Freie Häuser sind ruck-zuck weg

Ulrichstein erweist sich als attraktiv für Touristen und Neubürger, wie neue Zahlen zeigen. Ein Sommergespräch mit Bürgermeister Edwin Schneider über Wassernot, Windkraft und Lösungen für alte Problembereiche.
Ulrichstein hat sich in den letzten Jahren stark auf Wandertourismus konzentriert. Wie haben sich die Coronaeinschränkungen ausgewirkt?
Tourismus ist wichtig für die Stadt. Die Leute kommen zum Wandern, sie esssen und übernachten. Ich habe den Eindruck, wir hatten in den vergangenen zwei Jahren deutlich mehr Tagesgäste in Ulrichstein, doch inzwischen können die Menschen wieder andere Reisen unternehmen. Der Besuch ist weniger geworden. In diesem Sommer stellen wir fest, dass der Wohnmobilplatz und das Badebiotop boomen. Gerade das Badebiotop ist wegen des sauberen Wassers sehr gut besucht.
Vor Jahren hat die Stadt extra einen Tourismusmitarbeiter eingestellt, hat sich das Engagement ausgezahlt?
Was wir damals gemacht haben, zahlt sich heute noch aus. Inzwischen verteilt sich die Arbeit der Tourismusförderung auf mehrere Mitarbeiter. Wir wollen die Stelle im nächsten Jahr wieder neu besetzen, es ist besser, wenn das in einer Hand liegt.
Wie beschreiben Sie Besuchern das Profil der Stadt?
Ulrichstein ist Hessen höchst gelegene Stadt, das ist ein Alleinstellungsmerkmal. Seit 1349 ist es eine Stadt mit Marktrechten. Deshalb führen wir heute noch den Jakobimarkt durch, der allerdings früher eine größere Bedeutung hatte. Wir haben eine Burgruine, von der man einen herrlichen Ausblick in das Gießener Becken und bis nach Amöneburg hat.
Was ist mit den früheren Problembereichen Haus Ulrichstein und dem Ferienpark passiert?
Das zeigt, wie sich Dinge entwickeln. Das Haus Ulrichstein ist bereits vor meiner Amtszeit an eine Firma aus Thüringen verkauft worden. Die Ruine wurde abgerissen und es sind sechs herrliche Bauplätze entstanden. Drei sind bereits bebaut. Der bisherige Ferienpark Burgblick hat sich gewandelt. Das ist heute ein Wohngebiet mit über 100 Häusern, in denen die meisten Bewohner ihren festen Wohnsitz haben. Wenn da etwas frei wird, ist das ruck-zuck weg. Sorgen hat mir auch das Zeltlager gemacht, aber auch das hat sich gut entwickelt. Der Verein hat dafür gesorgt, dass es ausgebucht ist, das bringt der Statistik 2000 bis 3000 Übernachtungen.
Das Wahrzeichen der Stadt, die Burgruine, war eine Zeitlang wegen einer eingestürzten Mauer gesperrt, ist der Bestand gesichert?
Der Zustand ist inzwischen sehr okay. Das Land hat die Burgruine übernommen und es läuft im Mauerprogramm mit. Die Mauern dürfen nicht erhöht werden, aber sie werden Stück für Stück saniert. Im vergangenen Jahr wurde das Teilstück an der Bobenhäuser Pforte neu aufgemauert. Der Burgverein hat 50 000 Euro beigesteuert, damit ein längeres Mauerstück hergestellt wird. Der Aufgang zum Turm wurde saniert. Solche Arbeiten werden nun schneller erledigt, das hat früher länger gedauert.
Die Regionalplanung geht ja von einem deutlichen Bevölkerungsschwund in der Stadt aus, wie ist der Trend?
Das hat sich gedreht. Bereits 2015 waren wir unter die 3000er Grenze gerutscht, inzwischen zeigt sich, dass wir die knappen 3000 halten können. Die Kernstadt hat im vergangenen Jahr über 40 Einwohnerinnen und Einwohner gewonnen und was wir an städtischen Baugrundstücken hatten, ist verkauft - das ist enorm. Sogar ältere Häuser finden mehr Zuspruch. Jeden Tag ist mindestens ein Kaufvertrag zur Prüfung des Vorkaufsrechts in der Post.
Bleibt das so?
Ich glaube schon, dass der Boom noch eine Weile anhält. Denn die Häuser im Rhein-Main-Gebiet sind für viele Leute nicht mehr bezahlbar. Die Leute kommen und nehmen dabei längere Fahrzeiten zur Arbeit in Kauf.
Für die Bewohner braucht man Wasser, ein großes Thema der Stadtpolitik. Hat sich da die Lage beruhigt?
Überall, wo ich in Hessen hinkomme, wetrde ich danach gefragt, ob wir genug Wasser haben. In diesem Wochen geben sich die Fernsehteams die Klinke in die Hand. Auch beim Wasserlauf war das Thema wieder in der Öffentlichkeit. Was mich zuletzt geärgert hat, war die Aufforderung der Naturschutzorganisation BUND, in Frankfurt die Bäume mit Leitungswasser zu gießen. Dabei könnte sich Frankfurt stärker selbst mit Wasser versorgen. Hier oben vertrocknen die Bäume und in Frankfurt gießt man mit Vogelsbergwasser die Straßenbäume. Aus der Ohmquelle bei der Kernstadt fließt nur ein Rinnsal. Wenn wir den neuen Brunnen nicht hätten, müssten wir schon wieder Trinkwasser fahren.
Ein Thema, das bei der Bevölkerungsentwicklung eine Rolle spielt, ist die Breitbandversorgung. Geht das voran?
Das ist eine große Sache für Menschen, die nach Ulrichstein ziehen wollen. Es geschieht etwas. In Wohnfeld ist goetel dran, die Hausanschlüsse herzurichten. Danach sollen Unter-Seibertenrod, Feldkrücken, Bobenhausen und Kölzenhain dran kommen. Danach sollen auch die anderen vier Stadtteile mit Glasfaser versorgt werden. In der Kernstadt und Helpershain sind wir über die Telekom mit bis zu 250 Megabit pro Sekunde angebunden. Von der Firma TNG gab es 2020 einige Anstrengungen, davon hört man aber schon länger nichts mehr.
Stichwort Windkraft - was gibt es Neues?
Für das Repowering der Windparks Helpershain und Wohnfeld läuft immer noch das Genehmigungsverfahren. Eine Gesellschaft will am Ulrichstiener Kreuz repowern. Das Genehmigungsverfahren in Helpershain läuft schon drei Jahre, es ist wichtig, dass das schneller geht. Dort ist auch eine weitere Repoweringmaßn nahme geplant, ich hoffe, das sorgt nicht für weitere Verzögerungen.
In diesem Jahr wird die Großgemeinde 50 Jahre alt - ein Grund zu feiern?
Auf jeden Fall, 50 Jahre Großgemeinde sollen gefeiert werden. Es gab bereits im September vergangenen Jahres Gespräche zu Festveranstaltungen, aber es hat sich kein Festkomittee gefunden. Deshalb werden die Veranstaltungen in diesem Jahr zu einer Veranstaltungsreihe zum Stadtjubläum zusammengefasst. Dazu hat bereits die Verlegung der Stolpersteine in Bobenhausen gehört, dazu das Stadradeln, der Jakobimarkt, das Sternwandertreffen, eine Lesung mit Marijana Lecky im Oktober und die Ausstellung Uli Stein. Eine Festveranstaltung mit Übergabe von Ehrungen soll am 15. Oktober in der Stadthalle sein.
