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Banken im Aufrüstungswettlauf gegen Automatenspenger

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Von: Kerstin Schneider

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Erheblicher Sachschaden entsteht oft beim Sprengen von Geldautomaten, hier in Hungen. Die Banken und Sparkassen setzen deshalb auf neue Sicherheitstechniken. Diese werden schon einmal in eigenen Sprengversuchen getestet, wie bei der VR Bank HessenLand.
Erheblicher Sachschaden entsteht oft beim Sprengen von Geldautomaten, hier in Hungen. Die Banken und Sparkassen setzen deshalb auf neue Sicherheitstechniken. Diese werden schon einmal in eigenen Sprengversuchen getestet, wie bei der VR Bank HessenLand. © Red

Im Vogelbergkreis sprengen Täter immer wieder Geldautomaten. Die Banken rüsten bei der Sicherheitstechnik auf. Bis hin zum Einfärben der Scheine bei Sprengung.

Vogelbergkreis/Hessen – Brauerschwend, Nieder-Gemünden, Ober-Ofleiden. Diese Spur zogen Automatensprenger in den vergangenen Monaten. Dabei gehen die Täter immer skrupelloser vor. Heimische Banken arbeiten fieberhaft an Lösungen. Es sei ein ständiger Wettlauf mit den Gangstern, sagt ein Bankensprecher.

Statt wie früher Gas setzen die Kriminellen für ihre Taten nun Festsprengstoffe ein, »die zumeist verheerende Auswirkungen haben«, sagt Eric Zimdars von der Sparkasse Oberhessen. Beim Sprengen eines Automaten in Hungen beschädigte die Wucht der Detonation sowohl das massive Bankgebäude als auch umliegende Gebäude. Bei einer Sprengung des Geldautomaten in Butzbach entstand erst kürzlich erheblicher Sachschaden. Die Sparkasse Oberhessen habe bereits Mitte Januar auf die Gefahrenlage reagiert und den Zugang zu allen SB-Bereichen zwischen 0 Uhr und 5 Uhr eingeschränkt.

»Wir kamen den Empfehlungen der Polizei nach und wollen verhindern, dass Unbeteiligte oder Anwohner zu Schaden kommen«, so Zimdars.

Volksbank Mittelhessen hat in neue Sicherheitstechnik investiert

Auch habe man die Geldautomaten mit diversen Sicherheits- und Alarmvorkehrungen ausgestattet und die Geldbestände »der generell sinkenden Nachfrage nach Bargeld angepasst«. Zudem engagiere man sich in einer Arbeitsgruppe des Landeskriminalamtes und der Kreditwirtschaft. Die Sparkasse biete zudem für Kunden generell einen aktuell kostenfreien versicherten Versandservice für Bargeld an die Haustür bis 500 Euro an. Ein Geldautomat in Nieder-Ohmen musste wegen Sicherheitsbedenken sogar vom Netz genommen werden.

Sicherheit bei Geldautomaten spiele seit Jahren eine große Rolle, sagt auch Dennis Vollmer von der Volksbank Mittelhessen: »Wir haben massiv in neue Sicherheitstechnik investiert.« So wurden alle Automaten gegen die vor Jahren übliche Methode, Gas einzuleiten, gesichert. Ferner wurde beispielsweise die Tresorklasse verstärkt. Auch wurden Matten zum Druckausgleich installiert, um die Wucht einer möglichen Explosion abzumildern. Trotzdem bleibe es ein regelrechter »Aufrüstungswettlauf« mit den Tätern, die immer brutaler werden: »Dass sie Menschenleben gefährden, ist denen völlig egal.« Zeitweilig werde das Sprengen mit Gas noch versucht, der Schaden bleibe meist gering.

Was immer wieder große Probleme mache, ist laut Vollmer der entstehende Sachschaden, gerade in Innenräumen. Denn teilweise ziehen die Täter nach der Automatensprengung ohne Beute ab, weil sie nicht an die Geldkassette kommen.

VR Bank HessenLand hat mehrere Automatenverluste zu beklagen

Generell würden die Automaten schon mit weniger Geld als früher befüllt und dafür öfter angefahren. Dennoch sollen laut Vollmer alle Standorte, die genutzt werden, auch in Zukunft bestehen bleiben. »Dort wo Automaten gebraucht werden, betreiben wir sie auch.«

Dabei habe sich aber gezeigt, dass Standorte in Ortsmitten anders als solche etwa in Einkaufszentren immer weniger genutzt würden. Generell hat die Bargeldnachfrage laut Vollmer in den vergangenen Jahren deutlich nachgelassen. Viele würden den Gang in den Supermarkt damit verbinden, dort Bargeld mitzunehmen.

Die VR Bank HessenLand hatte in den vergangen Monaten gleich einige Automatenverluste zu beklagen und musste handeln. Neben vorhandenen Sicherheitssystemen werden derzeit sämtliche Automaten mit einem speziellen Färbesystem ausgestattet. »Im Falle einer Sprengung verfärben sich die Geldscheine«, so Sprecherin Nadine Yvonne Erbes. Die Banknoten lassen sich dann nicht mehr in den Umlauf bringen.

Färbesystem wurde auf dem Bundeswehrgelände in Nordhessen getestet

Die Tochtergesellschaft GenoDienste GmbH prüfte die Wirksamkeit vor Kurzem durch einen Sprengversuch unter Mitwirkung des LKA und der Aufsicht von Vertretern der Deutschen Bundesbank, des Sachversicherers, des Sparkassenverbandes sowie Angehörigen der Kriminal- und der Landespolizei auf dem Bundeswehrgelände in Schwarzenborn/Knüll. Erbes: »Der Test war ein voller Erfolg.« Die zusätzliche Sicherheitstechnik biete man ab sofort an.

Die Bestückung der Geldautomaten erfolge dabei in Abhängigkeit der Kundennutzung. »Ein zu geringer Geldbestand führt schnell zu Kundenbeschwerden.« Derzeit verfüge man über 35 Automaten. Infolge der Pandemie habe sich das Nutzungsverhalten der Kunden stark geändert. Während digitale Bezahlmöglichkeiten deutlich stärker bevorzugt werden, sind Transaktionen an den Automaten um 25 Prozent rückläufig. Mittelfristig werde sich die Anzahl der Automaten reduzieren. »Kurzfristig ist kein Abbau geplant, es sei denn, Automatenaufbrüche zwingen dazu.«

Generell sei die Nachfrage nach Bargeld deutlich gesunken. Nicht mobile Kunden würden von der Bank individuell versorgt.

»Blicken wir im Vergleich rund zehn Jahre zurück, sind die Möglichkeiten zur Bargeldversorgung heute deutlich besser. Neben Banken und deren Automatennetz sind weitere Anbieter (unter anderem Tankstellen, Lebensmittelmärkte) hinzugekommen«, so Erbes. (Kerstin Schneider)

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