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Ein Schlafplatz in der Not

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Von: Sophie Röder

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Benedikt Weber arbeitet bei der Fachberatungsstelle von La Strada. Er ist einer der Ansprechpartner für Menschen, die ihre Wohnung verloren haben oder kurz vor dem Verlust stehen. Bis sie wieder eine eigene Bleibe haben, können die Vogelsberger im Übergangswohnheim unterkommen. © Sophie Mahr

Wer eine neue Wohnung sucht, braucht oftmals einen langen Atem. Und das nicht nur in der Großstadt. Doch nicht immer ist die Zeit dafür. Für Menschen, die ihre Wohnung verloren haben, steht die Tür von La Strada in Alsfeld stets offen.

Ein Blick in ein gängiges Online-Portal: Zwölf Mietwohnungen im gesamten Vogelsbergkreis werden als verfügbar angezeigt. Allerdings ohne Spezifikationen. Das heißt, für Preise und Größe gibt es keine Beschränkungen. Auf einem anderen Portal: neun Wohnungen. Auf einem dritten finden sich 26 Wohnungen. Für einen gesamten Landkreis scheint es wenig zu sein. Benedikt Weber weiß: »Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist schwierig. Die Nachfrage ist groß, aber das Angebot begrenzt.« Vor allem bezahlbare Wohnungen für Menschen, die etwa ihr Geld über das Jobcenter beziehen, seien schwer zu finden. Denn für diejenigen gibt es Vorschriften, wie groß eine Wohnung und wie hoch die Bruttokaltmiete maximal sein darf.

Rund um die Uhr geöffnet

Weber ist Sozialarbeiter und stellvertretender Bereichsleiter der Fachberatung bei der Wohnungsnothilfe La Strada in Alsfeld. Wie der Name schon sagt, helfen Weber und seine vier Kolleginnen und Kollegen bei Notfällen. Darunter zählt, wenn jemand seine Wohnung verloren hat - also sofort einen Unterschlupf braucht - aber auch, wenn ein Verlust der Wohnung droht. Weber erklärt: »Wenn eine Kündigung vorliegt, zum Beispiel wegen Mietschulden, können wir versuchen, diese abzuwenden. Dann nehmen wir Gespräche mit den Vermietern auf und fragen, was man in dem Fall machen kann.« Ob es gelingt, hängt von der individuellen Situation ab.

Die Gründe, weshalb Menschen ihre Wohnungen verlieren, sind verschieden. Neben Mietschulden, durch fehlendes Einkommen oder gestiegene Mieten, kann ein gestörtes Verhältnis zu anderen Mitmietern oder dem Vermieter eine Ursache sein, oder auch eine Kündigung wegen Eigenbedarf. Dann gibt es noch den Fall, dass jemand nach langer Haftzeit aus dem Gefängnis entlassen wird und daher eine Wohnung benötigt. Oder Jugendliche, die zuvor in einer Wohngruppe gewohnt haben, volljährig werden und nun Unterstützung bei der Suche für die erste eigene Wohnung benötigen.

Da die Situation der Klienten stets individuell ist, gibt es bei La Strada mehrere Arten der Unterstützung. Grundsätzlich gilt, die Notunterkunft in der Altenburger Straße 19 ist 24 Stunden am Tag geöffnet. Jeder, der La Strada aufsucht, darf bis zum nächsten Werktag bleiben, erklärt Weber. Damit man dann schauen kann, »wie ist die Situation, wie kann geholfen werden«.

Dies fällt in den Bereich der Fachberatung. »Das ist die erste Anlaufstelle. Hier schauen wir, wo kommt der Mensch her? Weshalb hat er seine Wohnung verloren? Was können wir tun?« So helfen Weber und seine Kollegen nicht nur bei der Wohnungssuche, sondern auch bei Anträgen für das Jobcenter oder Arbeitslosengeld, um erst mal die Voraussetzungen für eine Wohnung zu schaffen.

