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Gottesdienst nach Regieplan

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Aus der Gießener Bonifatiuskirche kommt dieses Jahr der ARD-Fernsehgottesdienst zu Fronleichnam. ARCHIVFOTO: SCHEPP © Red

58 Minuten! So lange darf der Fernsehgottesdienst an Fronleichnam in der Bonifatiuskirche dauern. Die Vorbereitung hat ein Jahr gedauert und war mitunter ein Balanceakt. Im Endspurt sind noch Helfer willkommen.

Punkt 10.01 Uhr stimmt der Chor an: »Komm her, freu dich mit uns, tritt ein.« Um 10.33 Uhr spricht die Gemeinde: »Das ist würdig und recht.« Sekundengenau durchgetaktet, ohne Momente der Stille, im Scheinwerferlicht und zwischen Kameraschienen werden Gießener Katholiken am kommenden Donnerstag Fronleichnam feiern. Die ARD überträgt ab 10 Uhr den Gottesdienst aus der Bonifatiuskirche. Die Organisatoren sind »freudig angespannt« nach einem Jahr Planung.

58 Minuten! Diese Zahl schwebt über allem. »Egal wie weit wir sind: Dann wird ausgeblendet für die ›Tagesschau‹«, weiß Pfarrer Stefan Wanske. Er organisiert den aufregenden Tag zusammen mit Regionalkantor Michael Gilles, der die musikalische Leitung übernimmt, und Kaplan Simon Krost - sowie einer auf Gottesdienste spezialisierten ARD-Redaktion. Insgesamt etwa 100 Fernsehmitarbeiter wirken mit. Rechnerisch koste so ein Gottesdienst die Gebührenzahler über 100 000 Euro, so Wanske.

Auch für die Gemeinden entstehe erheblicher Aufwand - finanziell etwa für Solisten oder Blumenschmuck, vor allem aber an Arbeitskraft. »Ohne die vielen Ehrenamtlichen ginge es nicht«, unterstreicht Krost und weist darauf hin, dass weitere Helferinnen und Helfer willkommen sind.

Kameratraining und Schulbefreiung

Die Aufgaben vor der Kamera sind natürlich längst vergeben. Das war knifflig. Der Gottesdienst soll als »Gemeinschaftsprojekt«, so Krost, »das katholische Gießen abbilden«. Sämtliche Gruppierungen sind zu berücksichtigen; die vier früher selbstständigen Gemeinden Bonifatius, Albertus, St. Thomas Morus und Maria Frieden sollen sich ebenso repräsentiert fühlen wie die Gemeinden italienischer, spanischer, polnischer und kroatischer Sprache.

Wer bekommt eine der sechs »Sprechrollen« für fünf Fürbitten und eine Lesung? Wer kann und will die nötige Zeit opfern? Schließlich gehören nicht nur zahlreiche Proben, vor allem am Mittwoch, sondern sogar ein Kameratraining zur Vorbereitung. Die 20 Messdienerinnen und Messdiener werden einen Tag von der Schule befreit.

Die Auswahl war ein Balanceakt für ein, so Wanske, »junges Pastoralteam in der Findungsphase«. Und dies vor dem Hintergrund sich ständig ändernder Corona-Regeln und des »pastoralen Wegs«, der Modernisierung der katholischen Kirche.

Warum überhaupt Gießen? Das Bistum Mainz war an der Reihe bei den ARD-Gottesdiensten. Die Bonifatiuskirche wurde aus mehreren Gründen ausgewählt. Erstens: Der frühgotische Kirchenraum macht nicht nur optisch Eindruck. Dort lässt sich auch die Technik verstecken, für die einige Bänke ausgebaut werden.

Zweiter Grund: Pfarrer Wanske ist medienerfahren. Seit 2010 hält er Morgenfeiern im Radiosender HR2. »Da habe ich zwölf Minuten Zeit allein für den Text«, seufzt er. Im Fernsehen darf seine Predigt maximal sechseinhalb Minuten dauern.

Dritter Grund: Die musikalische Kompetenz. Kantor Gilles hat ein abwechslungsreiches Programm von Johann Sebastian Bach bis zur Jazz-Improvisation ersonnen. Neben Chor und Band spielen zwei renommierte, übrigens evangelische Organisten. Nils Kuppe und Josua Velten sollen für besondere Effekte sorgen, indem beide Bonifatius-Orgeln auch mal gemeinsam oder im Wechsel erklingen.

Prozession und Abschlussfest

Etwas beklommen blicken die drei Organisatoren auf die Weltlage. Eine wichtige aktuelle Entwicklung zu erwähnen, würde eine aufwendige Änderung des 22-seitigen Regieplans erfordern.

Wenn am Donnerstag im Fernsehen der Gong zur Vormittags-»Tagesschau« ertönt, können die Gießener durchatmen. Erst bei der Prozession, die dieses Mal verhältnismäßig kurz ausfällt. Dann an der Bonifatiuskirche beim Fest zum Ausklang. Das darf ruhig länger dauern als 58 Minuten.

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