

Auf jeden Fall. Der Vogelsberg wird von außen als eine Einheit gesehen. Das habe ich jahrelang als Mitglied der Regionalversammlung Mittelhessen erlebt; dort werden die Abgeordneten aus dem Vogelsberg als einheitliche Gruppe gesehen.

Sie sind seit gut 40 Jahren im Kreistag, haben die Abgeordneten eher das Wohl des Heimatdorfs oder das große Ganze im Blick?

Das Leben im Dorf hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. In meiner Jugend gab es in Sellnrod mit seinen 730 Einwohnern noch zwei bis drei Gaststätten, drei Lebensmittelläden, Tankstelle, Eisenwarenladen, Metzger und Bäcker. Die haben leider zugemacht und das wirkt sich aus. Früher hat man sich samstags beim Brötchenholen in der Bäckerei getroffen und ausgetauscht. In den Stadt- und Gemeindeparlamenten arbeiten einige stark für das eigene Dorf. Im Kreistag haben wir aber den Kreis als Ganzes im Blick.

Vor Jahren war eine Reform der Landkreise im Gespräch, um größere Einheiten zu bilden. Kommt das?

Eine Kreisreform brauchen wir in Hessen nicht. Das hatte einmal die SPD vorgeschlagen, vor allem mit Blick auf Frankfurt und das Umland. Für Mittel- und Nordhessen ist das nicht nötig. Eine Reform würde riesengroße Einheiten schaffen. Es hat sich gezeigt, dass die Kreise funktionsfähig sind. Das hat sich auch im Vogelsberg erwiesen. Zum Beispiel bei der Betreuung von Langzeitarbeitslosen mit der Kommunalen Vermittlungsagentur hat die Kreisverwaltung bewiesen, dass wir handlungsfähig sind. Wir haben auch gezeigt, dass wir für gute Schulen sorgen können. Der Kreis gibt viel Geld für das Feuerwehrwesen aus und hat eine Menge für die Menschen erreicht.

jol11-B_170508_4c_1
In 50 Jahren hat sich eine Vogelsberger Identität für die Menschen gebildet, die auf dem Vulkan mit dem Hoherodskopf als Gipfel leben. © Joachim Legatis

Auch interessant

Kommentare