Denkmalschutz kontra Klimaschutz?

Mit Denkmalschutz verbinden die meisten Menschen wohl am ehesten mittelalterliche Gemäuer, stattliche Villen aus der Gründerzeit oder hübsche Fachwerkhäuser. Insofern sorgt es für Verwunderung, dass der Denkmalschutz auch beim geplanten Umbau des Schwanenteichs eine wichtige Rolle spielt und die zuständige Behörde ein gewichtiges Wort mitzureden hat.
So hat das Landesamt für Denkmalpflege gegenüber der Stadt Gießen mit Schreiben vom 5. September bekräftigt, dass es die Errichtung eines zweiten Damms vor dem bestehenden, der die Wieseck vom Schwanenteich trennt, ablehnt. Der Bau eines zweiten Damms würde den denkmalfachlichen Zielen zuwiderlaufen und eine »Verunklärung der historischen Gewässergeometrie« hervorrufen, heißt es in dem Schreiben.
Damit ist eine Aussage von Gartenamtsleiter Thomas Röhmel bestätigt worden. Röhmel hatte in der Bürgerversammlung vor gut drei Wochen erklärt, dass der Denkmalschutz sein Veto gegen den Bau eines zweiten Damms, um alle Bäume auf dem alten Dammweg zu erhalten, eingelegt hat. Bei den Gegnern des kompletten Rück- und Neubaus des Dammwegs war diese Aussage von Röhmel auf Verständnislosigkeit gestoßen, weil aus ihrer Sicht der Erhalt aller Bäume auf dem Dammweg und damit der Schutz des Mikroklimas wichtiger ist als Belange des Denkmalschutzes.
Landschaftsbau der Nazizeit
Als Anlage aus der Zeitgeschichte stehen die Eichgärtenallee mit dem Schwanenteich und dem reguliertem Lauf der Wieseck schon seit Jahrzehnten unter Denkmalschutz. In der Gießener Denkmaltopographie heißt es: »Die bis 1945 Schlageterstraße oder Schlageteranlage benannte Allee entstand 1935 in Verbindung mit dem ursprünglich als Schlageterteich bezeichneten Schwanenteich. Zusammen mit dem kleinen Skagerrakplatz und dem 1937 geplanten, aber nicht ausgeführten Sportfeld, für das ein riesiger Aufmarschplatz und diverse Sporteinrichtungen vorgesehen waren, sollte eine im Sinne des Nationalsozialismus geprägte, neue Stadtlandschaft entstehen. Der von alten Bäumen und Sträuchern umgebene, cirka 640 Meter lange, nur 50-60 Meter breite Schwanenteich und die mit Kastanien bepflanzte Allee sind als städtebauliche Leistung der 1930er Jahre schützenswert.«
Bereits 2012, als die Stadt das dann auf Eis gelegte »Pilotprojekt Bitterling« plante, wies die Wiesbadener Behörde auf den Denkmalschutz hin. Denkmalpflegerisches Ziel bei der Erhaltung des Kulturdenkmals Schwanenteichs sei »die Bewahrung eines geradlinigen, möglichst unverbauten und höchstens punktuell bewachsenen Uferverlaufs, um die städtebauliche Wirkung des langgestreckten, von Menschenhand geschaffenen Schwanenteichs nicht zu beeinträchtigen«, hieß es damals in einer Stellungnahme, die das Landesamt nun zitiert.
Die denkmalgeschützte Geometrie des Teichs wirke im Zusammenspiel mit der ebenfalls geradlinig parallel verlaufenden Wieseck. Der Dammweg stelle hier »lediglich eine dünne Linie« dar und könne nicht »beliebig aufgeweitet« werden, heißt es in dem aktuellen Schreiben aus Wiesbaden.
Aus für die »Dreier«-Variante?
Die Auskunft gegenüber dem Gartenamt bedeutet gleichwohl nicht das Aus für die - laut Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher - mittlerweile »favorisierte« Reparaturvariante, bei deren Umsetzung die Bäume auf der Wieseckseite des Dammwegs stehenbleiben könnten. Diese Variante, deren Umsetzung nunmehr geprüft wird, orientiert sich an einer der beiden Lösungen mit einer teichseitigen Vorschüttung des Dammwegs. Diese wäre aus denkmalschutzfachlicher Sicht »noch akzeptabel«, so das Denkmalamt.
Ob das auch für die vom früheren Gail-Chef Horst Dreier ins Spiel gebrachte Lösung gilt, ist fraglich. Denn seine Vorschüttung, bei der laut Dreier auch die Bäume teichseitig erhalten werden könnten, würde zu einer deutlichen Verbreiterung der Dammkrone um gut eineinhalb Meter führen.
Das Stadtparlament soll am kommenden Donnerstag zunächst über das »Pilotprojekt Bitterling« abstimmen und über die Dammsanierung in einer späteren Sitzung gesondert. Zur Debatte steht neben dem Neubau samt Komplettrodung der Vegetation eine Reparatur mit einer Teilrodung.
Wieseck darf nicht trockenfallen
Die Bürgerinitiative »Rettet die Bäume am Schwanenteich« verweist darauf, dass es auch hinsichtlich der Grabung eines Wieseck-Nebenarms und der Errichtung eines zusätzlichen Bauwerks für den Hochwasserschutz fürs Freibad Vorgaben der Denkmalschutzbehörde gibt, die nach Überzeugung von BI-Sprecher Michael Janitzki in Widerspruch stehen zu dem, was die Stadt für über 1,3 Millionen Euro umsetzen will. Janitzki verweist auf eine Stellungnahme des Landesamts aus dem Jahr 2012, als die Stadt das »Pilotprojekt Bitterling« plante. In dem Schreiben wurde auch auf das mittlerweile immer wahrscheinlicher werdende Szenario eingegangen, dass in Dürresommern die Wassermenge der Wieseck nicht ausreicht, um zwei Bachbetten und die beiden Teiche zu füllen bzw. zu versorgen. Zitat: »Unabhängig von der endgültigen Ausführungsvariante eines Zweitgewässers der Wieseck ist zu gewährleisten, dass das originale geradlinige Wieseckbett nicht trockenfällt und stets Wasser führt.«
Die Denkmalschutzbehörde mahnte ferner an, das geplante Hochwasserschutzbauwerk so auszuführen, dass »zur Bewahrung einer grünen Kulisse im Umfeld des Schwanenteichs« in dem Grünzug zwischen Wieseck und Freibadgelände möglichst wenig Bäume gefällt werden.