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Energiewende ohne Turbo

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Von: Joachim Legatis

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Regenerativer Strom aus dem Vogelsberg: Abseits der Ortslage von Ehringshausen hat die Energiegenossenschaft nahe der Bahnstrecke und der Autobahn eine Photovoltaikanlage mit einer Gesamtleistung von 3,3 Megawattpeak gebaut. © Red

Strom aus Wind und Sonnenstrahlung ist in Zeiten des Ukrainekriegs und der russischen Gaskrise im Trend. Doch ist es immer noch schwierig, im Vogelsberg neue Solarparks und Windkraftanlagen zu errichten, wie die Energiegenossenschaft Vogelsberg erfahren muss.

Deutschland will weg von Gas, Atomkraft und Kohleverbrennung in eine Zukunft mit Windkraft, Solarenergie und Wasserstoff. Doch im Vogelsberg ist es immer noch ein zähes Unterfangen, Windräder aufzustellen und Solarparks zu installieren.

»Es nützt uns nichts, wenn Herr Habeck in Berlin das will, aber die Parlamente in den Kommunen dagegen sind«, sagt Günter Mest über Schwierigkeiten beim Genehmigen von Freiflächen-Photovoltaikanlagen.

Der Geschäftsführer der Energiegenossenschaft Vogelsberg sagt, dass viele Landwirte Flächen anbieten, aber einige Kommunen keine Genehmigungen erteilen. Die EGV ist an vier Windkraftanlagen beteiligt und betreibt sieben Solarparks. Die Gewinne werden an beteiligte Mitglieder ausgeschüttet. Doch der Ausbau der Erneuerbaren kommt nur zäh voran, so Mest.

Immerhin sollen in diesem Monat noch zwei Anlagen bei Ehringshausen und Neustadt ans Netz gehen. Eine positive Botschaft ist, dass nun auch Alsfeld Solarparks im Stadtgebiet zulassen will. Die Genehmigung für Windparks wird über das Regierungspräsidium erteilt, bei Solaranlagen in der Landschaft sitzen die Städte und Gemeinden am Hebel. »Viele Kommunen im Vogelsberg wollen bislang keine Freiflächenanlagen«, bedauert Mest. Das beginnt sich erst langsam zu ändern.

Viel Interesse

von Landwirten

Dabei sind Landwirte ausgesprochen interessiert an der Energie von der Wiese, »damit lassen sich erheblich höhere Erlöse als mit der Landwirtschaft erzielen. An die 40 Eigentümer von Flächen sind an die EGV herangetreten, um Gelände langfristig zu verpachten. Dann klärt Mest mit den Bürgermeistern ab, wie es um eine Genehmigung aussieht. »In den letzten zwei bis drei Jahren haben wir von einzelnen Kommunen ein klares Nein bekommen.«

Der Rückenwind für erneuerbare Energien aus Berlin führt also nicht dazu, dass gleich neue Projekte in Angriff genommen werden. Oft wird der Bau von Solarparks abgelehnt, weil man vor Ort das Landschaftsbild schützen will. Andererseits ist die Energieversorgung inzwischen eine Frage der nationalen Sicherheit.

Eigentlich müsste jetzt massiv die Stromerzeugung aus Wind und Sonneneintrag forciert werden. Das ist aber eher unwahrscheinlich. Denn schon unter normalen Umständen dauert der Bau eines Solarparks ein gutes Jahr, durch Lieferengpässe und ausgelastete Handwerker sind es inzwischen »eher zwei Jahre«, so Mest.

Die Alternative sind PV-Anlagen auf den Dächern von Häusern und Hallen. Dann ist allerdings die Stromerzeugung kleinteiliger und teurer. Für Hauseigentümer lohnt sich die Installation einer PV-Anlage, für die Genossenschaft ist eine solche Kleinanlage für 10 000 bis 15 000 Euro nicht wirtschaftlich. »Das bleibt am besten in der Hand des Hauseigentümers«, sagt Mest. Ideal wären PV-Anlagen auf Kühlhallen, aber die Unternehmen haben oft kein Interesse an dieser Form der Eigenstromerzeugung.

Lange Verfahren

bei Windkraft

So setzt die EGV auf große Flächenanlagen wie diejenige an der Bahnstrecke nahe Ehringshausen. Dort wird eine Spitzenleistung von 3,3 Megawatt erreicht. Die neue Anlage bei Neustadt kommt auf 1,4 MWpeak. Zum Vergleich: Die Anlage auf einem Hausdach hat um die 10 KWpeak. Ein Zusatzproblem sind die langen Wartezeiten, den die Monteure »können sich vor Anfragen nicht mehr retten«. Viele Hauseigentümer wollen sich gegen die Unsicherheiten in Zeiten des Ukrainekriegs und der russischen Gaskrise absichern.

Schwierig ist auch die Lage bei den Windenergieanlagen. Da dauern die Zulassungsverfahren lange Jahre. So hat die EGV für eine Fläche bereits im Jahr 2014 einen Pachtvertrag geschlossen uind hofft, in diesem Jahren den Bauantrag stellen zu können. Bei manchen Genehmigungsbehörden »scheint es eine Entscheidungsangst zu geben«, vermutet Mest.

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