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Ein Leben mit Spenderniere

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Von: Sophie Röder

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Conny Hentz-Döring lebt seit Jahren mit einer Nierenerkrankung. Das hält sie nicht davon ab, sich ehrenamtlich zu engagieren oder sich körperlich als Heimwerkerin zu betätigen. © Sophie Mahr

Conny Hentz-Döring lebt seit 17 Jahren mit einer Spenderniere. Eine lange Zeit für ein transplantiertes Organ. Doch Sorgen um ihre Zukunft macht sie sich kaum. Ohnehin lässt sich die 61-Jährige nicht auf ihre Krankheit reduzieren, sondern engagiert sich seit Jahrzehnten - für die Gleichstellung von Frauen und die Belange ihrer Heimat Lauterbach.

Diese Begebenheit sagt viel aus über Conny Hentz-Döring: Zu Beginn des Termins für diesen Artikel fragt sie, ob ich einen Kaffee möchte. »Ja, gern«, sage ich. »Ich bin leidenschaftlicher Kaffeetrinker.« Hentz-Döring entgegnet: »Ich auch. Und ich bin Feministin. Ich muss Sie da verbessern, aber Sie sind Kaffeetrinkerin«, sagt sie und betont die letzten beiden Buchstaben.

Wenn Hentz-Döring so etwas hört, dann muss sie es einfach berichtigen. Die 61-Jährige arbeitete viele Jahre lang als Frauenbeauftragte des Vogelsbergkreises. Bis zuletzt in Teilzeit. Grund dafür war die Nierenerkrankung, die in ihren Dreißigern diagnostiziert wurde: Eine Entzündung der Niere und damit einhergehendes Nierenversagen.

»Es war eine gesundheitliche Katastrophe«, sagt Hentz-Döring nüchtern. Sie war fünf Jahre an der Dialyse. »Ich war damals 38 und in einer Lebensphase, in der man eigentlich mit anderen Sachen beschäftigt ist. Aber es gibt auch ein Leben an der Dialyse. Es hat Kraft gekostet, aber es gibt Schlimmeres.« Damals sei die Frischbornerin stark eingeschränkt gewesen. Schwer sei die Zeit auch für ihren Mann gewesen. »Man darf die Angehörigen nicht vergessen. Für sie ist es schlimm, dass sie meist nur zuschauen können, während man auf das Spenderorgan wartet.« Mit 43 Jahren wurde Hentz-Döring schließlich transplantiert. »Das war ein großer Cut - auch beruflich.«

Danach habe sie nur noch Teilzeit arbeiten können. »Ich bin sehr dankbar, dass mir der Vogelsbergkreis das ermöglicht hat.« Für sie dreht sich nicht alles um die Krankheit. »Ich lebe einen ganz normalen Alltag.« Gewiss muss Hentz-Döring regelmäßig und diszipliniert ihre Medikamente nehmen. Zudem steht alle acht Wochen ein Kontrolltermin bei ihrer Ärztin in Fulda an. »Es ist ein Vorteil, dass ich seit 17 Jahren dieselbe Ärztin habe. Wann immer ich was habe, hilft sie mir.« Noch heute besteht die Gefahr, dass der Körper die Spenderniere wieder abstößt. Doch große Sorgen macht sie sich erstmal keine. »Die Prognose ist gut. Und ich bin trotz Erkrankung immerhin schon 61. Das ist eine Erfolgsgeschichte, finde ich.«

An manchen Tagen merkt sie, dass sie weniger Energie hat. Aber viele Einschränkungen nimmt Hentz-Döring nicht mehr als solche wahr. Sie denkt kurz nach und schüttet sich ein Glas mit Wasser ein. Anschließend sagt sie: »Das Trinken ist ein Thema. Da muss ich drauf achten.« Während der Zeit an der Dialyse habe sie fast nichts trinken dürfen. Heute muss sie sich daran erinnern, es nicht zu vergessen.

»Die Einschränkungen gehören zu mir, ebenso wie die Krankheit. Die habe ich angenommen und mache das Beste daraus. Ich habe während meiner Arbeit viel schlimmere Geschichten erlebt.« Wer so eine Krankheitserfahrung gemacht habe - und das gelte für alle schweren Krankheiten - wisse, was wichtig sei und nehme vieles gelassener.

Länger als ihre Nierenerkrankung begleite sie das Ziel, Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zu schaffen. »Schon mit 14 Jahren habe ich wahrgenommen, dass es bei vielem keine Gleichberechtigung gibt.« Auch um das zu ändern, ist sie vor Jahrzehnten politisch aktiv geworden. Noch heute ist sie Ortsvereinsvorsitzende der Lauterbacher SPD sowie stellvertretende Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordnetenversammlung. »Bei den großen Themen wie der Klimakrise und dem Krieg in der Ukraine fühle auch ich mich hilflos. Aber in Lauterbach selbst kann ich mithelfen, die Demokratie im Kleinen umzusetzen.«

Hauptberuflich ist Hentz-Döring seit gut eineinhalb Jahren Rentnerin. Doch ihr politisches Ehrenamt will sie noch eine Weile ausüben. »Es wäre schön, noch zu erleben, dass mehr Frauen in die Parlamente kommen.« Während der vergangenen zwei Jahre konnte sie rund drei Monate nicht an Sitzungen teilnehmen. Durch ihre Immunsupressiva, die die Abstoßung der Niere verhindern sollen, wäre eine Ansteckung mit dem Coronavirus fatal. »Mein Mann, meine Mutter und ich mussten alle Kontakte reduzieren. Ich muss sehr vorsichtig sein.« Im Nachhinein habe sich auch der Zeitpunkt des Renteneintritts bewährt. »Ich hätte meine Arbeit nicht wie üblich ausführen können. Homeoffice wäre bei meiner Tätigkeit keine dauerhafte Lösung.«

Die Pandemie war jedoch nicht der Anlass für die Rente, sondern die Pflege ihrer Mutter. »Ich wollte, dass meine Mutter zu Hause bleiben kann. Doch wir konnten die Pflege nicht mehr stemmen.« So kam es zum Auszug der Mutter in ein Pflegeheim. Ein weiterer Verlust prägt den Ruhestand der 61-Jährigen: Ihr Border-Collie Moja verstarb im Alter von 14 Jahren an Krebs. »Sie war meine Begleithündin und beste Freundin.« Noch immer fehlt sie ihr. »Das ganze Gelände ist für einen Hund ausgelegt«, sagt sie, während ihr Blick über das Grundstück schweift. Obwohl Hentz-Döring und ihr Mann 40 Jahre lang Hunde an der Seite hatten, wollen sie keinen neuen. »Wir sind nach Jahren das erste Mal wieder unabhängig und wollen demnächst eine E-Bike-Tour machen.« Auch so überkommt die Rentnerin zu Hause keine Langeweile: »Ich koche nicht gerne, aber ich mag es zu streichen, zu tapezieren oder auch zu verputzen.« Und in einem Haus fällt bekanntlich immer etwas an.

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