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Am Lebensende selbst entscheiden können

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Von: Joachim Legatis

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Darf man Menschen helfen, ihrem Leben ein Ende zu setzen? Diese Frage ist seit Jahren heftig umstritten. Arthur Wagner aus Homberg kritisiert die gängige Praxis der Sterbehilfe.

Ärzte dürfen einem Schwerkranken beim Suizid helfen und ihm ein tödliches Medikament geben – das hat kürzlich das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Das gilt aber nur im Einzelfall. Ärzte, die wiederholt Patienten bei einer Selbsttötung betreuen, stehen mit einem Bein im Knast.

Das kritisiert Arthur Wagner aus Homberg, Dozent für »rechtliche Rahmenbedingungen der Pflege« an der Hochschule Fulda und Buchautor zum Thema. »Die Medizin kann dem schwerkranken Menschen gut helfen – und wenn nicht, dann darf die Gesellschaft nicht darüber entscheiden, ob er aus dem Leben scheidet.«

Denn weiterhin gilt der Paragraf 217, der gewerbsmäßige Hilfe bei einer Selbsttötung unter Strafe stellt. Darunter fallen auch Ärzte, die wiederholt Patienten bei einem Suizid betreuen. Nur Einzelfälle sind erlaubt, was Wagner für problematisch hält. Denn die Frage nach Suizid stellt sich immer wieder bei der Versorgung schwerkranker Menschen in der Palliativmedizin.

Wagner hält es für eine Frage der Menschenwürde, auch über das Lebensende selbst entscheiden zu können. Dabei stützt er sich auf das Grundgesetz, das jedem das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit zugesteht. Daraus habe sich die Patientenverfügung entwickelt, in der jeder festlegen kann, ob er lebensverlängernde Maßnahmen zulässt. Wenn ein Arzt gegen den erklärten Willen des Patienten weiterbehandelt, begeht er eine Körperverletzung, erläutert der 75-jährige Homberger. Das werde aber teilweise von Ärzten unterlaufen, »da wird viel Geld verdient«. Ein Patient mit Magensonde lasse sich mit bis 25 000 Euro pro Monat abrechnen.

Kompliziert sei hingegen die juristische Lage beim ärztlich assistierten Suizid. Bis 2015 konnten Ärzte dem Patienten straflos ein Mittel geben, mit dem er einschlief und starb. Seit einem guten Jahr gilt der § 217, der die gewerbsmäßige Sterbehilfe verbietet. Damit wollte der Bundestag Sterbehilfevereinen nach dem Vorbild der Schweizer »Dignitas« die Grundlage entziehen. Gleichzeitig löste das Gesetz auch bei Palliativmedizinern Verunsicherung aus, denn sie werden immer wieder auf Unterstützung beim Suizid angesprochen. Im Einzelfall ist die Unterstützung erlaubt, aber wenn das drei oder vier Mal geschieht, ist es verboten. »Ich fühle mich durch die Rechtsprechung entmündigt,« sagt Wagner.

Er verweist auf die Praxis in der Schweiz, wo eine uneigennützige Unterstützung bei Selbsttötung erlaubt ist. In den Niederlanden sei Ärzten sogar eine Injektion erlaubt, um dem Sterbewunsch zu entsprechen. Das lehnt Wagner allerdings ab. Wenn ein Mensch seine Schmerzen nicht mehr aushält und sterben möchte, dann soll er selbst den Becher mit einer tödlichen Dosis des Medikaments leeren. Dann hat er es selbst getan und verstoße nicht gegen Rechte anderer Menschen, erläutert Wagner.

Dass auf diese Weise Menschen zum Suizid ermuntert werden, hält Wagner für abwegig. Dieses Argument wird häufiger von den Kritikern vorgebracht. »Wir Menschen sind nicht so verrückt, dass wir uns reihenweise umbringen.«

Wagner ist ein Befürworter einer guten Palliativversorgung. Hier werde sehr gute Arbeit geleistet. Es brauche Ärzte, die Menschen mit großen Schmerzen und im Endstadium von schweren Krankheiten qualifiziert betreuen. Erst wenn das nicht mehr reicht, soll der ärztlich assistierte Suizid möglich werden.

Er wünscht sich eine breitere Debatte zum Thema. »Der Tod ist immer noch ein großes Tabuthema, deshalb fällt es uns schwer, über Suizid nachzudenken,« sagt der Homberger.

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