Ehre für traditionelles Vogelsberger Einhaus

Das Vogelsberger Einhaus ist Bauernhaus des Jahres 2022. Das hat die Interessengemeinschaft Bauernhaus verkündet. Die feierliche Würdigung findet im April in Hopfmannsfeld statt.
In diesem Jahr ernennt die Interessengemeinschaft Bauernhaus (IgB) das Vogelsberger Einhaus zum Bauernhaus des Jahres. Einhäuser prägen die historischen Ortskerne im Vogelsberg, der als größtes zusammenhängendes Vulkangebiet Mitteleuropas gilt. In der Regel vereinen Einhäuser Wohnstube, Küche, Stall und Scheune unter einem Dach - mit durchlaufendem First. Den Haustyp gibt es auch in anderen Gegenden. Das besondere am Vogelsberger Einhaus: Es ist fest mit seinen geologischen und klimatischen Voraussetzungen verwurzelt. Im Vogelsberg sind die Einhäuser auf relativ kleiner Fläche gebaut, was mit dem Untergrund - dem Vulkangestein - zusammenhängt sowie mit dem rauen Klima und den sozialen Bedingungen einer kleinbäuerlichen Landwirtschaft.
Natursteinsockel aus vulkanischem Gestein, und manchmal aus Sandstein, sind das charakteristische Element der Vogelsberger Einhäuser. Ihre Sockelzonen unterscheiden sich von Dorf zu Dorf, weil sie jeweils aus dem Stein entstanden sind, der vor Ort vorhanden ist. Genauso variieren auch die Fachwerkkonstruktionen sowie die hölzernen Verschalungen aus Schindeln oder Wettbrettern.
Mit dem Vogelsberger Einhaus als Bauernhaus des Jahres 2022 will die Interessengemeinschaft Bauernhaus den Blick für diese Details schärfen. »Gerade sie tragen zum baukulturellen Wert des regionalen Architekturtyps bei,« so Geschäftsführerin Dr. Julia Ricker. Zum fünften Mal richtet der deutschlandweit agierende Verein mit Sitz im niedersächsischen Syke den Fokus auf einen ländlichen Bautyp und seine architektonischen Besonderheiten. Bauernhaus des Jahres waren bereits das im Südosten von Brandenburg beheimatete Spreewaldhaus, das Jurahaus im bayerischen Altmühltal, das Umgebindehaus der sächsischen Oberlausitz sowie der Haubarg auf Eiderstedt.
2022 bringt die Interessengemeinschaft das Vogelsberger Einhaus in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit. Besonders engagieren sich dabei die Vereinsmitglieder der Region, die mit dem Architekten Josef Michael Ruhl von der IgB-Kontaktstelle Herbstein für die Anliegen der IgB aktiv und bei Fragen zur Instandsetzung alter Häuser ansprechbar sind (ks_herbstein@igbauernhaus.de).
Mit dem Bauernhaus des Jahres macht die Interessengemeinschaft auf den Wert regionaltypischer Architektur aufmerksam. Denn: »Historische Gebäude werden zurzeit in besorgniserregender Zahl umgebaut und abgerissen«. Gerade die ländliche Baukultur stehe auf dem Spiel.
Beim Vogelsberger Einhaus seien in der Zukunft weiter kluge Konzepte für schonende Instandsetzungen und nachhaltige Nutzungen gefragt. Etwa die Hälfte der Gebäude sei mittlerweile »überformt«. Ställe und Scheunen wurden oft massiv ausgebaut, häufig kamen noch Erker oder andere Anbauten hinzu, Dächer und Fassaden wurden verändert. Viele Natursteinsockel sind heute verputzt oder verklinkert. Um 1900 gab es im Vogelsberg rund 8000 Einhäuser. Ein wesentlicher Teil des Architekturerbes ging nach 1955 verloren, als die Modernisierungswelle auch den Vogelsberg erfasste. Inzwischen dürften noch bis zu 6000 Einhäuser in ihren Grundstrukturen erhalten sein. Die IgB will mit der Aktion ein öffentliches Bewusstsein und mehr Wertschätzung für den jahrhundertealten Gebäudebestand auf dem Land in seiner gewachsenen Umgebung schaffen. »Damit zukünftig noch mehr leerstehende Gebäude langfristig wiederbelebt werden und bereits instandgesetzte Bauten dauerhaft bewahrt bleiben«.
Die feierlich Würdigung des Einhauses als Bauernhaus des Jahres 2022 ist für den 24.4.2022 in Hopfmannsfeld geplant. Die Festreden halten Landeskonservatorin Dr. Verena Jakobi sowie Prof. em. Dr. Karl-August Helfenbein. Eine Regionalausgabe der Vereinszeitschrift »Der Holznagel« zum Vogelsberg und dem Einhaus erscheint Ende Februar. www.igbauernhaus.de
