Erinnern an Freunde von einst

Alsfeld-Angenrod (jol). 15 kleine Erinnerungstafeln zieren nun mehrere Gehwege in Angenrod. Die Stolpersteine rufen ins Gedächtnis, dass 14 jüdische Angenröderinnen und Angenröder in der Zeit des Nationalsozialismus ermordet wurden, nur einem gelang die Flucht in die Schweiz.
Dieser Tage verlegte der Künstler Gunter Demnig die zehn mal zehn Zentimeter großen Stolpersteine im Rahmen der 750-Jahrfeier. Sie verweisen darauf, dass die Familien von Simon Wertheim und Leopold Speier fast vollständig ausgelöscht wurden, darunter auch Liselotte Speier, die als erst Neunjährige in Konzentrationslager deportiert und zwei Jahre darauf in Auschwitz ermordet wurde.
Beschluss schon 2010
Die Verlegung schließt sich an die Aktionen in Alsfeld an, bei denen über 50 Stolpersteine verlegt wurden. In Angenrod hatte der Ortsbeirat bereits 2010 für die Stolpersteine gestimmt, doch die Umsetzung blieb danach aus, wie Joachim Legatis von der Gedenkstätte SpeierHaus sagte. Dabei ist dies gerade in Angenrod bedeutsam, weil im Ort um 1861 die prozentual zweitgrößte jüdische Bevölkerung von ganz Hessen gelebt hat. Die Anregung für die erneute Stolperstein-Initiative kam aus dem Ort von Rudolf Haidu, die biografischen Daten zu den Personen steuerte Ingfried Stahl bei.
Bürgermeister Stephan Paule wies auf die Bedeutung der Verlegung hin. Es gebe leider eine lange Tradition der Judenfeindschaft, der entgegenzutreten sei. Für den Ortsbeirat sagte Christa Haidu, dass die Gedenkstätte zum Landjudentum inzwischen im Dorf weitgehend akzeptiert sei. Das einst heruntergekommene Gebäude sei gut hergerichtet und mit einer sehenswerten Ausstellung ausgestattet worden. Die Stolpersteine erinnern an Bertha Oppenheimer, mit 68 Jahren die älteste der acht Menschen, die am 7. September 1942 deportiert und später ermordet wurden. An der Straße Am Backhaus lebten Bertha Oppenheimer sowie die Familie von Jenny und Simon Wertheim mit den Kindern Meta und Fritz. Im Haus Judengasse 4 wohnte Rosa Schaumberger, die bereits 1940 im Rahmen der Tötungsaktion an psychisch kranken und behinderten Menschen ermordet wurde. Am Haus Judengasse 1 wird an Minna und Sally Wertheim erinnert, deportiert im September 1942. Vor der Gedenkstätte liegen sechs Stolpersteine. Sie verweisen auf Leopold und Johanna Speier, die mit der neunjährigen Liselotte und dem 14 Jahre alten Alfred im September 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt wurden. Sie starben zwei Jahre darauf im Lager Auschwitz. Ein weiterer Sohn, Willi, ist aus Frankfurt in das Lager Auschwitz deportiert worden. Lediglich Ludwig Speier konnte als 15-Jähriger entkommen. Er starb in New York, war aber nie über die Ermordung seiner Familie hinweggekommen.
Kommentar der Nichte
In einem Kommentar zu der Stolperstein-Aktion hat seine Nichte Susan Adler-Thorp auf die große Bedeutung des Erinnerns für Jüdinnen und Juden hingewiesen. »So lange sich eine Generation an diejenigen erinnert, die vor uns waren, an deren Werte, die sie an uns weitergegeben haben, und sie durch das ehrt, was wir werden, so lange sind unsere geliebten Vorfahren wirklich unsterblich.« Artie Speier, ein weiteres Mitglied der Familie, betont, dass Angenrod sich selbst ehre, indem das Dorf mit Stolpersteinen an die Freunde von einst erinnere.