»Grimms Märchen«: Auszug aus dem Saal

Homberg (jol). Die berüchtigten »Homberger Verhältnisse« führten in der jüngsten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung in Maulbach zum Abbruch der Zusammenkunft. Nach einer Diskussion um beantragte Korrekturen am Protokoll der Stadtverordneten-sitzung vom 4. August verließen kurz vor Sitzungsende fast alle Abgeordneten von CDU, SPD und Freien Wählern unter Protest den Raum.
Vorsteher Dr. Claus Gunkel stellte die Beschlussunfähigkeit fest und beendete die Versammlung.
Anlass der Debatte waren 34 Änderungsanträge von Jutta Stumpf (Bürgerforum), Barbara Schlemmer und Elke Müller (Grüne). Am 4. August war über den Bau des Kreisverkehrs am geplanten Gewerbegebiet nahe der künftigen Autobahnausfahrt befunden worden. Erst im Nachgang der Sitzung informierte Bürgermeisterin Simke Ried darüber, dass der Kreisverkehr wegen der hohen Kosten nicht gebaut werden könne.
Kein Widerstreit
Jutta Stumpf erläuterte nun, dass sie das betreffende Protokoll durchgeschaut und die 24 Einwendungen »herunterdiktiert« habe. Unter anderem heißt es da: »Gemäß der derzeitigen Protokollfassung könnte Frau Ried auch Grimms Märchen vorgelesen haben.« Auch Kommasetzung solle korrigiert werden, schließlich solle das Protokoll korrekt sein. In dem Antrag forderte sie namentliche Einzelabstimmung der Einwendungen. Bei der Sitzung in Maulbach schlug sie vor, über alle Einwendungen gemeinsam abzustimmen.
Michael Fina (SPD) lehnte das Verhalten Stumpfs ab. Es gelinge kaum noch, einen Schriftführer für die Sitzungen zu finden, weil so viele Einwendungen vorgebracht werden. Wichtig seien die Inhalte des Protokolls. Kai Widauer (CDU) monierte, dass die Protokollanträge viel Zeit kosten. Stumpf sei »immer nur dagegen«, er vermisse positive Anträge. Barbara Schlemmer (Grüne), die fünf Änderungen am Protokoll der August-Sitzung eingefordert hat, wies das zurück. In der aktuellen Sitzung selbst seien auch Grünen-Anträge einstimmig beschlossen worden. Stumpf ergänzte, das Bürgerforum habe viele Anträge gestellt. Das Hin und Her löste den Auszug mehrerer Abgeordneten von CDU, SPD und FW aus.
Penible Reaktion
Eine knappe Entscheidung gab es zu einer anderen Protokollierung. Inhaltlich ging es in der Stadtverordnetensitzung am 9. Juni um einen Beschluss auf Antrag des Bürgerforums, wonach der Magistrat der Bau-Arbeitsgemeinschaft A49 Auflagen bei Sprengungen machen soll. Nach der Sitzung hatte Erster Stadtrat Michael Rotter Widerspruch gegen den Beschluss eingelegt, weil sich Jutta Stumpf im Widerstreit der Interessen befunden habe. Sie habe gesagt, dass sie einen betroffenen Landbesitzer als Mandanten vertrete. Das wies Stumpf in der jüngsten Parlamentssitzung zurück. Die Behauptung Rotters treffe nicht zu, das müsse korrigiert werden. Das unterstrich Barbara Schlemmer (Grüne). Eckhard Hisserich (BF) beantragte, das Parlament solle den Widerspruch des Magistrats zurückweisen, weil sich Stumpf nicht im Widerstreit der Interessen befunden habe. Vorsteher Dr. Gunkel bestätigte, dass er den Mitschnitt der Sitzung abgehört und keine Aussage Stumpfs gefunden habe, wie sie Rotter angeführt habe. Rotter betonte, er habe Unterlagen, die den Widerstreit der Interessen von Jutta Stumpf belegen. Dagegen erhob sich klarer Protest Stumpfs und Schlemmers.
Der Antrag Hisserichs wurde bei acht Jastimmen, sechs Neinstimmen bei neun Enthaltungen knapp angenommen. BF und Grüne hatten zu dem Zeitpunkt sechs Abgeordnete im Raum. Inhaltlich habe sich der Beschluss zwischenzeitlich erledigt, wie einhellig festgestellt wurde. Schneller ging es beim Änderungsantrag von Bernd Reiß zum Protokoll der Sitzung vom 20. September. Bei einer Abstimmung waren 18 Abgeordnete zugegen, nicht 19, wie protokolliert. Die Korrektur wurde einstimmig beschlossen. Ein unspektakuläres Ende nahm die gerichtliche Auseinandersetzung um die Wahl des Stadtverordnetenvorstehers im Jahre 2020. Wie Dr. Gunkel mitteilte, ist das Verfahren, das Hisserich und Stumpf angestoßen haben, eingestellt worden. Wie penibel die Stadtverordneten inzwischen auf formale Fragen reagieren, zeigte sich in der Beratung über eine Änderung der Vereinsförderrichtlinie. Dabei ging es um die Übernahme von Kosten für WLAN-Systeme, wenn ein Verein nicht auf das Freie Netz Homberg zugreifen kann.
Vor der Beratung verließen mehrere Abgeordnete von CDU, SPD und FW den Saal, da sie in Vereinen aktiv seien und einen Widerstreit der Interessen annahmen. Stumpf rief ihnen hinterher, dass in diesem Fall kein Widerstreit der Interessen vorliegen könne. Dem setzte ein Vereinsaktiver entgegen, er gehe hinaus, »bevor das noch beklagt wird«.