»Es war eine extreme Amtszeit«

Nach sechs Jahren endet die Amtszeit von Claudia Blum (SPD) als Bürgermeisterin von Homberg. Nicht ganz freiwillig, sie hätte gern weitergemacht. Nach einer krankheitsbedingten Auszeit und anschließender Reha blickt Blum im Gespräch zurück: »Bei den politischen Rahmenbedingungen ergab es für mich keinen Sinn mehr, weiter Bürgermeisterin zu bleiben.
« Trotzdem fühlt sie sich wieder stark genug, etwas Neues anzufangen.
Frau Blum, wie geht es Ihnen jetzt?
Mir geht es gut. Die Reha in Bad Kissingen war genau das Richtige. Ich habe mich erholt und bin gestärkt. Viele sagen zu mir, schön, dass du wieder lachen kannst!
Haben Sie Ihre Entscheidung bereut, nicht mehr anzutreten?
Nein, meine Entscheidung, nicht erneut zu kandidieren, bereue ich nicht. Ich habe im letzten Jahr sehr intensiv über die Kandidatur nachgedacht, im Sommer 2021 diese Entscheidung getroffen und nach den Sommerferien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Magistrat und Öffentlichkeit informiert. Bei den politischen Rahmenbedingungen in Homberg ergab es für mich keinen Sinn mehr, weiter Bürgermeisterin zu bleiben. Das Amt allein ist schon herausfordernd, in Hessen fast noch mehr als in anderen Bundesländern. Man ist direkt gewählt, aber hat dafür relativ wenig Rechte. Als Bürgermeisterin muss man sich um drei Bereiche kümmern: Verwaltungsleitung, Gremienarbeit und natürlich die Bürgerinnen und Bürger. Und in allen Bereichen nehmen die Ansprüche zu. Als Homberger Besonderheit kam noch das durch einzelne Personen verursachte schlechte politische Klima in der Stadtverordnetenversammlung dazu, darüber hinaus Strafanzeigen, die alle eingestellt wurden, weil sie jeder Grundlage entbehrten, und persönliche Anfeindungen.
Was waren noch Gründe?
Wir hatten eine Riesenbelastung in der Verwaltung durch die extrem vielen Versammlungen im Rahmen der A49-Proteste. Das hat das schlechte Klima noch verschärft. Ich sah mich extremen Angriffen gegenüber. Ich habe das Protestpotenzial unterschätzt. Es handelt sich um eine Baumaßnahme des Bundes, also hätte auf der bzw. gegen die Bundesebene protestiert werden müssen, es hat sich jedoch gezeigt, dass sprichwörtlich den Letzten die Hunde beißen und wir vor Ort die Proteste ausbaden mussten. Das hätte ich in diesem Ausmaß nie erwartet, mit dieser Situation war auch nicht zu rechnen. Die Proteste im Dannenröder Forst gingen ja bundesweit durch alle Nachrichten. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig, das die Klage des BUND abgewiesen hatte, dachte ich, jetzt muss doch jeder Protestierende einsehen, dass der Bau der A49 rechtmäßig ist, und demokratisch gefällte Entscheidungen akzeptieren und daher die Proteste einstellen, aber es ging weiter. Der Konflikt wurde auch ins Stadtparlament getragen. Ich kann die Ängste und die große Verunsicherung nachvollziehen, aber an manchen Stellen wurde aus einer Mücke ein Elefant gemacht, etwa beim Meiserholzweg. Es gab Fehler in der Verwaltung, keine Frage. Der Antrag zur Feldwegenutzung wurde als normaler Verwaltungsvorgang eingeschätzt und so behandelt. Hätte ich die Genehmigung vorher gesehen, wäre sie so nicht rausgegangen. Aber es war nicht der Riesenfehler, als der er insbesondere von Autobahngegnern in der Stadtverordnetenversammlung dargestellt wurde. Es ist kein Schaden für die Stadt entstanden, der beschädigte Teil des Meiserholzwegs wird von der Bau-Arge wiederhergestellt. Die schriftliche Sanierungszusage liegt vor.
Was ist mit dem Erdwall?
Es hätte eine Lösung geben können, wenn alle an einem Strang ziehen. In Schwalmstadt-Frankenhain war das so, dort konnte in einem einfacheren Verfahren ein Wall in Form eines Hügels errichtet werden. Auch in Appenrod wäre das prinzipiell möglich gewesen, aber vor einem Bauleitplanverfahren sollte noch ein dialogorientiertes Verfahren vorgeschaltet werden, das kostet Zeit und verkompliziert das Verfahren und hat zur Aufgabe des Vorhabens durch die Bau-Arge geführt.
Haben Sie die Situation unterrschätzt?
Das ganze Ausmaß durch die A49-Proteste und auch durch die Corona-Pandemie war zum Zeitpunkt meiner Kandidatur 2015 nicht vorhersehbar. Deshalb war es eine extreme Amtszeit. Dazukamen die schon angesprochenen Rahmenbedingungen und einzelne destruktiv handelnde Personen. Ich hätte sonst gern noch eine zweite Amtszeit gemacht und sage deshalb »schade«. Denn auf dem bisher Aufgebauten hätte ich jetzt weiterarbeiten können.
