»Es gibt einen Investitionsstau« – Daniel Müller über seine Pläne als künftiger Bürgermeister von Gemünden

Kurz nach seinem 29. Geburstag beginnt für Daniel Müller eine neue, große Aufgabe: Am 1. Mai 2022 wird er den Chefsessel im Gemündener Rathaus einnehmen. »Man darf Erfahrung und Alter nicht gleichsetzen«, betont er und erzählt im Interview, welche Ziele er für seine erste Amtszeit hat.
Herr Müller, was hat den Ausschlag dafür gegeben, dass Sie bei der Bürgermeisterwahl so viel Zuspruch bekommen haben?
Ich denke, das war der Mix aus allem. Dass ich die fachliche Qualität mitbringe, noch jung bin und voller Tatendrang stecke. Außerdem denke ich, dass es auch eine Rolle gespielt hat, wie ich den Wahlkampf gestaltet habe: Ich habe mehrere Monate klassischen Haustürwahlkampf gemacht, gleichzeitig aber auch Social Media miteinbezogen und Pressemitteilungen verschickt.
Haben Sie auch Vorbehalte erfahren, eben weil Sie noch so jung sind?
Sicherlich gibt es den einen oder anderen, der denkt, dass ich zu jung bin. Ein einziger hat mir auch direkt gesagt, dass er mich deshalb nicht wählen wird. Dem habe ich entgegnet, dass ich der einzige der drei Kandidaten bin, der die Erfahrung und Kompetenz mitbringt. Man darf Erfahrung und Alter nicht gleichsetzen. Den Leuten, die denken, dass ich zu jung bin, werde ich jetzt beweisen, dass ich für dieses Amt geeignet bin.
Sie haben vor allem mit Ihrer Erfahrung in der Verwaltung geworben.
Ja, gerade in einer kleinen Kommune wie Gemünden muss jeder mit anpacken - auch der Bürgermeister. Und es gibt zwei einfache Verwaltungsgrundsätze: Nicht ohne und nicht gegen ein Gesetz arbeiten. Die Gesetze und komplexen Verwaltungsverfahren kann man sich nicht auf die Schnelle aneignen.
Sie wollten im Wahlkampf an jeder Tür klingeln. Hat das geklappt?
Ja. Ich war so ziemlich an jeder Tür, aber ich habe natürlich nicht jeden angetroffen. Ich habe dann einen Flyer in den Briefkasten geworfen und kommuniziert, dass mich die Leute gerne kontaktieren dürfen. Und das haben auch einige gemacht, ob es per Mail war, per WhatsApp, telefonisch oder auf Facebook.
Welche grundlegenden Probleme beschäftigen die Menschen?
Das Thema Kinderbetreuung ist sicherlich eines. Einige haben erzählt, dass der Ausbau angekündigt wurde als ihre Kinder klein waren und sie inzwischen gar keine Plätze mehr benötigen, weil die Kinder in der Schule sind.
Hätte die Kita-Erweiterung schneller umgesetzt werden können?
Ja, ich glaube nicht, dass es so viele Jahre hätte dauern müssen. Wo die Probleme genau liegen, kann ich natürlich noch nicht sagen. Aber ich denke, man hätte auf jeden Fall mehr machen können.
Sie sind nach Ihrem Umzug rasch kommunalpolitisch aktiv geworden. Warum bei der BGG?
Das hat sich so ergeben. Der Fraktionsvorsitzende Tobias Reitz und ich haben uns immer auf dem Sportplatz getroffen und dort über alles Mögliche gesprochen. Er wusste, dass ich aus der Verwaltung bin und hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, bei der BGG mitzumachen. Die BGG hatte den Generationswechsel schon angegangen. Da waren viele Jüngere und ich habe mich mit allen gut verstanden. Man konnte gut diskutieren und kam oft auf den gleichen Nenner.
Und wie kam es zu dem Entschluss Bürgermeisterkandidat zu werden?
Den Gedanken, dass ich irgendwann mal das Bürgermeisteramt begleiten möchte, gab es schon lange, wahrscheinlich schon länger als ich in der Verwaltung arbeite. Ich habe daraus nie einen Hehl gemacht, es aber auch nicht direkt forciert. Nun hat sich alles zusammengefügt: Ich war in Gemünden kommunalpolitisch aktiv und mir war klar, dass die Stelle des Bürgermeisters vakant sein wird. Ich bin der Meinung, dass das der richtige Zeitpunkt war.
Welche Potentiale sehen Sie in Gemünden?
Ich denke, wir haben in Gemünden den Vorteil, dass die Bürgerinnen und Bürger sehr offen sind. Ein Großteil ist heimatverbunden und will sich einbringen. Ich glaube, dass man dadurch sehr viele Dinge angehen kann. Außerdem hat Gemünden eine gute Lage und mit den Bahnhöfen und der Nähe zur Autobahn eine super Infrastruktur, auch wenn sie noch ausgebaut werden muss.
An was denken Sie?
Wir brauchen neue Baugebiete und neue Gewerbegebiete, damit wir mehr Zuzug bekommen. Und die Leute, die zuziehen, müssen wir direkt abholen. Es darf nicht so sein, dass sie ewig Zugezogene bleiben.
Wie erreicht man das?
Ich denke, es sollte eine Art Forum geben, damit insbesondere die Zugezogenen einen Blick dafür bekommen, was es in der Gemeinde gibt. Dazu gehört natürlich der digitale Auftritt der Gemeinde. Dort sollten sich die Vereine und Gewerbetreibenden präsentieren, damit jeder weiß, an wen man sich wenden kann. Ideal wäre es, auch einen realen Begegnungspunkt zu schaffen, etwa in regelmäßigen Abständen in der Mehrzweckhalle. Ich denke, dann ist für so ziemlich jeden etwas dabei.
