Totenkopf und Türpe-Stuhl

Alsfeld (jol). Als erstes fallen die markanten Vitrinen aus Stahl und Glas auf. Mit ihrem schlanken Format prägen sie die neue Ausstellung im Neurath-Haus. Am Sonntag hat der Geschichts- und Museumsverein die Sonderschau »Alsfeld jubelt« zur 800-Jahr-Feier der Fachwerkstadt eröffnet. Geöffnet ist Montag bis Freitag 10 bis 17 Uhr, Samstag/Sonntag 10 bis 16 Uhr.
Zur Eröffnung kamen auch Bundestagsabgeordneter Prof. Dr. Helge Braun und die Geschäftsführerin des Museumsverbands, Christina Reinsch.
In dem grundsanierten Neurath-Haus an der Rittergasse wird nun eine Hälfte des modernen Stadtmuseums zugänglich, das erst in einigen Jahren komplett öffnet. Die Präsentation gibt bereits Hinweise darauf, wie künftig ein Museum im ländlichen Raum gestaltet sein kann. Und da sind wir wieder bei den Stahlvitrinen. Sie sind meist von vier Seiten einsehbar und zeigen besondere Stücke aus der Sammlung des GMV.
Da ist ein Faustkeil aus der Steinzeit zu sehen, der bei Ruhlkirchen gefunden wurde, ein »Brillenanhänger« steht für die Bronzezeit, etwa 2200 bis 800 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Eine Urkunde von 1222 erwähnt zum ersten Mal die Stadt Alsfeld. Auf eine Pestepidemie um 1635 verweist der Totenkopf eines Grabsteins. Mit dem Hut eines Postillions wird an die erste Postkutschenverbindung 1715 erinnert.
Zeugnisse der Industriegeschichte wie Bekleidung aus dem Hause Bücking, ein Hut der Firma Rockel und ein Stuhl des Herstellers Türpe ergänzen die Schau. Erinnert wird an die Synagoge von 1905, die 1938 von einem Mob geplündert wurde, sowie an den Patriotismus des 1. Weltkriegs.
Infos per QR-Code
Clever gestaltet ist die Ausstellung, die durch Hinweistafeln an markanten Gebäuden im Stadtbild ergänzt wird. So erläuterte Kurator Dr. Daniel Groth, dass man an den Exponaten nur kurze Beschreibungen angebracht hat. Wer mehr wissen will, kann per QR-Code weitere Hintergründe auf dem Smartphone finden. Eine Broschüre mit 88 Seiten bietet Zusatzinformationen zu den 64 Exponaten, die im Obergeschoss des Neurathhauses ausgestellt sind.
In einem Flyer sind die Standorte der zwölf zusätzlichen Stationen im Stadtbild aufgezeigt. Da werden markante Gebäude wie die Walpurgiskirche, das Rathaus, der Leonhards-Turm und die Friedhofskapelle herausgestellt. Groth verwies bei der Eröffnung darauf, dass im Fundus des Museums nahezu 11 000 Gegenstände liegen, »eine bombastische Sammlung des Geschichtsvereins«. Im Zuge der umfassenden Sanierung wurden alle Stücke begutachtet und katalogisiert. Bei der Darstellung wurde besonders darauf geachtet, Schaustücke zu verwenden, die »exemplarisch für ein Ereignis« in der Stadtgeschichte stehen.
Vereinsvorsitzender Jochen Weppler war erleichtert, dass mit der Sonderausstellung ein Schritt zur Wiedereröffnung des Museums erfolgt. Das Museum ist seit 2015 geschlossen, demnächst steht die Sanierung des Minnigerode-Hauses als weiterer Bauabschnitt an. »Die Erhaltung des Kulturerbes ist gerade in Zeiten der Zerstörung um so wichtiger«, meinte er mit Bezug zum Krieg in der Ukraine.
Schirmherr Helge Braun lobte den Einsatz der Stadt und des Vereins für die Sanierung des Stadtmuseums und die Erfassung der Archivalien. Wer für die Zukunft plant, braucht auch den Blick in die Geschichte. Da lerne man viel über Irrungen und Wirrungen im Wirken der Menschen.
Bürgermeister Stephan Paule war erleichtert, dass nach sechs Jahren Schließung wieder eine »erste museale Nutzung des künftigen Stadtmuseums geschieht«. Christina Reinsch sagte, dass im künftigen Stadtmuseum »ein weit über Alsfeld hinaus bedeutsames Museumsprojekt« umgesetzt wird.