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Hochkaräter zu Gast

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Von: red Redaktion

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Auftakt bei »Alsfeld Musik Art«: Jan Luley und Band präsentieren traditionellen Jazz in größter Bandbreite. © pv

Alsfeld (pm). Vor 17 Jahren war New Orleans durch den Hurrikan Katrina in Wasser und Schlamm versunken. Längst ist es wieder aufgebaut, wiewohl leider auch zuungunsten sozial Schwächerer - katastrophenbedingtes Beispiel für Gentrifizierung. Doch New Orleans, die »Wiege des Jazz«, bleibt nach wie vor ein faszinierender Ort.

Das war nur einer der Eindrücke nebenbei, die das grandiose Jazzkonzert vermittelte, das am Wochenende die 32. Saison der Konzertreihe »Alsfeld Musik Art« eröffnete, nach zweieinhalb Jahren coronabedingter Pause.

Passender und ermutigender hätte der Wiedereinstieg nicht sein können. Als Akteure des Abends belebten Luley’s Lagniappes sowie Monique Thomas und Thimo Niesterok die Bühne.

Mit einem Stück des in New Orleans aufgewachsenen Jelly Roll Morton, der sich einst selbst als »Erfinder des Jazz« bezeichnet hat, eröffnete Jan Luley solistisch das Konzert. Tatsächlich: Im gleichen Jahr, in dem Scott Joplins berühmt gewordener Ragtime »The Entertainer« erschien, glitt der egozentrische Morton bereits vom Rag in Regionen herüber, die man später als Jazz definieren sollte. Der Pianist vermittelte dies eindrücklich und improvisatorisch originell. Von hier aus spannte Luleys Band der »Werbegeschenke« und »Give-aways« (Lagniappes eben) den Bogen bis hin zu den zwei wunderbaren gemeinsamen Zugabe-Stücken: »Amazing Grace« und »Do you know what it means to miss New Orleans«.

Das begeisterte Auditorium erlebte fünf Musiker-Persönlichkeiten von internationalem Rang mit ihrer je charakteristischen, individuellen Art. Von verschiedenen früheren Auftritten her in Alsfeld ein »alter Bekannter«: Jan Luley, Tausendsassa des Jazz- und Blues-Pianospiels: pfeifend, singend, moderierend und vor allem mit größter Virtuosität und stilistischer Vielfalt in die Tasten greifend, nahm die Zuhörer, erfreulich viele an der Zahl, mit nach New Orleans: hier im übertragenen Sinne in dessen kreolische Musikkultur, doch organisiert und führt Luley auch tatsächliche Reisen ins reale New Orleans.

Monique Thomas, gebürtig aus Philadelphia, »gelernte« Gospelsängerin und in New York zu einer großen Jazz-Stimme gereift, konnte mit phänomenaler stimmlicher Bandbreite hinreißen und immer neu auch verblüffen.

Stimme und Trompete im »Battle«

Einer der szenischen Höhepunkte des mit zahlreichen kleinen Bühnen-Interaktionen gespickten Programms war ein »Battle« »gegen« ihren Bandkollegen Thimo, in dem Monique sich allein mit der Stimme alle Schattierungen des Trompetenklangs »konkurrierend« zu eigen machte.

Der junge Trompeter Thimo Niesterok, von gänzlich anderer äußerer Statur als Louis Armstrong, knüpft in seiner farbenreichen Spielweise an den Altmeister der klassischen Jazztrompete an und führt dessen Tongebung in viele Richtungen klanglich weiter. Ausgebildet an der Kölner Musikhochschule, verfügt Niesterok schon in jungen Jahren über einen breiten, an und mit europäischen Jazz-Größen geschulten Erfahrungsschatz.

Paul G. Ulrich, langjähriger Band-Mitstreiter Jan Luleys, war einst fester Bassist bei Altmeister Paul Kuhn. Wenn er den Bogen ergreift und den Bass beinahe akrobatisch und intonatorisch souverän bis in höchste Töne als Streichinstrument erklingen lässt, schafft er auf seinem voluminösen Instrument bisweilen die Anmutung einer Stroh- oder Trichtergeige. Fürs rhythmische Fundament sorgte Gerd Breuer als Virtuose im Hintergrund.

Die profilierte Fünfer-Crew ließ, mal wie eine Brise, dann wieder fast wie ein Orkan, etliche bekannte und einige weniger geläufige Jazz-Klassiker durch den Abend wehen, ließ Armstrong, Ellington, Ray Charles, Mahalia Jackson und manch andere in der Aula der Albert-Schweitzer-Schule aufscheinen, alle Stücke in ganz eigener Weise auf- und zubereitet, angereichert mit Jazz-Elementen, die über New Orleans und den gleichnamigen Ur-Jazz-Stil beachtlich hinausführen - zu einem bedeutsamen Abend des sogenannten traditionellen Jazz.

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