Was kann die Gemeinde tun, um auch die Ortskerne zu erhalten?
Wir wollen die Leute auch dazu bringen, alte Häuser zu kaufen und zu sanieren, um die Ortskerne zu erhalten. Da ist auch wieder die digitale Darstellung wichtig. Es geht um Vermarktung. Wir müssen den Leuten zeigen, warum es hier so lebenswert ist. Ich denke nicht, dass unsere finanzielle Lage zulässt, dass wir eigene kommunale Förderprojekte ins Leben rufen, aber wir können vermittelnd tätig werden, zum Beispiel was den Bereich des Denkmalschutz angeht und den Dialog mit den Fachbehörden moderieren.
Welche fünf Dinge wollen Sie in Ihrer Amtszeit umsetzen oder verändern?
Das sind zum einen die Projekte, die schon angestoßen sind, die ich aber umsetzen möchte: also die Kindergartenerweiterung und das Bahnhofsumfeld in Nieder-Gemünden. Außerdem die digitale Darstellung der Gemeinde, die wohl einer der ersten Punkte sein wird, weil es ja auch nicht so einen großen finanziellen Umfang hat. Ich würde gerne weitere Gewerbeflächen erschließen. Das fünfte wäre, das Radwegenetz ausbauen. Wir müssen da jetzt ran, weil man aktuell viele Möglichkeiten hat, um an Fördermittel aus verschiedenen Töpfen zu kommen.
Die BGG hat Kritik an den Plänen zur Umgestaltung des Bahnhofumfeldes geäußert. Was stellen Sie sich für das Areal vor?
Der Plan sah ganz schick und nett aus, war aber veraltet. Uns hat insbesondere die Berücksichtigung der E-Mobilität gefehlt. Also haben wir gesagt, dass nachgebessert werden muss. Wenn wir so viel Geld in die Hand nehmen, sollte das Ganze nach neuestem Stand geplant sein und nicht bei Baubeginn schon veraltet.
Was ist Ihnen bei der Gestaltung noch wichtig?
Es muss eine zweckmäßige Lösung sein. Das war aber in den Plänen schon ganz gut, auch die grundsätzliche Aufteilung war okay. Allerdings geht es auch um vorausschauendes Handeln. Da die Elektromobilität wahrscheinlich weiter zunehmen wird, müssen wir dafür sorgen, mit einfachen Mitteln weitere Ladesäulen nachrüsten zu können. Deswegen müssen wir jetzt schon Leerrohre und Unterkonstruktionen vorbereiten.
Wie sehen Sie die Gemeinde finanziell aufgestellt?
Es wird nicht ohne Förderungen gehen. Die müssen wir auf jeden Fall irgendwo generieren. Und am Ende wird es natürlich auf Investitionskredite hinauslaufen. Die Gemeindefinanzen sind solide aufgestellt, aber der solide Stand kommt eben auch daher, dass viele Investitionen bislang nicht getätigt wurden. Es gibt einen großen Investitionsstau und den müssen wir jetzt sukzessive abarbeiten. Es kann nicht das Ziel sein, weiter zu sparen.
Bis Ende 2022 müssen Kommunen Dienstleistungen auch digital anbieten. Schafft Gemünden das?
Ich hoffe es, aber ich kenne den Ist-Stand im Rathaus nicht und weiß noch nicht, welche Programme wo im Einsatz sind. Das ist eine Aufgabe, die sehr viele Ressourcen bindet. Bislang bin ich tatsächlich noch skeptisch: Ich gehe davon aus, dass die wenigsten Kommunen das Onlinezugangsgesetz tatsächlich bis dahin umgesetzt haben - vor allem kleinere Kommunen.
Wie bereiten Sie sich auf Ihren neuen Job vor?
Dadurch, dass ich erster Beigeordneter bin, habe ich ich ja schon die Vertretung des Bürgermeisters in seiner Abwesenheit. Wir werden aber sicher eine Übergangsphase zur Einarbeitung finden. Ich verstehe mich sehr gut mit ihm und er hat gesagt, dass er mich unterstützt. Den Ablauf werden wir mit allen Beteiligten besprechen, auch mit meinem Arbeitgeber. Grundsätzlich werde ich aber bis zum 30. April meine Stelle bei der Stadt Grebenau innehaben.
Sie sind Sitzungspräsident beim Faschingsverein in Groß-Felda und in vielen Vereinen aktiv. Werden Sie das alles weiterführen?
Ich habe grundsätzlich den Anspruch: Wenn ich etwas mache, möchte ich es richtig machen. Und ich weiß noch nicht, ob das miteinander vereinbar ist - insbesondere der Sitzungspräsident mit dem Bürgermeister. Mir ist die Faschingskultur sehr wichtig. Die muss man leben. Das ist sehr viel Zeit, die man aufbringen muss - und ich weiß noch nicht, ob die Zeit dafür da ist.
Daniel Müller
Daniel Müller arbeitet als Verwaltungsfachangestellter bei der Stadt Grebenau und macht derzeit eine Fortbildung zum Verwaltungsfachwirt, die er im Frühjahr abschließen wird. 2020 ist Müller von Groß-Felda nach Nieder-Gemünden gezogen. Als Kandidat der Bürgergemeinschaft Gemünden (BGG) setzte sich der 28-Jährige bei der Bürgermeisterwahl Ende September mit gut 75 Prozent der Stimmen gegen die parteilosen Kandidaten Gerhard Kaminski und Olaf Pior klar durch. (lkl)