»Ich scheiss’ auf...

Nur knapp über 1000 Fans waren bei der Premiere des diesjährigen Gießener Kultursommers dabei. An den Sportfreunden Stiller hat das sicher nicht gelegen. Die Band lieferte eine Show im besten »Schiffenberg-Spirit« ab - und die macht hoffentlich Lust auf mehr Festivalerlebnisse.
Was hätte es passenderes gegeben, als die »Hymne« zum Auftakt? Die lieferten die Sportfreunde Stiller dann auch prompt als Opener ihres Konzerts am Donnerstag auf dem Schiffenberg. Da waren die leider nur etwas mehr als 1000 Zuschauer längst vor der Bühne des Gießener Kultursommers zusammengerückt, tanzten und feierten wie in Vor-Corona-Zeiten und das Schiffenberg-Open-Air-Flair mit Künstlern zum Greifen nah und lauschiger Atmosphäre unter Kastanien entfaltete seinen gewohnten Zauber.
Auch die Sportfreunde, um die es wegen Bandkrise und Pandemie ein wenig stiller geworden war, fanden schnell wieder zu altem Format. Sänger Peter Brugger - ungekrönter Meister des unverwechselbar schrägen Gesangs -, Florian »Flo« Weber an den Drums und Rüdiger »Rüde« Linhof - ergänzt von Gastmusiker Mario an der Gitarre - fackelten einen Hit nach dem anderen ab. Dass im Publikum »’ne Menge Neue am Start« waren, war kein Problem, schließlich kennt fast jeder Stiller-Songs wie »Das Geschenk« oder »Applaus, Applaus«, hat noch den Fußball-WM-Song »’54, ’74, ’90, 2006« im Ohr und lässt - selbstverständlich - bei »New York Rio Rosenheim« oder »Siehst Du das genauso?« die Handys leuchten.
Und natürlich hatten sich auch im Publikum einige Fans mit den obligatorischen Schirmmützen ausgestattet, die Brugger auch gleich gegen seine eigene dunkle Kappe eintauschte. Dank der durchsichtig-orangenen Folie konnte man so auch endlich sein Gesicht auf den Videowänden neben der Bühne und unter den Bäumen besser erkennen.
»Wir sind älter als wir aussehen«, scherzte Peter Brugger und spätestens da wurde allen bewusst, dass die drei Musiker aus Germering ihre Fans schon seit fast 30 Jahren mit klugen Texten und punkigem Indie-Rock begleiten und »aus ultra faden ausgetretnen Pfaden Tante Emmas wundervollen Phantasienladen« machen. Dass auch an ihnen Zeit und Alter nicht spurlos vorübergegangen sind, zeigte der neue Song »Wächter«, der einem kranken Musiker-Kollegen gewidmet ist und alle »durch die Nacht« begleiten soll, die auf bessere Zeiten hofen.
Apropos bessere Zeiten: Eine »Weltpremiere« erlebte das Kultursommer-Publikum auch noch. »Ich scheiss’ auf schlechte Zeiten« mit dem hämmernden Keyboard-Intro hat das Zeug zum Krisenzeiten-Hit und bleibt im Ohr. Kein Wunder, dass die Fans die Sportfreunde Stiller nach einer knappen Stunde Konzert nicht ohne Zugaben gehen lassen wollten - und die gab es dann fast in gleicher Länge. Ein wunderbarer Auftakt für den Gießener Festival-Sommer.
Vorbands waren The Ugly Clementine und Enno Bunger. Während die harten Gitarrenklänge der drei Musikerinnen aus Österreich nicht wirklich überzeugen konnten, bot Singer-Songwirter Enno Bunger mit Songs, die zuweilen stark an Marteria erinnerten, einen gefälligen Einstieg in den Kultursommer-Abend.
FOTO: SCHEPP