Fichten müssen weichen

Vogelsbergkreis (sw). »Offene« Landschaften sind wichtige Lebensräume für zahlreiche heimische Pflanzen und Tiere. Sie sind weitgehend gehölzfrei und aus naturschutzfachlicher Sicht von besonderem Wert, da sie immer seltener werdende Pflanzen beherbergen, die im Vogelsberg noch eine Heimat finden. Das Naturschutzgroßprojekt Vogelsberg hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, offene Landschaften - wertvolle Biotope wie Bergmähwiesen, Magerweiden und Zwergstrauchheiden zu erhalten.
Notwendig dafür sind verschiedene Pflegemaßnahmen.
So wurden dieser Tage auf dem Breungeshainer Hang unterhalb des Hoherodskopfes mehrere Bäume gefällt. Es handelt sich dabei um größere und kleinere Fichten. Laubbäume waren von der Maßnahme nicht betroffen. Die Aktion wurde in Absprache mit der Stadt Schotten durchgeführt, um die wertvollen Wiesen und Weiden zu schützen, heißt es in einer Pressemitteilung des Vogelsbergkreises.
Seltene Offenlandbiotope
Im Vogelsberg finden sich auf den bunt blühenden Bergmähwiesen zum Beispiel noch der violett blühende Waldstorchschnabel, die gelbe Trollblume und die Schwarze Teufelskralle. Aber auch unscheinbare Pflanzen wie das raue Borstgras, der Weiden begleitende zartblühende Ehrenpreis, Kreuzblümchen und aromatischen Weidekräutern wie Thymian und Kleine Pimpernelle. Die Bergmähwiesen und artenreichen Borstgrasrasen zum Beispiel, die sich als typische Heuwiesen und Weidelandschaft über Jahrhunderte hinweg im Vogelsberg etabliert haben, sind nach dem Bundesnaturschutzgesetz gesetzlich geschützt. Da ihre Bestände im Zuge zunehmender landwirtschaftlicher Intensivierung, hoher Nährstoffeinträge oder durch die Nutzungsaufgabe unrentabler Flächen stark abnehmen, hat sich nicht nur Deutschland, sondern die gesamte EU bereits 1992 darauf geeinigt, diese nachhaltig zu schützen und weitere Verluste zu vermeiden.
Am Breungeshainer Hang findet sich ein ganzer Komplex verschiedenster seltener Offenlandbiotope auf über 50 Hektar. Im Übergang zwischen den gesetzlich geschützten Bergmähwiesen, Borstgrasrasen und Zwergstrauchheiden wachsen weitere wertvolle Magerwiesen. Ziel ist es, diese durch eine passende Nutzung mit Mahd und Schafweide langfristig zu erhalten und durch gezielte Maßnahmen aufzuwerten.
Die Pflege der Biotope wurde im Pflege- und Entwicklungsplan während der Planungsphase des Naturschutzgroßprojektes aufgenommen. Seit 2015 werden nach und nach diverse Maßnahmen zur Pflege - wie der Rückschnitt überalterter Heidelbeersträucher, das Striegeln, die Mahd und Einsaat verarmter Wiesen - durchgeführt.
Fichten nehmen Pflanzen Licht weg
Die Entnahme einzelner Fichten auf dem Borstgrasrasen am Breungeshainer Hang stellt ebenfalls eine solche Pflegemaßnahme dar. Die ausladenden Fichten beschatteten die niederwüchsigen Kräuter und nahmen ihnen das Licht zum Wachsen. Durch die bodentiefen Äste gelangte wenig Licht an den stammnahen Bereich. Zusätzlich legte sich die saure Nadelstreu wie eine Decke auf den Boden, ist der Mitteilung des Vogelsbergkreises zu entnehmen.
Interessant ist, dass die Fichten am Breungeshainer Hang nie aktiv dort gepflanzt wurden. Die Samen sind durch den Wind und Tiere verbreitet worden, zufällig auf der Fläche gelandet und aufgekeimt - ein ganz natürlicher Prozess. Dieser wird auch als Sukzession bezeichnet, also das langsame Aufwachsen von Bäumen und Sträuchern über die Krautschicht hinaus bis hin zu einem geschlossenen Wald. Das kann allerdings Jahrzehnte dauern.
Eine natürliche Sukzession findet auf fast allen offenen Flächen statt, die nicht aktiv durch den Menschen freigehalten werden, wie zum Beispiel durch Mahd, Beweidung oder Rückschnitt der Bäume und Sträucher. Das Offenhalten der Landschaft lohnt sich, teilt der Vogelsbergkreis weiter mit. Auf nährstoffarmen, traditionell bewirtschafteten Wiesen und Weiden würden sich die artenreichsten Biotope ganz Europas finden. Mit bis zu 30 gefundenen Arten auf nur einem Quadratmeter - damit könne kein Wald und kein Acker konkurrieren. Ein wahrer Schatz der Artenvielfalt.