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In der Schwartenmagengruft

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Gute Vorschläge hat die Hospizhelferin Christine G. Holzer (l.) für den armen Richard alias Simone Schmitt. © Red

Vogelsbergkreis (pm). Es war ihr zweiter Auftritt im Vogelsberg und er war innerhalb weniger Tage ausverkauft: Die »Tabutanten«, namentlich die Schauspielerinnen und Theaterpädagoginnen Christine G. Holzer und Simone Schmitt, lockten mit ihrem Programm »Sie werden lachen, es geht um den Tod« mehr als 80 Menschen in den Rokokosaal des Lauterbacher Hohhaus-Museums.

Eingeladen hatten die beiden Hospizvereine in Alsfeld und Lauterbach mit der Stiftung Lichtermeer.

Deren Ratsvorsitzende Tanja Bohn begrüßte Gäste und Künstlerinnen: Es sei vielleicht ungewöhnlich, über ein Thema wie den Tod zu lachen, das man im Alltag gern verdrängt. Doch die Auseinandersetzung damit biete die Chance, die Zeit vor dem eigenen Tod würdevoll zu gestalten. Für den Hospizdienst Vogelsberg und den Hospizverein Alsfeld sprachen deren Vorsitzende Heide Fink und Susanne Liebl.

»Wir möchten bei den schwerkranken Menschen sein, mit ihnen sprechen und schweigen, ihnen zuhören und beistehen. Keiner soll alleine sein«, skizzierte Fink das Anliegen ihres Vereins und betonte, dass dieses Angebot der ehrenamtlichen Hospizhelferinnen und -helfer nicht erst für die letzten Tage und Wochen gelte, sondern schon früher in Anspruch genommen werden könne.

Eine weitere Aufgabe ihrer Vereine sei die Enttabuisierung des Themas Sterben, dafür wolle man gezielt an die Öffentlichkeit gehen.

»Die letzte Lebensphase gehört zum Leben dazu wie die erste«, sagte im Anschluss Dr. Norbert Sehn vom Palliativteam Waldhessen. Er stellte die Aufgaben der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) vor, die todkranken Menschen zusteht und deren Versorgung, insbesondere Linderung von Schmerzen, Übelkeit und Luftnot, gerade im häuslichen Umfeld rund um die Uhr gewährleisten soll. Diese Betreuung gibt es auf Krankenschein.

Dass das Thema nicht nur für Sorge steht, darum kümmerten sich die »Tabutanten« mit ihrem Programm. Ihr Impro-Theater macht die beiden zu Drehbuchautorinnen, Regisseurinnen und Schauspielerinnen im gleichen Augenblick - damit schaffen sie einzigartige Momente voller Witz und Authentizität.

Annäherungen auf dem Friedhof

»Im Moment liegt die Fülle«, so ihr Credo - sehr passend zum Thema Leben und Sterben. Auch Stichworte zu den Themen Leben, Liebe und Genuss nahmen sie in ihre Liste auf und boten den Gästen eine Stunde lang Interna, die selbst den Insidern bislang unbekannt waren: Als neue Geschenk- und Bestattungsidee entwickelten Holzer und Schmitt die Lauterbacher Schwartenmagengruft, die persönliches und genussvolles Abschiednehmen ermöglicht, erschwinglich ist und neue Möglichkeiten der Friedhofskultur eröffnet. Mit wenigen Handgriffen und kleinen Accessoires verwandeln die Schauspielerinnen sich in ihre Charaktere. Sie sind ein eingespieltes Team. Die Besucher bekamen ganz neue Tipps für die Gestaltung einer »neuen Generation von Leichenschmäusen«; und lernten die Theatercoachin Hedwig kennen, deren Katze mit dem schönen Namen »Beutelches« über übersinnliche Kräfte verfügt. Auch die Annährungen von Witwern und Witwen auf dem Friedhof oder übers Internet sind den Akteurinnen nicht fremd. Gerade hier bewies auch das Publikum viel Humor und Improvisationstalent mit witzigen Zurufen, was die Liaison der schöngeistigen Gisela mit dem rustikalen Treckerfahrer Horst anging.

Zum Abschluss interpretierten die beiden noch einen besonderen Besuch einer übereifrigen, fast fertig ausgebildeten Hospizhelferin beim todkranken Richard: Der hätte doch nichts mehr zu verlieren, meinte sie, und könne jetzt noch einmal voll ins Leben einsteigen. Anhaltender Applaus war den beiden Künstlerinnen sicher.

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