1. Gießener Allgemeine
  2. Vogelsbergkreis
  3. Feldatal

Zusammenhalten in Krisenzeiten

Erstellt: Aktualisiert:

Von: red Redaktion

Kommentare

f_berlin_gr_220322_4c_1
Mit dem Netzwerk der jungen Bürgermeister war Leopold Bach beim Bundespräsidenten. © pv

Feldatal (pm). Corona-Pandemie, Klimawandel und nun auch noch der Krieg in der Ukraine - einerseits scheint es, dass die Kommunen gar nicht mehr aus dem Krisenmodus herauskommen. Andererseits zeigt aktuell der Krieg in der Ukraine mit der größten Fluchtbewegung in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs: Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist groß, das Land rückt zusammen.

Diese beiden Pole hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Auftakt seiner Besuchsreihe »Ortszeit Deutschland« beschrieben. Über das »Zusammenhalten in Krisenzeiten«, »Beispiele aus der aktuellen Flüchtlingshilfe« sowie »Perspektiven nach der Pandemie« diskutierten Vertreter der Kommunen und der Zivilgesellschaft mit dem Staatsoberhaupt zunächst in seinem Amtssitz Schloss Bellevue. Stark vertreten war das Netzwerk junger Bürgermeister, darunter auch der Bürgermeister der Gemeinde Feldatal, Leopold Bach.

Politik, Verwaltung, Ehrenamtliche und Zivilgesellschaft: Alle seien gefordert, hieß es in Berlin. Doch zwei Jahre im Krisenmodus aufgrund der Pandemie hätten Menschen mürbe gemacht. Nicht nur in Vereinen, Verbänden und den Rathäusern. Auch die Familien hätten einen großen Anteil der Lasten zu tragen. Gerade sei absehbar gewesen, dass sich das Leben in Stadt und Land wieder normalisieren würde, da sei der Krieg in der Ukraine ausgebrochen.

Millionen von Menschen sind auf der Flucht, sie müssen untergebracht werden. Knapp 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist wieder Krieg in Europa, vor der Haustür jedes Einzelnen. Trotz Pandemie und ihren Folgen schwappt eine Welle der Hilfsbereitschaft über das Land.

Die Teilnehmer beschrieben in drei Diskussionsrunden die Situation in ihren Kommunen. Menschen stellen Städten und Gemeinden Wohnraum für die Geflüchteten zur Verfügung, sammeln Hilfsgüter, organisieren Transporte. In Feldatal wurde zum Beispiel innerhalb kürzester Zeit das Dorfgemeinschaftshaus Ermenrod zur Unterkunft für Flüchtlinge umgebaut. Viele Freiwillige haben bereits ihre Hilfe angeboten und Unterstützung zugesagt. Kurz: Die Zivilgesellschaft entfaltet ihre Kraft.

Alle zeigten sich überwältigt von der großen Hilfsbereitschaft. Bürgermeister Bach macht deutlich: Deutschland und Europa seien erst am Anfang dieser Krise. Es gehe alsbald darum, die Geflüchteten zu integrieren. Dies verlange eine gute Verzahnung von Haupt- und Ehrenamtlichen. Auf beiden Seiten sei es wichtig, darauf zu achten, dass die Menschen durchaus am Rande ihrer Leistungsfähigkeit seien, so Bach.

In welche Richtung es unter anderem auch für die Kommunen gehen muss, erläuterte Michael Salomo, Sprecher des Netzwerks junger Bürgermeister und Oberbürgermeister von Heidenheim an der Brenz. Er richtete einen dringlichen Appell an den Bundespräsidenten: »Wir müssen die Ausbildungszahlen im öffentlichen Dienst deutlich erhöhen.«

Forderung: Strukturen nicht vernachlässigen

Dies gelte vor allem für den höheren und gehobenen Dienst. Hier geben der Bund und die Länder durch die Studienplätze an den Verwaltungshochschulen die Linie beziehungsweise Kapazitäten vor. Doch diese seien erheblich zu wenig. »Wir dürfen die hauptamtlichen Strukturen nicht vernachlässigen«, sagte Salomo, »die kleinen und mittleren Kommunen bluten personell aus.« Der Heidenheimer wies insbesondere vor dem Hintergrund der bereits jetzt beginnenden Diskussionen über die Schaffung von Wohnraum für die Geflüchtete sowie ihre Integration, den Umgang mit dem Klimawandel und eben die Zeit nach der Pandemie auf das Dilemma in Städten und Gemeinden hin.

Was nütze es, beispielsweise Konzepte für zusätzliche Wohnungen vorzulegen, wenn es in den kommunalen Verwaltungen niemanden gebe, der darüber entscheiden könne, weil beispielsweise Stellen im Bauamt nicht besetzt werden könnten?

Mönchengladbachs Oberbürgermeister Felix Heinrichs machte darauf aufmerksam, dass die Kommunen gerade finanziell viel zu schultern hätten, durch die Pandemie jedoch einen noch größeren Schuldenberg angehäuft hätten. Viele Teilnehmer forderten deshalb eindringlich, Städte und Gemeinden finanziell besser zu stellen. Wenn diese mehr Spielraum hätten, könnten sie gerade das Ehrenamt stärken - und zwar nicht nur in Vereinen und Verbänden, im Sport, in der Kultur. Ehrenamt bedeute auch, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren. Im Orts- oder Gemeinderat, in den Ausschüssen und anderen Gremien werde letztlich die Basis für die Demokratie geschaffen.

Auch interessant

Kommentare