»Mr. Straßenbau« im Ruhestand

Vogelsbergkreis (pm). Eine Straße vom Schwalmtaler Ortsteil Brauerschwend bis zur Münchener Allianz-Arena. Manchmal ist es kurios, wie genau sich darstellen lässt, was ein Mensch in seiner beruflichen Laufbahn geleistet hat. Im Falle von Günter Herles, dem Sachgebietsleiter Bau von Hessen Mobil in Schotten, sind Start- und Endpunkt der Route aber mit Bedacht gewählt.
Denn der 64-Jährige ist nicht nur Fan des FC Bayern München, sondern vor allen Dingen fest in seinem Heimatort verankert. Die knapp 420 Kilometer zwischen Haustür und Stadion entsprechen dabei genau der Strecke, die er in seiner Karriere beackert hat. Zum Jahresende ging Herles in den Ruhestand.
Als er zur Verabschiedung einlud, kamen neben dem Ersten Kreisbeigeordneten Dr. Jens Mischak auch viele Bürgermeister. »Was hier stattfindet, hat es so im Vogelsberg noch nicht gegeben. Man müsste dir eigentlich ein Denkmal setzen«, befand auch Helmut Klein, Dezernent für Planung und Bau.
Aufgewachsen im Vogelsberg führte das Interesse für Bau und Technik den jungen Schwalmtaler zur Lehre in einer Alsfelder Baufirma mit den Zwischenstopps Bundeswehr und Bauingenieurswesen-Studium im Jahr 1990 zu Hessen Mobil. Für zwölf Jahre sollte er die Straßenmeisterei in Grünberg leiten. »Das war spannend und interessant, ich habe das gerne gemacht. Aber ich wollte dann wieder mehr in die Praxis, was den konkreten Straßenbau angeht«, berichtet Herles von seiner Lust, Anfang des neuen Jahrtausends neue Wege zu gehen.
So landete er in Schotten im Bereich Straßenbautechnik. Dort zeichnete er sich bald für verschiedene Autobahnabschnitte verantwortlich. Die Strecke der A5 zwischen Pohlheim, Fernwald und Reiskirchen wurde unter seiner Federführung saniert. Es war ein herausfordernder Auftrag, den Herles auch dank seiner Fähigkeit zum Netzwerken mit Bravour erledigte. »Oft mussten Entscheidungen getroffen werden. Ohne langes Zögern und Zaudern. Und dann musste man mit dem Rattenschwanz an Folgen leben, wenn die Entscheidung erst einmal getroffen war.«
Parallel dazu leitete Herles zahlreiche Sanierungsmaßnahmen im Kreis Gießen und auch immer öfter im Vogelsberg. Je öfter seine Behörde reformiert wurde, desto mehr agierte er »vor der eigenen Haustür«. Sein Ziel, die Region strukturell voranzubringen, erreichte er. »An Bundesstraßen im Vogelsberg gibt es nirgendwo ein Stück, das nicht in Ordnung wäre«, brachte es sein Vorgesetzter Klein in seiner Rede mit Nachdruck auf den Punkt.
Herles: »Die gute Zusammenarbeit mit Kommunen, mit Brückenbaukollegen, Straßenmeistereien und all den anderen Kollegen - ohne diese erfolgreiche Koordination kann auch ich allein nichts ausrichten«, führte er aus.
Neues sehen, Neues wagen: Das war schon immer sein Antrieb. Und der zeigte sich auch in der Berufswelt. »Bitte nicht immer den gleichen Trott.
»Die Welt bleibt nicht stehen, wir sollten es bei Hessen Mobil also auch nicht«, erklärt er seine Motivation für durchdachte Experimente im Straßenbau. Ein paar Beispiele wären das inzwischen aufgrund neuer Bundesrechnungshofregularien eingestellte Kaltrecycling-Verfahren KRC, von dem viele Kreis- und Landstraßen in Mittelhessen profitiert hätten.
Und zuletzt brachte Herles eine neuartige Konservierungsmaßnahme nahe Alsfeld auf den Weg. Dort präsentierte er kürzlich noch die vielversprechende Auswertung eines Pilotprojekts zur Schadstoffreduzierung in der Luft mithilfe eines speziellen Granulats im Straßenbelag.
Experimente gewagt
So wurde es dem Schwalmtaler bis zum Schluss nicht langweilig. An seinem Arbeitsort Schotten schätzte er die familiäre Atmosphäre. »Diese Philosophie vom Haus der offenen Türen, dieses meist vorhandene Gefühl der Einheit, das gefiel mir sehr gut.«
So ist sein größter Wunsch in Bezug auf den neuen Lebensabschnitt Gesundheit. Auch neckisch vorgetragene Ängste seiner Schwalmtaler Mitbürger, er würde sicherlich bald den ganzen Ort vor lauter Langweile umbauen, kann er entkräften. Statt Großprojekten wie dem Bau eines Kunstrasenplatzes, wie er es vor wenigen Jahren fast im Alleingang in Brauerschwend koordiniert hat, steht es »Mr. Straßenbau« der Sinn eher nach Zeit mit der Enkeltochter, einer Wanderung, Zeitungslektüre oder Ausschlafen. »Es muss also niemand im Ort zittern«, lacht Herles.
Dennoch betont er immer wieder das »weinende Auge« im Zusammenhang mit seinem baldigen Ausscheiden: »Die sozialen Kontakte über die Arbeit werden innerhalb von recht kurzer Zeit naturgemäß zurückgehen. Das wird mir klar fehlen und es wird sicher schwer, das wegzustecken«, bekennt er.
Wer sich an seinem Abschiedsabend umgehört und umgeschaut hat, kann sich aber kaum vorstellen, dass dieser Mann im Sommer traurig auf der Couch sitzt. »Wir hätten gerne mehr vom Schlag Günter Herles«, war das Fazit des Ersten Kreisbeigeordneten Jens Mischak.