Erdbeeren frisch vom Feld

Mitte Mai hielten die Wetterprognosen, die anhaltenden Folgen und Preisentwicklungen der Corona- und Ukrainekrise die Erdbeerbauern im Kreisgebiet in Sachen Ernteertrag noch sehr in Schacht und buchstäblich im Dunklen. Mit Einzug der sommerlichen Temperaturen hat sich das Blatt gewendet: Zu Besuch auf dem Erdbeerfeld an der B254 vor Alsfeld-Altenburg (Richtung Lauterbach) bei den Betreibern Jan und Fabienne Klein.
Seit Ende Mai bietet sich am Rande des Neubaugebiets Altenburg an der Bundesstraße nach Lauterbach von Montag bis Sonntag morgens und gehäuft nach Feierabend das gleiche Bild: auf einem der Straße zugewandten Landstreifen des ein Hektar großen Feldes stehen ein paar Autos herrenlos zusammen, während die Fahrer - mitunter in Begleitung - mit Körben, Wannen, Eimern und Schüsseln inmitten der Pflanzenreihen in die Hocke und auf die Knie gehen, bisweilen gar manches Hinterteil auch der Sonne entgegenstrecken, um ihre mitgebrachten Gefäße mit den fruchtig süßen Früchten zu füllen.
Es dauert gar nicht lange, bis die Behältnisse voll und die Sammler zufrieden sind. Die Ausbeute reicht für den frischen Nachmittagskuchen, für das Marmelade kochen, das Einfrieren oder eine andere Art der Verarbeitung.
»Wir haben ein gutes Erdbeerjahr. Es gab keine Spätfröste, keinen Hagel und die Sommersonne meint es besonders gut in Sachen saftiger Fruchtgeschmack«, eröffnet Jan Klein an seinem Verkaufsstand die Einsichten in sein saisonales Erdbeerparadies mit verschiedenen Sorten der kalorienarmen Obstsorte. Es ist Mittwoch, Mittagspause, seine Frau Fabienne, vor allem aber die knapp ein Jahr alten Zwillinge Elli und Ida leisten den Eltern sichtbar mit Freuden Gesellschaft. Schließlich sind auch die Kleinen bereits dem elterlichen Naschwerk auf die Schliche gekommen und genießen Papas Erdbeeren pur oder mit Joghurt in vollen Zügen, während die Erwachsenen die Früchte am liebsten frisch vom Strauch, und zur Kaffeezeit den frisch belegten, klassischen Erdbeerkuchen mit einem Kleks Sahne sehr gerne mögen.
Es ist Erdbeer-Hochzeit in Alsfeld und das wiederum nicht nur bei Familie Klein, sondern in vielen Haushalten der Region weit über die Kreisgrenzen hinaus - gemessen an den Autokennzeichen auf der Parkfläche. Stammkunden kommen seit Jahren aufs Feld zum Erdbeeren pflücken, Kuchenfreunde und Genießer sind jede Woche dort. Zufällig Vorbeifahrende auf der Durchreise legen ohne Weiteres einen Zwischenstopp zum Kauf eines oder mehrerer Schälchen Erdbeeren ein.
Preis stabil gehalten
Ein Alsfelder Kindergarten und einige Familien machen den Besuch des Erdbeerfeldes mit Begeisterung zu einem »Schlaraffenland ähnlichen Erlebnis« mit Naschen ohne Ende. »Und das ist ihnen auch erlaubt - bei uns kommen die Leute nicht im Vorher/ Nachher-Wiegemodus auf die Waage«, flachst Jan Klein mit Augenzwinkern. Und dann gibt es noch die ein oder andere Eisdiele, das Café und Restaurant im Umland, in denen die sonnengereiften Erdbeeren von Familie Klein gerade das I-Tüpfelchen sind zur sündigen Versuchung.
Seit Corona und des Ukrainekrieges habe sich vieles verändert, die massiven Preissteigerungen gingen an niemandem spurlos vorüber. Auch nicht im Anbau von Erdbeeren, die alles andere als pflegeleicht sind. Die Betriebskosten seien enorm gestiegen. »Rohstoffe, Dieselsprit, Düngemittel allein die Fruchtschalen haben rapide an Wert zugelegt«, sagen die Eheleute Klein ganz offen. Dennoch bieten sie ihre appetitlichen Hingucker mit hohem Vitamin-C-Gehalt »wie gehabt« zum gleichen Preis an wie in der Vergangenheit. »Wir haben uns vor Start der Saison natürlich intensiv mit der gesamten Entwicklung der Wirtschaftslage auf der einen Seite, sowie der Position des Endverbrauchers auseinandergesetzt und bewusst für unsere Kundschaft entschieden«, sind sich die Erdbeerbauern über den stabil gehaltenen Preis einig.
Infolge ihrer täglichen Wahrnehmungen auf dem Freiland aber sehen Jan und Fabienne Klein heute die Bestätigung, dass die Entscheidung richtig war: »Die Zahl der Erdbeer-Pflücker ist in der Summe zurückgegangen. Ein höherer Verkaufspreis würde das Fernbleiben sicherlich nochmals verstärken«, ziehen die Obstbauer ein Fazit aus ihren Gesprächen mit den Leuten. Viele Menschen kauften heute bewusster, achteten dabei auf die Qualität und Nachhaltigkeit im Preis-Leistungs-Verhältnis. Eine Vielzahl an Freiland-Kunden hätte eben nur ein gewisses Budget im Geldbeutel und müsse damit haushalten. Die Kostenexplosion mache jenen den Alltag ohnehin nicht leicht, der Gang aufs Erdbeerfeld biete ihnen nochmals die Möglichkeit, ein paar Cent zu sparen, so die Rückmeldungen der dankbaren Kundschaft. Zugleich lässt eine weitere Betrachtung durch eine zufällig anhaltende Frau aus Itzehoe nicht lange auf sich warten: »Die importierten Erdbeeren aus Spanien schmecken lange nicht so gut, wie frisch gepflückte Früchte vom Feld. Das schmeckt nach Sonne und Heimat«, freut sich die Dame über die Chance, auf dem Weg zu ihrem Sohn bei Familie Klein noch zwei Schälchen Erdbeeren erwerben zu können.
Ein Blick ins Erdbeerfeld lässt das Herz aufatmen: Bis zum Ende der Erdbeersaison sind noch genügend Früchte an den Stauden und warten darauf, geerntet zu werden. Frei nach dem Motto »erst hol« ich dich, dann hab« ich dich, dann nasch« ich dich.«