Auch die Pandemie kam noch dazu?
Die Corona-Zeit haben wir in der Verwaltung gut gemeistert. Wir haben uns immer angestrengt, einen Service für die Bürger aufrechtzuerhalten und Lösungen zu finden. Besonders in den Kitas ist uns das gut gelungen. Durch Ausnutzung aller verfügbaren Räume wurden so viele Kinder wie möglich betreut. Auch der Betriebsführungsvertrag für das Freibad hat sich bewährt, und das nicht nur unter Corona-Bedingungen.
Was ist gut gelungen?
Es ist einiges bewegt worden, Beispiel Drogeriemarkt, Radweg, Mehrgenerationenhaus Ober-Ofleiden und Welckerwiesenweg, Brücke Pletschmühle, Feuerwehrgerätehaus Dannenrod, neue Baugebiete. Dazukommen Maßnahmen zum Umwelt- und Klimaschutz wie die Installation einer PV-Anlage auf dem Dach der Kläranlage, die energetische Sanierung der Kläranlage, die Umsetzung des Klimaschutz-Teilkonzeptes. Dazu haben wir wichtige Satzungen neu geregelt wie die für die Kindertagesstätten. Die Vereinsförderrichtlinien wurden neu konzipiert mit einfachen pragmatischen Regelungen. Dazukommt der Bedarfs- und Entwicklungsplan für die Feuerwehren. In Sachen Blühwiesen waren wir einer der Vorreiter. In meiner Amtszeit sind neue Veranstaltungen und erfolgreiche Kooperationen entstanden wie Schlossfestival, Neubürger- und Neugeborenenempfang oder der Honig von unseren Blühwiesen, eine sehr gelungene Kooperation mit einem Imker. Auch das Projekt mit dem Gewerbeverein zum Verkauf von Corona-Ohmtalern zur Unterstützung der besonders durch die Corona-Pandemie betroffenen Unternehmen ist eine Erfolgsgeschichte. Besonders freut es mich, dass wir Fördermittel für die Dorf- und Stadtentwicklung generieren konnten. Die Dorfentwicklung ist kürzlich mit der Steuerungsgruppe und der Auswahl eines Unternehmens gestartet, Zukunft Innenstadt wird ebenfalls in 2022 starten.
Was bleibt noch als gut in Erinnerung?
Vor allem werden mir die vielen schönen Begegnungen mit den Menschen in Erinnerung bleiben und das Gefühl, helfen und Dinge voranbringen zu können. Und dass auf ehrenamtlicher Ebene in ganz Homberg so viel geleistet wird: in den Ortsbeiräten, den Feuerwehren und den Vereinen.
Wie geht es bei Ihnen beruflich weiter?
Ich strebe eine neue berufliche Herausforderung in einer Leitungsfunktion an. Zunächst möchte ich jedoch mein Bürgermeisteramt zu einem guten Abschluss bringen. Dazu gehört, die Übergabe an meine Nachfolgerin gut vorzubereiten. Mit Frau Ried habe ich Übergabegespräche geführt und der Erste Stadtrat Michael Rotter ist durch die Vertretungszeit in alle aktuellen Dinge involviert. Als mein Vertreter hat er sehr gute Arbeit geleistet, dafür bin ich ihm sehr dankbar. Wir hatten Arbeitsteilung vereinbart: Er übernimmt die Sitzungen und ich kümmere mich um laufende Geschäfte in der Verwaltung.
Geben Sie Ihrer Nachfolgerin Ratschläge?
Nein. Wir haben über anstehende Dinge gesprochen wie etwa den Haushaltsplan und die großen Projekte. Frau Ried findet eine gut aufgestellte Verwaltung vor und übernimmt ein gut bestelltes Haus. Genau wie ich damals, wird Frau Ried in der Verwaltung gut aufgenommen werden, es gibt ein sehr offenes Klima und eine große Hilfsbereitschaft. Wir haben es in den letzten Monaten geschafft, einige Stellen neu zu besetzen, so konnten wir einen neuen Bauamtsleiter gewinnen. Eine Bürgermeisterin oder ein Bürgermeister ist nur so gut wie die Menschen, die mit ihr oder ihm arbeiten.
Was bleibt?
Für mich ist es wichtig, auf das Positive zu schauen und das Beste aus jeder Situation zu machen. Jede und jeder muss seinen eigenen Weg finden. Wenn man kandidiert, kann man nicht vollständig absehen, was mit dem Amt alles verbunden ist und welche Herausforderungen es bringt. Es gibt in Homberg weiter große Projekte zu stemmen und es bleibt zu hoffen, dass künftig in der Stadtverordnetenversammlung mehr Sachlichkeit und ein respektvoller Umgang einkehren.