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Genug oder viel zu wenig?

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Wie in der Savanne - Vieh auf einer Weide im Vogelsberg. Landwirte müssen schon jetzt zufüttern, weil auf den Wiesen nichts wächst. © Kerstin Schneider

Geht dem wasserreichen Vogelsberg das Wasser aus? Oder betreiben Umweltschützer Panikmache? Der Streit darüber geht zwischen dem Versorger OVAG und Naturschutzverbänden weiter. Heute soll zudem vor den Toren des Versorgers demonstriert werden.

An die 70 Prozent der Vogelsberger Quellen seien versiegt. Der Grundwasserspiegel im Vogelsberg sinke immer weiter. Angesichts brauner Wiesen überlegten Landwirte, ob sie Vieh verkaufen oder schlachten müssen, denn mangels frischem Grün müssen sie dem Vieh schon Winterfutter geben.

Fichten sind dürr, Buchen und Eichen kümmern dahin. »Dennoch verkündet der Zweckverband der Oberhessischen Versorgungsbetriebe (ZOV), dass es noch ausreichend Trinkwasser gibt«, kritisieren die BUND-Kreisverbände Wetterau, Vogelsberg und Frankfurt. Sie laden deshalb heute zur Demonstration ein. Unterstützt werden sie unter anderem vom NABU, den Naturfreunden Vogelsberg und der Schutzgemeinschaft Vogelsberg sowie Kreisverbänden der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. Anlass des Protestes ist die Verbandsversammlung des Zweckverbands Oberhessische Versorgungsbetriebe (ZOV) im OVAG-Verwaltungsgebäude in Friedberg.

Die OVAG müsse jetzt die Wasserampel auf Rot stellen, fordern die Umweltschützer. Mit der Demo solle ein »Signal der Opfer-Region Vogelsberg« an Rhein-Main gesendet werden. Frankfurt müsse endlich seine Eigenversorgung beim Wasser erhöhen. Das Wachstum der Metropolregion dürfe nicht weiter auf Kosten der Natur und der Menschen im Umland gestützt werden.

Seit Monaten stehe die OVAG-Wasserampel auf Gelb und das solle offenbar noch Monate so bleiben. 2022 sei aber das trockenste Jahr seit es in Europa Wasseraufzeichnungen gibt. Seit 2018 folge ein Trockenjahr dem anderen. Das Hessische Amt für Umwelt und Naturschutz (HLNUG) habe kürzlich betont, dass die Grundwassereinträge in den letzten 20 Jahren um 27 Prozent zurückgegangen sind.

Die Böden seien durch Austrocknung geschädigt. »Immer mehr verlieren sie die Fähigkeit, Niederschläge aufzunehmen und dem Grundwasser zuzuführen. Die Klimakatastrophe hat die Grundwasservorräte unter dem Vulkan erreicht.« An diesem Grundwasser aber hingen die Brunnen der OVAG und vieler Gemeinden. Die OVAG müsse endlich die Daten ihrer Messstellen und Pegelstände veröffentlichen, welche der »Ampelschaltung« zu Grunde liegen, fordert der BUND.

Der OVAG-Vorstandsvorsitzende Joachim Arnold weist dagegen die Forderung, die 2021 eingeführte Wasserampel auf »Rot« zu stellen und damit auf eine schlechtere Grundwasserneubildung zu reagieren, erneut zurück. »Aufgrund der derzeitigen und für die nächste Zeit prognostizierten Grundwasserstände in unseren Gewinnungsgebieten sehen wir uns nicht in der Lage, substanziell begründet die derzeit bis November angezeigten Phasen der OVAG-Wasserampel zu ändern.«

Die Stadt Schotten hatte kürzlich Forderungen gestellt, etwa die nach einer sofortigen vorläufigen Einstellung der Förderung in Rainrod und die Reduzierung der Bewilligung und der Fördermengen auf zwei Millionen m³ Grundwasser pro Jahr.

Das Wassermanagement der OVAG entspricht laut Arnold »den Vorgaben der umweltschonenden Grundwassergewinnung«. Zudem stehe der Rückgang der Grundwasserentnahme im Gewinnungsgebiet Rainrod gerade nicht im Zusammenhang mit einem Nachlassen der Ergiebigkeit der Entnahmebrunnen. »Das ist vielmehr der Ausdruck unserer umweltschonenden Grundwassergewinnung, die wir umsetzen, um die festgelegten Mindestgrundwasserstände einzuhalten.«

Das anhaltend trockene und heiße Wetter zeige, dass der Klimawandel »auch in unserer Region angekommen ist«, so Arnold weiter. Experten seien sich einig, dass dieser verstärkt zu extremen Wetterlagen führen werde. »Es wird erwartet, dass sich die Neubildungsphasen auf kürzere Zeiträume im Winterhalbjahr konzentrieren.«

Das würde zwar zu stärkeren saisonalen Schwankungen führen, jedoch sind es vor allem die Niederschläge im Winter, die entscheidend für die Grundwasserneubildung sind. »Weniger Frosttage würden dazu führen, dass es mehr Tage gibt, an denen Niederschläge in den Boden und in die Grundwasserleiter eindringen können.«

Es sei unstrittig, dass der Klimawandel die Wasserversorgung vor große Herausforderungen stelle. Deshalb habe man die Kommunen ermutigt, kommunale Wasserkonzepte zu erarbeiten. Die geforderte vorläufige Einstellung der Förderung im Gewinnungsgebiet Rainrod lehnt Arnold mit Verweis auf die wasserrechtliche Bewilligung ab. »Diese wurde nach Durchführung einer Umweltverträglichkeitsstudie und einer FFH-Prüfung erteilt.« Es lägen keine Hinweise auf eine Übernutzung vor.

Auch den geforderten Verzicht auf die wasserrechtliche Erlaubnis lehnt Arnold ab. »Die Menschen der Region dürfen sich sicher sein, dass wir als regionaler Versorger die Situation genau beobachten«, fügt Arnold an.

Die OVAG sei beispielsweise Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Wasserversorgung Rhein-Main, die eine Studie zur Grundwasserneubildung in Auftrag gegeben hatte. Ergebnis: Das Grundwasserangebot werde »sich in den kommenden 20 bis 30 Jahren nur moderat ändern«.

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