Keine Alternative?

Gemünden (gkm). Auf Einladung der SPD-Fraktion in der Gemeindevertretung diskutierten jetzt Kommunalpolitiker mit Hans-Gerhard Gatzweiler und Günter Mest von der Energiegenossenschaft Vogelsberg (EGV) über die Zukunft der erneuerbaren Energien in Gemünden. SPD-Vorsitzender, Lukas Becker erinnerte an die heftigen Diskussionen zum Für und Wider der Freiflächen-Solaranlage bei Ehringshausen, die mittlerweile in Betrieb ist.
Die SPD-Fraktion hatte vorgeschlagen, einen »Masterplan« für die weitere Entwicklung im Hinblick auf einen Umbau der Energieversorgung hin zur verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien zu erarbeiten und dafür einen Klimaschutzmanager einzustellen. Den Antrag hatte die Gemeindevertretung mehrheitlich abgelehnt. Damit war aus Sicht der Sozialdemokraten die Idee gescheitert, mit einer Entscheidung über Standorte für großflächige Solaranlagen zu vermeiden, dass jedes Mal, wenn ein neuer Standort vorgeschlagen wird, die Auseinandersetzung erneut geführt werden muss.
Das nächste Projekt steht bereits am Startblock. Die Diskussion um die geplante Freiflächenanlage am Ortsrand von Rülfenrod »kommt auf«, so Becker. Insofern wolle man die Gesprächsrunde nutzen, um den Sachstand zu erfahren. Der Beitrag zum Klimaschutz, den man ursprünglich in seiner ganzen Breite diskutieren wollte, engte sich schnell auf die Frage ein, wie man sich zu großflächigen Fotovoltaikanlagen stellt.
Zu den beiden Freiflächen-Solaranlagen in Gemünden erläuterte der geschäftsführende Vorstand der Energiegenossenschaft Günter Mest, dass die Einrichtung in Ehringshausen in Betrieb sei. »Auf dem Heppenrod« wird auf einer Fläche von vier Hektar, die in der Vergangenheit als Ackerland genutzt wurde, Solarstrom mit einer Leistung von etwas mehr als drei Megawatt erzeugt. »Auf den Steinäckern« in Rülfenrod werde die Anlage etwa eine Fläche von zehn Hektar beanspruchen. Auch hier wird sie derzeit als Acker genutzt. Mit den beiden Grundstückseigentümern habe sich die EGV bereits die Flächen »vertraglich gesichert«, so Mest. Dem Einwand, dass mit dem Bau der Fotovoltaikanlage Flächen für die Lebensmittelerzeugung verloren gingen, hielt er entgegen, dass es sich nicht um hochwertige Böden handele. »Das Gebiet heißt ›Steinäcker‹, was wohl heißt, dass es sich nicht um das beste Land handelt«, so Mest.
Er betonte, unter anderem mit Hinweis auf die Solaranlage in Ehringshausen, dass es unter den Fotovoltaikmodulen zu einer »naturschutzrechtlichen Aufwertung« der Fläche komme. Aus dem Acker entwickele sich Grünland, das mit Schafen beweidet werde. Es würden sich außerdem 60-70 neue Pflanzenarten ansiedeln.
Das bekräftigte Hans-Gerhard Gatzweiler, der Mitglied im EGV-Aufsichtsrat ist. Er sprach von einer »deutlichen ökologischen Aufwertung der Fläche«. Gegen die Fotovoltaikanlage sprach sich Peter Gabriel aus, der dem Gemeindevorstand angehört und selbst in Rülfenrod wohnt. Er räumte ein, dass der Ortsbeirat der Bauabsicht grundsätzlich zustimmte, aber Bedingungen daran knüpfte, beispielsweise die Begrünung der Umzäunung und das Schaffen von mindestens vier Wildkorridoren. Er kritisierte, dass die Anlage unmittelbar ans nächste, bebaute Grundstück grenze.
Keine Zeit mehr?
Mit Bezug zum Teilregionalplan Energie Mittelhessen hielt er mindestens 100 Meter Abstand für geboten. Außerdem werde das Landschaftsbild negativ beeinträchtigt und die Anlage sei unverhältnismäßig groß. Mit einer Unterschriftenliste hatten 37 der 88 Einwohner ihre Ablehnung bekundet. Gabriel betonte, dass er keineswegs eine Fotovoltaikanlage ablehne, sondern die Kritik sich gegen den aktuell geplanten Standort richte. Als Alternative brachte er Flächen bei den oberhalb der Ortschaft installierten fünf Windkraftanlagen ins Gesprächen. Diese befänden sich ebenfalls im Eigentum des einen Grundstückseigentümers.
In neue Verhandlungen mit Grundstückseigentümern zu treten, erklärte Mest eine deutliche Absage. Unterstützt von Tim Henkel, dem Fraktionsvorsitzenden der BGG (Bürgergemeinschaft Gemünden) und Björn Stroh, dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung (BGG) stellte er fest, dass dafür in Anbetracht der voranschreitenden Klimaveränderung »keine Zeit« sei.
Stroh wies zudem darauf hin, dass es für Gemünden wichtig sei, zusätzliche Einnahmen durch Fotovoltaikanlagen zu erzielen. Die bereits beschlossenen und in der Verwirklichung befindlichen Projekte, allen voran der Um- und Anbau der Kita in Nieder-Gemünden, erforderten große finanzielle Anstrengungen. Als Beträge, die durch das Fotovoltaik-Engagement in die Gemeindekasse gespült werden, wurden für die Anlage in Ehringshausen 5000 bis 6000 Euro im Jahr genannt und für Rülfenrod 19 000 bis 20 000 Euro in Aussicht gestellt. Eine Änderung des EEG (Erneuerbare- Energien-Gesetz), gesteht den Kommunen ab 1. Januar 2023 eine Einnahme von 0,2 Cent pro Kilowattstunde erzeugten Stroms einer Fotovoltaikanlage pro Jahr zu. Bisher konnte nur profitieren, wer die Flächen dafür verpachten konnte. Eine zusätzliche Einnahmequelle könnte die Gewerbesteuer bringen, wenn eine Betreibergesellschaft für die Solarstromanlagen im Gemeindegebiet angesiedelt ist. Diese zu gründen, stellte Mest in Aussicht.
Er räumte ein, die Planung für Rülfenrod dahingehend zu prüfen, ob die 100 m Abstand zur Wohnbebauung eingehalten werden können. Die Wirtschaftlichkeit wäre dann immer noch gegeben.
Lukas Becker schlug vor, einen gemeinsamen Antrag zu formulieren, der das Gesprächsergebnis aufnehme.
