Der schwierige Weg zur Freiheit
Homberg/Gießen (ote). Mehr als 16 Monate sitzt die Umweltaktivistin, die in den Dannenröder Forst gekommen war, um gegen dessen Abholzung zu protestieren, nun schon in Untersuchungshaft. Daran hat auch das Urteil des Landgerichts Gießen vom Freitag nichts geändert. Die Frau, die ihren Namen nicht preisgeben will und daher von Amts wegen »UWP1« (unbekannte weibliche Person) und von allen anderen »Ella« genannt wird, wurde wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Haftstrafe von 21 Monaten verurteilt.
16 davon hat die Angeklagte bereits in U-Haft abgesessen.
Verteidigerin Waltraut Verleih hält das Urteil nach der umfassenden Beweisaufnahme für »rechtlich fragwürdig«. Gemeinsam mit ihrer Rechtsanwaltskollegin Eva Dannenfeldt befindet sie sich jetzt in einer verzwickten Situation. Rein juristisch gesehen müssten sie aus ihrer Sicht gegen das Urteil in Revision gehen. Die Präferenz der beiden Rechtsanwältinnen ist aber eine andere, wie Verleih betont: »Es geht darum, was auf schnellstem Weg zur Haftentlassung führt.«
Die Situation ist etwas paradox: Denn der schnellste Weg für Ella aus der Haftanstalt in Frankfurt-Preungesheim ist womöglich, das umstrittene Urteil zu akzeptieren und damit rechtskräftig werden zu lassen. Dann nämlich könnte die Strafvollstreckungskammer über eine Aussetzung nach der Zweidrittelregelung entscheiden. Da mit einer Wiederholungsgefahr nicht zu rechnen ist, würde die Prüfung wohl positiv ausfallen.
Die Verteidigung könnte auch eine Haftbeschwerde einreichen. Dann müsste das Oberlandesgericht prüfen, ob eine Fortdauer der Untersuchungshaft nach mehr als 16 Monaten angesichts der Tatvorwürfe und der ausgeurteilten Strafe überhaupt noch verhältnismäßig ist. Verleih hätte sich diese Haftprüfung auch schon während der Verhandlung gewünscht - als die Beweisaufnahme ergeben hatte, dass die Polizeibeamten doppelt gesichert und die Attacken der Umweltschützerin in luftiger Höhe somit eben nicht lebensbedrohlich waren.
Doch Richter Johannes Nink hatte keine weitere Haftprüfung vorgenommen. In seiner wegen der Tumulte im Gerichtssaal verkürzten Urteilsbegründung sagte er nur, der Haftbefehl bleibe aus den bekannten Gründen bestehen. Dies soll wohl heißen: Da die Identität der Angeklagten nicht feststeht, bestehe Fluchtgefahr. Und dies wäre ein weiterer schneller Weg aus der Haft: wenn die Angeklagte ihre Identität preisgäbe. Ob Verleih ihrer Mandantin dazu rät, wollte sie nicht verraten: »Kein Kommentar.«
Am längsten würde es bis zu Ellas Freiheit vermutlich dauern, wenn die Verteidigung in Revision ginge. Bis Ende der Woche müssen sich Ella und ihre Verteidigerinnen entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen.