Mutige Entscheidungen treffen

Homberg-Ober-Ofleiden (pm). Es war ein Heimspiel für Astrid Ruppert. Die Premierenlesung der Bestseller-Autorin aus Ober-Ofleiden war seit langem ausverkauft. Die Menschen waren neugierig auf den kleinen Zilpzalp Zio, den Helden ihrer Fabel »Hundert Himmel«, die sie nach den Großprojekten der vergangenen Jahre nun geschrieben hat.
Geboten bekamen die Gäste dieser Tage nicht nur den Anfang der Geschichte des kleinen Vogels, der lieber nicht mit dem ganzen Schwarm fliegen will, sondern auch feines Essen und eigens für diese Lesung komponierte Lieder.
Harald Kreehe und Uwe Henkhaus haben Zios Lieder, die Astrid Ruppert gedichtet hat, vertont und gaben sie mit der Sängerin Anna Börner und einem ausgewählten Oktett wieder.
Gast vom Verlag aus München
Eingeladen dazu hatte die Homberger Buchhandlung, deren Inhaberin Elisa Kertzscher die Gäste zur Premierenlesung samt Welturaufführung der Lieder begrüßte. Ganz besonders freute sie sich, dass mit Karin Stuhldreier die Programmleiterin der Penguin Randomhouse Verlagsgruppe aus München angereist war. Ihr war es ein besonderes, persönliches Anliegen, den offiziellen Start der Zio-Lesungen zu begleiten, sagte sie, denn sowohl der kleine Vogel als auch seine Schöpferin waren ihr als Lektorin mit der Zeit ans Herz gewachsen.
»Hundert Himmel« handelt davon, dass man Entscheidungen treffen müsse, führte Kertzscher in den Inhalt des Buches ein: »Man stellt sich tausend Fragen, wägt ab und hat ein wenig Angst, was die Zukunft bringen wird.« Astrid Rupperts kleiner Vogel Zio möchte lieber singen als fliegen - und das, obwohl er und seine Artgenossen für das Singen offenbar nicht geschaffen sind: »Eigentlich können sie nur ›zilp‹ und ›zalp‹, erzählt die Autorin, die ihre Zuhörerschaft mit ihrer ganz eigenen Art der Erzählung sogleicht mitnahm in einen Frühlingswald, den sie so grün, duftend und flirrend beschreibt, dass man sich fühlen konnte, als sei man mittendrin.
Man hörte sie geradezu, die »wilde Sinfonie des Waldes«, sah die »flirrende Kuppel von leuchtendem Grün« und konnte sich Zio direkt vorstellen. Den kleinen Zilpzalp, der - anders als die anderen Vögel in seinem Schwarm - alles aufsaugt, was er wahrnimmt, insbesondere die Geräusche, die Stimmen.
Bis Zio dann seine eigene Stimme findet, die er trainiert und an der er sich freut, ist es nur ein kleines Stück. Sein innerer Kampf aber dauert den ganzen Sommer über. Mit warmen Worten beschreibt und liest Astrid Ruppert die Zerrissenheit ihres kleinen Helden: Einerseits will er zu seinem Schwarm gehören und niemanden enttäuschen, andererseits merkt er, dass er anderes möchte: So versucht er allen gerecht zu werden und muss dafür viel Kraft aufwenden - die ihm schließlich fehlt, um das zu tun, was er wirklich will.
Am Ende des Sommers wird er zu dennoch wenig trainiert haben, um mit den anderen Zilpzalpen gen Süden zu fliegen. Eine Entscheidung, die er selbst herbeigeführt hat. Zio wird im Wald überwintern müssen. Ob und wie er es schafft, lässt die Spiegel-Bestseller-Autorin am Ende ihrer Lesung natürlich offen. Da es sich aber laut Klappentext um eine »Mut machende Geschichte« handelt, darf man hoffen, dass Zio auch im nächsten Frühling noch singt.
Astrid Ruppert lebt seit über zehn Jahren in Ober-Ofleiden. Ihr erstes Buch schrieb sie vor dreizehn Jahren. Zuvor war sie berufstätig, alleinerziehend und hatte zwischen allen Anforderungen des Alltags vergessen, dass sie schon als Kind hatte schreiben wollen, dass ihre überbordenden Fantasie schon früh aufgefallen war.
Tictac-Orakel
Eine medizinisch bedingte Auszeit brachte dieses lange vergessene Bedürfnis wieder zum Vorschein, doch ihr Alltag ließ ihr keine Möglichkeit, so zu schreiben, wie sie es wollte.
Davon berichtete Astrid Ruppert mit Bezug auf ihren kleinen Zilpzalp. Auch sie musste eine Entscheidung treffen: Wenn sie wirklich, wirklich schreiben wollte, dann ging es nur, wenn sie weniger arbeiten würde - denn von allen anderen Dingen, die ihre täglichen Stunden füllten, konnte sie nichts abzwacken. Dies hatte sie - wie sie augenzwinkernd berichtete - mit dem Tictac-Orakel ermittelt: Vierundzwanzig der weißen Pfefferminzbonbons hatte sie vor sich gelegt, sie in Fahrzeit, Arbeitszeit, Haushaltszeit, Tochterzeit, und Schlafzeit eingeteilt. »Ich musste auf ein Drittel reduzieren.« Dass dies die richtige Entscheidung war, stellte sich erst hinterher heraus: Es hatte sich gelohnt, mutig zu sein.
Die nächsten Gelegenheiten, Zio zu entdecken, gibt es am 7. Mai. Dann liest Astrid Ruppert um 11 Uhr im Park von Schloss Eisenbach und um 15 Uhr im Bürgergarten in Alsfeld. Die nächste Lesung der Homberger Buchhandlung findet am 13. Mai im DGH in Maulbach statt. Dann liest Romy Hausmann aus ihrem Buch »True Crime«.