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»Die Leute werden stabiler«

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Von: Joachim Legatis

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Ruhig sitzen, tief atmen und den Körper spüren. Katharina Schell mit Anne und Helen Tribula (v. l.). © Joachim Legatis

Entspannt den Moment leben - davon träumen viele. Deshalb ist die alte Meditationstechnik Yoga wieder hoch im Kurs. Aus dem Homeoffice heraus mit verspanntem Nacken und eine Stunde später wieder gelassen zurück in den Alltag, so geht es immer mehr Vogelsbergern, wie Yoga-Lehrerin Katharina Schell erzählt.

Yoga ist im Trend - die alte indische Entspannungslehre stößt gerade in Zeiten von Homeoffice und beruflichem Stress auf steigendes Interesse, wie Katharina Schell erfahren hat. Sie hat vor einem Jahr »Yoga im Edelhof« aufgemacht und ist immer noch überrascht, wie groß das Interesse an Yoga-Kursen in der umgebauten Scheune ist.

»Yoga passt gut zu unserer Leistungsgesellschaft«, sagt sie. In den Kursen sitzen Menschen, die etwas gegen Erschöpfung, Bandscheibenleiden und Stresssymptome machen wollen. Andere suchen eher den spirituellen Weg, denn Yoga bietet mehr als nur Gymnastikübungen.

Frauenzeitschriften schwärmen von neuen Yogatrends und auch auf Online-Plattformen können sich Gesundheitsinteressierte passende Übungen heraussuchen. Das zunehmende Interesse an der aus Indien stammenden Meditationslehre hängt mit dem gesellschaftlichen Trend zur Selbst-Optimierung zusammen. Ob in Beruf, Haushalt oder Beziehungsleben, immer mehr Menschen suchen einen Weg, leistungsfähig zu bleiben, wie Schell sagt. »Man erfährt Ruhe in der Yoga-Stunde«, das bewusste Abschalten macht die Beschwernisse des Alltags leicher erträglich.

Auch bei Krisen kann Yoga helfen. »Die Leute werden wieder ein Stück stabiler«, sagt Schell. Wichtig sei dabei der ganzheitliche Ansatz im Yoga. Die Übungen bieten etwas für Körper, Geist und Seele, dabei kommen sie dem Bedürfnis nach Entfaltung der eigenen Persönlichkeit entgegen.

Zunächst wird die Beweglichkeit des Körpers vergrößert. »Das fängt schon bei so etwas einfachem an wie schlicht auf dem flachen Boden zu liegen und die Schwerkraft zu spüren.« Das »aktive Entspannen« hilft gegen die Übel der Moderne wie zu viel Sitzen, nicht stabil Stehen und beim Gehen stets zu sehr nach vorne gebeugt zu laufen. Das ergibt oft Probleme im Nacken und unteren Rückenbereich. »Wir müssen oft das gerade Stehen erst einmal üben«, ist Schells Erfahrung.

Wenn man mit Yoga-Übungen »in die Entspannung geht«, passiert auch neuronal viel. Der Körper kann sich ausruhen und entgiften. Wer auf eine gesunde Körperhaltung achtet, atmet tiefer und mehr »in den Bauch«. Dadurch wird der Körper besser mit Sauerstoff versorgt.

Das »Leerwerden« in den Yoga-Stunden hilft dem Geist, sich besser zu fokussieren. »Wir denken im Alltag zu viel, das ist wie eine Sucht«, sagt Katharina Schell. Das sei ein Problem unserer Leistungsgesellschaft. Viele Menschen können die Gedankenflut nicht mehr kontrollieren und sind zu oft abgelenkt, so durch den permanenten Blick auf das Smartphone.

Auf der seelisch-emotionalen Ebene ist Schell wichtig, dass die Übungen dabei helfen, innezuhalten. »Die Leute kommen ein Stück weit zu sich und können eigene Ängste anschauen, die sie im Alltag sonst wegschieben.« Das sei gerade für Jugendliche wichtig, die Momente der Ruhe finden, um zu schauen, wo sie gerade sind. Solche ruhigen Momente helfen dabei, Entscheidungen zu treffen, die einem guttun.

Zu der spirituellen Ebene von Yoga gehört auch, dass viele Menschen ihren Glauben verloren haben und auf der Suche nach dem Sinn ihres Tuns sind. Beim Yoga spürt man in den eigenen Körper hinein, der in »Chakren« aufgeteilt ist. So steht das Herz für Beziehungen und Liebe, der Hals für Kommunikation, erläutert Schell. Beim Hineinspüren in das Hals-Chakra kann man beispielsweise nachspüren, »ob ich meine Bedürfnisse mitteilen kann«.

Die Übungen können also dazu beitragten, die richtigen Fragen für das eigene Leben zu stellen und in Ruhe Antworten zu finden. Dabei machen viele Menschen die Erfahrung, dass sie Dinge des Alltags anders bewerten, wenn sie »mit etwas Abstand einen neuen Blick darauf werfen«.

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