Denkmal zum Wohnen

Fünf Jahre hat es gedauert, das Helbig-Haus in Alsfeld zu restaurieren. Währenddessen gab es auch Rückschläge. Doch die Mühen haben sich gelohnt. Das Haus ist zum Einzug bereit, und kürzlich wurde Bauherr Rudolf Knierim mit einem zweiten Platz des hessischen Denkmalschutzpreises ausgezeichnet.
In der Alsfelder Innenstadt ist es heiß. Es sind weit über 30 Grad im Schatten. Beim Durchschreiten der Tür ins »Helbig-Haus« hinein kühlt es merklich ab. Die Ursache liegt in der Bausubstanz: Die Lehmwände des Fachwerkhauses sorgen für eine niedrigere Temperatur im Inneren des Gebäudes.
Während das Haus optisch seiner Entstehung um 1800 entspricht, ist es energetisch auf dem neusten Stand. Auf den Innenseiten der Außenwände befindet sich auf dem Lehm eine sechs Millimeter dicke Schicht Silikatputz. Diesen hat Rudolf Knierim im Zuge der Restaurierung des Hauses in der Mainzer Gasse auftragen lassen. Von 2017 bis 2022 hat der gebürtige Alsfelder das Haus in der Altstadt instand gesetzt. Dafür erhielt er kürzlich den zweiten Platz in der Kategorie »Privates Bauen« des Hessischen Denkmalschutzpreises. »Ursprünglich hatte ich nicht vor, das Haus zu kaufen«, sagt Knierim. Die Erben seien an ihn herangetreten, weil er Erfahrung mit der Instandsetzung von Fachwerkhäusern hatte. So hat der gelernte Ingenieur bereits zwei weitere Fachwerkhäuser restauriert. Darunter auch das Nachbarhaus - sein Elternhaus. Daher ist es nicht verwunderlich, dass ihm das Helbig-Haus von Kindesbeinen an vertraut war. »Als Kind haben wir uns die Nasen an der Schaufensterscheibe plattgedrückt, um uns die neusten Modelleisenbahnen anzugucken.« Damals befand sich im Erdgeschoss der größte Spieleladen im Vogelsberg. Vieles von der alten Ladeneinrichtung befindet sich noch heute im Keller. Zusammen mit einem historischen Lastenaufzug. Auch den hat Knierim wiederherstellen lassen.
Dass er das Haus gekauft hat, obwohl sein Lebensmittelpunkt nicht mehr in Alsfeld liegt, hängt nicht nur mit den Erinnerungen zusammen. »Nicht alle, die Fachwerkhäuser erwerben, kümmern sich um den Erhalt«, sagt Knierim. »Viele zerstören durch den Einbau von neuen Fenstern das Gesicht der Häuser.« Wer mit offen Augen durch die Stadt gehe, sehe, wie wenig auf die Optik geachtet werde. Dabei müsse in der Fachwerkstadt theoretisch jeder einen Antrag stellen, der ein Fenster tauschen wolle. Augenscheinlich würden viele dies missachten: »Das zerstört das Stadtensemble.«
Um dieses wiederherzustellen, hat Knierim alle Fenster ersetzt. Optisch sind die neuen an die Entstehungszeit angepasst und aus Vollholz. Der Dämmung entsprechend sind sie doppelt verglast. Sie seien ein gutes Beispiel dafür, dass es möglich ist, denkmalgeschützte Gebäude energetisch zu sanieren.
In Zusammenhang mit den Fenstern gab es jedoch Probleme, die der Bauherr so nicht erwartet hatte: »Es ist schwierig, Handwerker für die verschiedenen Gewerke zu finden. Noch schwieriger wird es, wenn man sie zu bestimmten Terminen haben möchte, damit die Arbeiten ineinander übergehen können - was früher eine Selbstverständlichkeit war«, sagt Knierim.
So habe er über 18 Monate ein Gerüst stehen gehabt, weil ein Zimmermann seine Mitarbeiter für eine andere Baustelle abgezogen habe. »Ich habe im Dachgiebel drei neue Fenster einbauen lassen. Anschließend sollte die Außenwand verschalt werden. Erst wurde sich nicht an die Termine gehalten und dann eines der neu eingebauten Fenster verschalt.« Also überdeckt. Daraufhin folgte ein Rückbau, was für erneute Verzögerungen sorgte. »Das Projekt hat mich viel Geld und Nerven gekostet.«
Es habe aber nicht nur Schwierigkeiten gegeben. Von anderen Handwerkern - insbesondere den Restauratoren - ist Knierim so begeistert gewesen, dass er sie mit zur Verleihung des Preises genommen hat. Ein Meisterwerk sei die Nachbildung einer Tür. So habe Knierim aus Platzgründen eine entfernen müssen, diese aber an die Wand malen lassen, um die Erinnerung zu erhalten. »Ich wollte dem Haus seine Seele wiedergeben.«
Damit dies gelingt, hat Knierim Schicht um Schicht den alten Boden freigelegt. Dabei sind im Treppenhaus Luken für einen besseren Lichteinfall aufgetaucht. Wo es möglich war, hat er die alten Balken und Dielen verwendet. In Küche und Bädern habe er den Boden neu machen müssen, sich optisch aber an den Fließen des Treppenhauses orientiert.
Nicht nur bei Fenstern und Böden hat Knierim Alt und Neu kombiniert. Im gesamten Haus ist die Elektrik auf dem neusten Stand - in den Badezimmern gibt es indirekte Beleuchtung. Gleichzeitig sind die Lichtschalter und Lampen historischer Optik nachempfunden.
Mit der Arbeit an diesem Gebäude wolle der Bauherr anderen die Angst vor denkmalgeschützten Häusern nehmen. So hat er Fotovoltaikanlagen auf dem Dach anbringen können, da es Stellen gibt, die nicht einsehbar sind, und somit dem Ensemble nicht schaden. Außerdem hat er eine hybride Heizanlage gewählt, die nicht nur mit Sonnenenergie und Gas, sondern theoretisch auch mit Pellets, einer Wärmepumpe oder Öl betrieben werden kann.
»Rudolf Knierim hat das Fachwerkhaus in der historischen Kernstadt von Alsfeld instand gesetzt und damit einen wertvollen Beitrag zum Erhalt des Altstadtensembles geleistet«, heißt es von der Jury des Hessischen Denkmalschutzpreises. »Vor allem die Instandsetzung der Innenräume mit vielen liebevollen Details ist hervorragend gelungen.« Auch gut gefallen habe der Jury die zukünftige Nutzung des Hauses. Da Knierim nicht mehr in Alsfeld wohnt, möchte er das Haus nicht selbst beziehen. Stattdessen plant er, die beiden Wohnungen als Ferienwohnung zu vermieten. So können sich auch andere an dem Flair des Denkmals erfreuen und die Alsfelder Altstadt erkunden.
Am 11. September (Tag des offenen Denkmals) besteht die Möglichkeit, das Helbig-Haus zu besichtigen.


