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Mit regionaler Mode mehr Verantwortung tragen

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Von: Redaktion

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Nachhaltig: Schneidermeisterin Antonia Klitsch (links) und Designerin Juliane Galfe begutachten die wiederverwertbaren Bestandteile der Kollektion. © Red

Sie setzen auf Qualitätsarbeit aus der Region für ihre Mode, die unter dem Label GeschwisterGalfe vermarktet wird. Das verkürzt die Transportwege. Zudem nehmen sie gebrauchte Stücke zurück.

Bei genauem Hinsehen hat Alsfeld im Vogelsberg eine lange Tradition als Ort der Mode und der Schneiderei: Es gibt dort die Färbergasse, die Blaupfütze und den Grabbrunnen - alles Ortsbezeichnungen, die auf die Arbeit mit Stoffen hindeuten. Daran knüpfen Juliane und Frank Galfe mit ihrer Mode an. Geschneidert wird in Alsfeld, das spart lange Transportwege.

Über Jahrzehnte gab es in der Fachwerkstadt Kleiderwerke, sogar eine Hutfabrik. Und so wundert es nicht, dass immer wieder kleine Nischen gerade dort entstehen, die sich mit guten Ideen und einer großen Portion Leidenschaft der Mode widmen. Zumal, wenn Menschen sich aus einer langen Familientradition heraus ebenfalls mit Mode beschäftigen.

Frank Galfe und seine Schwester Juliane Galfe sind vorbelastet: Ihr Urgroßvater war in seiner Heimat Stebnow (Slowakei) bekannt als der Schneider von Stöben, und vor noch gar nicht allzu langer Zeit fanden die Geschwister in einem familiären Nachlass die Nähmaschine, auf der bereits ihre Großmutter genäht hat.

Heute produzieren Frank und Juliane Galfe ihre Kollektion unter dem Label geschwisterGALFE vor Ort, mit Rohstoffen aus der Region. Notwendige Zukaufware wird aus nachhaltigen Quellen bezogen, hergestellt beispielsweise aus recycelten Ocean Bottles.

CO2-Last mindern

Mit einer Produktionskette, die ausschließlich vor Ort stattfindet, und nur wenigen Zukaufprodukten minimiert sich derTransportweg von der Herstellung bis auf die Verkaufsflächen der geschwisterGALFE ganz erheblich. Das senkt die Kohlendioxid-Belastung. »In der Regel wird Kleidung für den europäischen Markt in Fernost produziert, nach Deutschland geschifft und einer Endbearbeitung unterzogen, damit noch irgendwo ein ›Made in Germany‹ drauf kann. Wir möchten dem etwas mehr Ehrlichkeit und Innovation entgegensetzen«, erläutert Frank Galfe. »Für uns ist es daher ein integraler Bestandteil unserer Philosophie, unsere Kollektion nicht um den halben Erdball transportieren zu lassen und auch nicht auf Halde zu produzieren.«

In der Produktion in Alsfeld herrscht ein familiäres Klima, die Schneiderinnen und Schneider werden fair bezahlt. All das ist in der Kleidungsbranche nicht üblich, wie man weiß, doch all das ist Frank Galfe und seiner Schwester Juliane nicht genug. Sie möchten mehr möglich machen: Mehr Verantwortung übernehmen, mehr Bewusstsein schaffen, mehr für Nachhaltigkeit tun und selbst Teil der Veränderung sein.

Zurücknahme

»Wir nennen unsere Philosophie ›We are - wir sind‹, führen Juliane und Frank Galfe aus. »Wir sind nicht nur die Menschen, die sich so oder so kleiden, auf diese oder eine andere Weise wahrgenommen werden, sondern wir sind auch verantwortlich für unser Handeln, für das, was von uns wirkt und bleibt, und wir sind verantwortlich für die Menschen um uns herum.« Das gilt für sie als Modemacher und Händler ganz besonders natürlich für ihre Kunden.

Um zu vermeiden, dass Stücke aus ihrer Kollektion, die nicht mehr getragen werden, ein ungenutztes Dasein in den Kleiderschränken führen oder irgendwann einfach geschreddert werden, nehmen die beiden alle Artikel aus ihren geschwisterGALFE-Kollektionen bei einem Neukauf eines geschwisterGALFE-Artikels zurück. Das geschieht unabhängig von seinem Zustand. »Dafür rechnen wir bei einem Neukauf 20 Prozent des ursprünglichen Verkaufspreises an«, gibt das Geschwisterpaar bekannt.

»Für einen Mantel, der einst 499 Euro gekostet hat,wären das immerhin 100 Euro, was ziemlich einzigartig ist - und einen Gegenpunkt zu fast fashion und Wegwerfgesellschaft setzt.« Die zurückgegebene Ware wird von einem hauseigenen Wertstoffteam geprüft. Alle Komponenten, die noch verwertbar sind, fließen in die neue Produktion ein.

»Insbesondere sind dies Knöpfe und Reißverschlüsse, aber auch wenig getragene Stoffe«, so Frank Galfe. Der Modekreative hofft, dass diese Idee sich bei anderen Herstellern Bahn bricht. »Wir können nicht mehr Dinge, die wir noch verwerten können, einfach wegwerfen« lautet ihr Credo.

Rest für Dämmstoff

Deshalb gehen für sie selbst unbrauchbare Materialien nicht auf den Müll, sondern an einen inländischen Recyclingpartner. Der stellt daraus neue textile Produkte wie beispielsweise Dämmmaterial, Malerflies oder Dekostoffe her. »Wir wissen natürlich nicht genau, wie sehr unsere Kundinnen und Kunden von diesem Angebot Gebrauch machen werden, denn die Schlüsselstücke unserer Kollektionen sind Stücke fürs Leben - doch unser Angebot steht«, sagt Galfe.

Ihm liegen nach eigenem Bekunden gutes Handwerk, zeitlos gutes Design und fairer Umgang näher als »modisches Chichi.« So sagt er, »We are bedeutet auch, dass wir alle Teil eines Ganzen sind. Gemeinsam haben wir es in der Hand, also tun wir es auch gemeinsam. Damit aus Du und Ich ein Wir wird und bleibt.« Das ist ein »Wir«, das großgeschrieben wird in Alsfeld und der Region - einem Landstrich, der mit seiner Weite und dem Entschleunigungsfaktor den Ideenfluss und die Innovationskraft anregt.

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Juliane und Frank Galfe setzen auf eine regionale Modekollektion mit Wiederverwertung. © Red

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