Ziel ist es, nicht nur eine kurzfristige Übernachtungsmöglichkeit zu bieten, sondern den Menschen langfristig ein Leben in einer eigenen Wohnung zu ermöglichen. Stellt sich während der Beratung heraus, dass La Strada nicht der richtige Ansprechpartner ist, helfen die Sozialarbeiter bei einer Vermittlung zu anderen Institutionen. Bei einer Trennung könnte dies beispielsweise eine allgemeine Lebensberatung sein.

Für einen längeren Aufenthalt in der Altenburger Straße gibt es gewisse Voraussetzungen. So können im Übergangswohnheim nur Menschen aufgenommen werden, die keinen festen Wohnsitz haben und über keine finanziellen Mittel verfügen. Wer genug Einkommen hat, muss sich im Zweifel eine Pension oder ein Hotel suchen. Das Beratungsangebot kann auch angenommen werden, ohne bei La Strada zu wohnen. »Wir sind aber kein Wohnungsvermittler«, stellt Weber klar.

Alles unter einem Dach

Wer die Kriterien erfüllt, kann in die Räume des Übergangswohnheims. Dort darf man so lange bleiben, bis eine geeignete Wohnung gefunden wurde. Im Übergangswohnheim seien das im Schnitt derzeit sechs bis zwölf Monate. »Wir suchen im ganzen Vogelsbergkreis«, sagt Weber. »Dabei berücksichtigen wir die Wünsche, Bedürfnisse und Möglichkeiten unserer Klienten.« Die Suche selbst erfolgt über die üblichen Wege: Online-Portale, Kleinanzeigen oder Zeitungsannoncen. Klar ist, dass über diese Wege nicht nur die Menschen von La Strada eine Wohnung suchen. »Die Krisen der vergangen Jahre haben auch Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt«, sagt Weber.

Über das Angebot des Übergangswohnheims hinaus gibt es das betreute Wohnen. Ob jemand ins Übergangswohnheim oder betreute Wohnen kommt, entscheide sich durch die Gespräche bei der Fachberatung.

Beim betreuten Wohnen werden die Betroffenen noch intensiver unterstützt. »Neben der Hilfe bei der Wohnungssuche begleiten wir diejenigen zum Beispiel auch zu Terminen.« Zudem endet die Unterstützung nicht mit dem Umzug in die eigene Wohnung. Auch danach bieten die Sozialarbeiter noch Hilfestellung an. Der Zeitraum ist insgesamt auf bis zu zwei Jahre ausgelegt. Voraussetzung ist, dass diejenigen eine Wohnung im Vogelsbergkreis suchen. Und natürlich müssen sowohl im Übergangswohnheim oder dem betreuten Wohnen Plätze frei sein.

Des Weiteren gibt es in der Altenburger Straße die Möglichkeit der Tagesaufenthalte. Damit bietet La Strada auch Menschen, die auf der Straße leben, die Möglichkeit, sich dort zu duschen, Wäsche zu waschen, etwas zu kochen oder auch Freizeitangebote, wie einen Tischkicker, Fernseher oder Computer mit Internetzugang, zu nutzen. Die Gemeinschaftsräume stehen allen zur Verfügung, unabhängig ob es sich um einen Tagesaufenthalt, das Übergangswohnheim oder betreutes Wohnen handelt. Schließlich sind alle Angebote unter einem Dach und miteinander verzahnt.

Neben den Schwierigkeiten auf dem Wohnungsmarkt hat Weber im Laufe der Jahre auch eine Veränderung bei den Menschen festgestellt, die bei La Strada um Hilfe bitten. Während früher beispielsweise »Durchreisende« aus Frankfurt oder Kassel zwischenzeitlich in Alsfeld einen Unterschlupf für eine gewisse Zeit gesucht haben, suchen nun auch junge Leute aus dem Vogelsberg nach Wohnungen. Zudem sei der Anteil an Frauen gestiegen. An den Auslösern, weshalb Menschen ihre Wohnung verlieren, habe sich wenig geändert.

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