Vergleich im Streit um Stromkabel

Homberg (ks). Die Stadt wird sich im Streit mit dem Windkraft-Projektierer juwi AG einigen. Mit einer Gegenstimme waren die Stadtverordneten in der Sitzung am Donnerstagabend in der Stadthalle dafür, einen Vergleich zu schließen. Derzeit vertritt Rechtsanwalt Matthias Möller die Interessen der Stadt. Er legte Details des dieser Tage vor dem Gießener Landgericht ausgehandelten Vergleichs vor.
Unter dem Strich werde die Stadt damit erheblich mehr erhalten als es sonst üblich sei. Den Gesamtvorteil für den städtischen Haushalt beziffert Möller auf rund 550 000 Euro.
Es geht um eine geplante Windkraftanlage auf der Mardorfer Kuppe mit Standort auf Deckenbacher Gemarkungsgebiet und hier um das Verlegen eines Stromkabels von der Anlage bis zum nächsten Einspeisepunkt der OVAG ins Stromnetz. Mit 240 Metern Gesamthöhe werde die Anlage zu den derzeit höchsten der Welt zählen, so Anwalt Möller. Eine vergleichbare Anlage gebe es derzeit in Deutschland nicht. Sie kann rein rechnerisch etwa 4000 Haushalte mit Strom versorgen.
Vor einiger Zeit schon hatte der Magistrat dem Vorhaben einschließlich des Verlegens einer Kabeltrasse zugestimmt. »Das schränkte die Klagechancen der Stadt ein«, so Möller. Danach waren erhebliche Bedenken laut geworden, auch vor Ort. Nach gescheiterten Verhandlungen hatte die juwi AG dann die Stadt verklagt, damit diese Zustimmung zum Verlegen des Stromkabels für die neue Windkraftanlage gibt. Die Stadt hatte unter anderem darauf verwiesen, das Entgelt sei zu gering. In dieser Woche nun wurde vor Gericht der Vergleich geschlossen, der nur mit Zustimmung der Stadtverordneten in Kraft tritt.
Anwalt Möller teilte mit, dass die juwi AG eine neue Schallprognose vorgelegt hat und die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten würden. Ein schallreduzierter Nachtbetrieb der Anlage solle die Lärmschutz-Grenzwerte deutlich unterschreiten. Die Überschreitung an zwei Häusern in Höingen resultiere »aus einer Vorbelastung, ist aber nicht hörbar und wohl unwesentlich«. Das von der Stadt vorgesehene Gebiet »Stille Erholung« in diesem Bereich würde zudem das Windvorranggebiet nicht zurückdrängen.
Laut Vergleich erhält die Stadt 1,80 Euro pro laufendem Meter Kabeltrasse und Jahr in den ersten zehn Jahren und ab dem elften Jahr dann 2,10 Euro pro Meter. Dazu bietet die juwi AG der Stadt einen Vertrag zur Teilhabe am Stromertrag von 15 650 Euro pro Jahr über voraussichtlich 20 Jahre an. Das entspreche etwa einem Cent pro erzeuger Kilowattstunden. Im Vergleich fordert die juwi AG, dass die Stadt künftig auf alle Rechtsmittel verzichten wird.
1,80 Euro pro Meter Stromkabel
Möller verwies darauf, bei einer Kabelverlegung sei sonst ein »Entgelt von 40 Cent pro laufendem Meter üblich«, insofern wäre die Stadt mit 1,80 Euro gut bedient. Er kommentierte kurz die Probleme, an Informationen zu kommen, dabei stoße man in der Regel auf eine »Mauer des Schweigens«. Über mögliche Entgelte beim Bau von Windkraftanalgen »redet man nicht«, hat Möller im Zuge seiner Arbeit erlebt. Insofern sei der Homberger Fall »bundesweit außergewöhnlich«. Auch die juwi AG sei sehr darauf bedacht gewesen, »dass die Zahlen geheim gehalten werden«.
Müller sagte, es seien harte Verhandlungen vor dem Landgericht gewesen und warb bei den Stadtverordneten dafür, dem Vergleich zuzustimmen. Eine Klage der Stadt ihrerseits habe eher unsichere Erfolgsaussichten.
Eckhard Hisserich (Bürgerforum) sagte, dank der Arbeit des Anwalts komme für die Stadt nun eine »erkleckliche Summe zusammen«. Dennoch habe der Magistrat seinerzeit nicht das Einvernehmen erteilen sollen, dann wäre die Position nun besser. Bernd Reiss (CDU, Ortsvorsteher Deckenbach) kritisierte, die eigentliche Windkraftanlage habe mit dem Verlegen des Kabels nichts zu tun, man solle aber über diese mit abstimmen, was mögliche Rechtsmittel angeht. »Juwi stimmt dem Vergleich nur zu, wenn auf Klagen verzichtet wird«, so Möller. Bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung war die Mehrheit der Stadtverordneten für den Vergleich.