Erinnern als Mahnung für heute

Feldatal-Kestrich (hso). 84 Jahre ist es nun schon her, dass sich die schrecklichen Ereignisse der Nacht vom 9. auf den 10. November jähren. In dieser Nacht brannten in ganz Deutschland Synagogen und brachte danach unsägliches Leid über die jüdische Bevölkerung Deutschlands. Auch in Kestrich wurde die kleine Landsynagoge im Inneren stark zerstört.
Dass die Synagoge in Kestrich heute noch steht, habe man dem Eingreifen von Rudolf Weifenbach aus Kestrich zu verdanken, welcher die Kestricher NS-Leute aus Angst um seinen Bauernhof von der Brandschatzung abhielt, war von Ernst Uwe Offhaus, dem Vorsitzenden des Vereins »Historisches Feldatal« zu hören.
Klezmer gespielt
Offhaus hatte zuvor die versammelte Gemeinde begrüßt. Sehr erfreut war er über den Besuch der aktuellen Konfirmanden aus dem Gruppenpfarramt Vogelsberg. Auch die erstmalige musikalische Begleitung durch Klarinettistin Annette Tröller aus Ruppertenrod, die mit ihrer »Klezmer- Musik« zwischen den einzelnen Redebeiträgen diese Gedenkveranstaltung bereicherte, sorgte für eine weitere Besonderheit an diesem Abend.
Uwe Offhaus erklärte den Besuchern kurz die Geschichte der Synagoge und einige jüdische Sitten und Bräuche. So erfuhr man, dass die Frauen oben auf der Empore saßen und nur über einen separaten Eingang ihren Platz erreichten und die Männer immer unten saßen. Das »Erinnern« stand bei der Ansprache von Bürgermeister Leopold Bach im Mittelpunkt. »Wir kennen das Leid dieser Menschen »nur« noch aus Erzählungen unserer Großeltern, Urgroßeltern und weiterer Zeitzeugen, die wir zum Beispiel in der Schule kennenlernten«, so Bach weiter. Eindrückliche Bilddokumente sehe man in der Schule, gelegentlich in Kirchen, musealen Einrichtungen und manchmal auch im Fernsehen. Bach wünschte sich am Ende, dass dieses Erinnern dazu führt, dass sich viele Menschen damit auseinandersetzen, wo wir heute stehen. »Wie wir uns gegenüber den Nachbarn, den Einkommensschwachen, den Flüchtlingen in unserem Land, den Andersgläubigen und den anders Aussehenden gegenüber verhalten.« Er schloss mit einem Zitat vom ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl: »Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.«
Nach dem Fürbittengebet von Pfarrerin Nena Raab begab man sich vor die Synagoge. Hier verlas sie die 21 Namen der jüdischen Bewohner aus Kestrich, die in den verschiedenen Konzentrationslagern ermordet wurden oder verschollen sind.
Auffallend bei den Namen, dass es sich meist dabei um Paare und ganze Familien handelte. Für jeden Namen legten die Konfirmanden einen kleinen Gedenkstein, wie es jüdischer Brauch beim Besuch eines Grabes ist, am Mahnmal nieder. Im Namen der Gemeinde legte auch Bürgermeister Bach ein Blumengebinde dort nieder.